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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Jaenner 2004; 16:25
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EU/Erweiterung:
> Der EU-Beitritt und die Portokassen der Konzerne
Da viel zu tun ist, verlangt die EU von ihren Laendern hoehere Beitraege. Da
geht es sich mit den Budgets nicht aus, dort geraten ganze Kommissionen
ausser Finanzkontrolle - und nicht zuletzt warten zehn Kandidatenlaender auf
versprochene EU-"Finanzhilfen" mit jeweils zig-Milliarden Euro. Dass die
Zeiten schwer sind, meinen allerdings auch fast alle der bestehenden 15
EU-Laender. Zur Begruendung wird hauptsaechlich auf die weltweite
Konjunkturkrise verwiesen, die 1. hohe Arbeitslosigkeit erzeuge und dadurch
2. jedes Budget zum Grenzfall fuer einen ernsthaften EU-Prozess laut
Maastrichter-Kriterien werden lasse. Manche, besonders clevere Staatslenker
probieren einmal so vor sich hin, was - wie in Oesterreich - unter
Umstaenden zu radikalen Systemumstellungen fuehrt. Da alles Boese von Links
der Mitte kommt und Kreisky in schwierigen Zeiten dem Keynesianismus anhing,
muss sich doch das Gegenteil davon zur Bewaeltigung der Finanzmiseren
hervorragend eignen: der Monetarismus. Damit nicht genug, laesst man
zusaetzlich keinen Stein auf dem anderen, mag er noch so bewaehrt sein. An
Beispielen mangelt es nicht: Bildung und Forschung, die Sozialpartnerschaft,
das Pensions- und Krankensystem, die Zerschlagung der Bundesbahnen...
Aber Schluss mit dem Raunzen! Sehen wir uns lieber die hoffnungsvolle
Situation der Beitrittslaender an - z.B. der Slowakei. Wer betritt da am 1.
Mai die EU-Buehne als Mitglied und kuenftiger Mitgestalter? Da ist einmal
der Premier Mikulas Dzurinda, dessen Mitte-Rechts-Regierung einen ziemlich
beinharten Marktwirtschaftskurs faehrt. Dieser wird natuerlich wie in der
Gesamt-EU mit der Sicherung und dem Ausbau des Wirtschaftsstandortes
begruendet. Die Slowakei befindet sich da fest in Beugehaft auslaendischer
Konzerne. Wuerde ein anderer politischer Kurs gefahren werden - vielleicht
gar ein linker - kaeme es zu einer Verunsicherung und eventuell zu einem
Rueckzug auslaendischen Investoren. So entscheiden derzeit neben dem
koreanischen Auto-Konzern Hyundai einige andere Konzerne, ob sie Anlagen in
der Slowakei oder in Polen errichten. Zig-tausende potentielle
ArbeitnehmerInnen sind beiderseits der Grenze durch Konzernentscheidungen
entweder in Arbeit oder eben nicht. Dies foerdert selbstredend die
politische Demut gegenueber der Wirtschaft. Was unter anderem dazu fuehrt,
dass eine Flat Tax von 19% auf alle Einkommen von Unternehmen,
Privatpersonen und Beschaeftigten eingehoben wird.
Dies wirkt auf alle moeglichen Investoren sehr beruhigend, bedeutet jedoch
fuer Kleinverdiener einen Verlust ihres Arbeitseinkommens von fast 10%. Vor
der Einfuehrung dieser Regel wurden sie naemlich mit bloss 10% besteuert.
Alle, die mit ihrem Steueraufkommen ueber 19% lagen, profitieren von diesem
Gesetz, der Spitzensteuersatz lag bei 38%! Selbst Bill Gates braeuchte dem
slowakischen Finanzamt nur 19% abliefern. Das hebt die Laune und die
Investitionsgelueste so mancher Konzernbosse: in manchen Beitrittslaendern
herrscht ein Wettstreit, wieweit man die Einkommenssteuer nach unten
druecken kann. Steuerdumping im Austausch gegen Arbeitsplaetze. Nicht gerade
euphorisch reagieren die Laender, deren soziale und manchmal auch politische
Strukturen diesen Wettkampf nach unten nicht so leicht ermoeglichen. Der
fuer die Konzerne und das Finanzkapital positive Einfluss der einheitlichen
Einkommenssteuer und die niedrigen Arbeitskosten lassen die Beitrittslaender
zu massenhaften, sich beinhart konkurrierenden und rein exportorientierten
Produktionsstaetten "erbluehen". Denn auf lange Zeit werden sich die
arbeitenden Bevoelkerungen die von ihnen produzierten Luxus-Artikel kaum
leisten koennen. Ausreichende Erfuellung der Konsummoeglichkeiten sind
jedoch neben der sozialen Absicherung die einzigen Moeglichkeiten, die
wachsenden sozialen Unruhen zu befrieden - wie sie jetzt bereits in der
Slowakei als Konsequenz des harten Reformkurses haeufig auftreten.
Billigst produzieren, geringste Steuerbelastungen fuer auslaendische
Investoren, Konsumvermehrung und soziale Absicherung wird's nicht
gleichzeitig geben koennen. Soll heissen: Bei Erfuellung der ersten beiden
Zugestaendnisse an auslaendische Konzerne wird es fuer den heimischen Konsum
und die soziale Mindestsicherung ziemlich knapp. Zusammen mit dem EU-Start
wirkt das Gemisch zimlich explosiv, wobei die "Gemeinschaft" bis jetzt schon
wenig zimperlich mit gewachsenen Strukturen umgegangen ist. Neben der
"Beugehaft" gegenueber den Konzernen und der Auslieferung an das
Finanzkapital ist ein gewaltiges Grossreinemachen der EU angesagt, die
moeglichst schnell die Vereinheitlichung und Kompatibilitaet aller
Strukturen erreichen wollen wird. Auf die zu erwartenden Unruhen koennten in
den meisten Beitrittslaendern problemlos politische bis militaerische
Szenarien gestartet werden, die unbotmaessige Teile und Schichten der
Bevoelkerungen in Schach halten. Nach aussen wuerden die Wirtschaftsdaten
eine ungeheure Produktivitaet und ein stabiles System vortaeuschen - was
wahrscheinlich auch in der EU auf- und ab gelobt wird - waehrend im Land
selbst die Kritiker mundtot gemacht werden, und ein Terroristengesetz nach
dem anderen verabschiedet wird. Denn bezahlt werden koennten die neuen
"Sicherheitskraefte" locker aus den Portokassen der Konzerne.
*Fritz Pletzl*
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