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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. Jaenner 2004; 16:21
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Asyl/Eine andere Europaeische Union:

> Ein internationales Netzwerk entsteht

Erfolgreiche NGO-Konferenz in Schlaining

"Asyl in Not" hat vom 23. bis 25. Jaenner 2004 in der Friedensburg
Schlaining (Burgenland) die erste internationale NGO-Konferenz fuer
grenzueberschreitende Asylaktion (1st international conference of cross
border asylum action) abgehalten, an der NGOs aus Deutschland, Oesterreich,
Polen, Rumaenien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, der Ukraine und
Ungarn teilnahmen.

Hauptthema der Konferenz war die Bildung eines grenzueberschreitenden
Netzwerks, um Asylwerbern wirksamen Rechtsschutz zu geben, Abschiebungen zu
verhindern, die Schubhaft zu bekaempfen und die Menschenrechte auf Asyl,
auf Schutz vor Abschiebungen und auf Respekt vor der persoenlichen Freiheit
in der erweiterten Europaeischen Union zu verteidigen.

Im Rahmen eines vom Europaeischen Fluechtlingsfonds gefoerderten Projekts
("Info and Cooperation Forum", ICF) werden wir die Aufnahmebedingungen fuer
Asylwerber in den Beitrittslaender untersuchen und ueber die Einhaltung von
Mindeststandards wachen.

Am 1. Mai 2004 kommen neue Herausforderungen auf uns zu. An diesem Tag tritt
in Oesterreich das neue, verfassungswidrige Asylgesetz in Kraft; am gleichen
Tag treten auch unsere Nachbarlaender der Europaeischen Union bei. Sie
werden "Dublinstaaten" sein - und Oesterreich wird Fluechtlinge dorthin
zurueckschieben, obwohl der Unabhaengige Bundesasylsenat immer wieder
festgestellt hat, dass es sich bei diesen Laendern um nicht sichere
Drittstaaten handelt.

Unser Netzwerk hat seine Feuerprobe schon im vergangenen November bestanden,
als Innenminister Strasser in dreister Missachtung der geltenden Gesetze
eine Gruppe von 74 tschetschenischen Fluechtlingen in die Tschechische
Republik zurueckschieben liess.

Damals konnten wir das von Strasser und Mittaetern gewuenschte spurlose
Verschwinden der Fluechtlinge verhindern: Dank dem grenzueberschreitenden
Zusammenwirken zwischen Asyl in Not, der Asylkoordination Oesterreich und
unserer tschechischen Partnerorganisation OPU wurden die zurueckgeschobenen
Tschetschenen vor der Weiterschiebung geschuetzt.

Asyl in Not erstattete eine Strafanzeige gegen Innenminister Strasser, erhob
Berufungen gegen die Aufenthaltsverbote und forderte die Weiterfuehrung der
Asylverfahren in Oesterreich. Aehnlich werden wir auch in Zukunft in allen
Partnerlaendern unseres Netzwerks verfahren.

Wir werden die Aufmerksamkeit der europaeischen Oeffentlichkeit insbesondere
auf das Netzwerk von Gefaengnissen lenken, das die Regierungen der
Beitrittslaender in vorauseilendem Gehorsam gegenueber der Festung Europa
errichtet haben.

Am Vortag der Konferenz, am 22. Jaenner, besichtigen wir das
Fluechtlingsgefaengnis in Szombathely - einen schrecklichen Ort, an dem
Menschen bis zu einem Jahr eingesperrt werden, aus dem einzigen Grund, weil
sie "Illegale" sind, Menschen ohne Papiere, ohne "rechtmaessigen"
Aufenthalt...

Wir fanden dort Menschen vor, die unter unmenschlichen Haftbedingungen
leiden, die ueber Gewalttaetigkeit der Gefaengniswaerter, unzureichende
Ernaehrung und fehlende medizinische Betreuung klagten. Wir fanden einen
jungen Chinesen vor, der einen Selbstmordversuch unternommen hatte, weil er
geschlagen worden war, und der sich seit zehn Tagen im Hungerstreik befand
und keinerlei medizinische oder psychologische Betreuung erhielt; meist lag
er apathisch im Bett, manchmal schrie er verzweifelt und laut. Die
Gefaengniswaerter behaupteten, er sei nicht wirklich im Hungerstreik, an
jenem Morgen habe er (weil er es nicht mehr aushielt) eine Semmel gegessen.

Wir fanden einen jungen Mann vor, der nach einem Selbstmordversuch in einer
Einzelzelle eingesperrt war, in der staendig das elektrische Licht brannte
und die nur mit Gitterstaeben vom Gang getrennt war, sodass wir hineinsehen
und mit ihm sprechen konnten. Seine offenen Wunden, so berichtete er uns,
waren nicht behandelt worden.Uns wurde berichtet, dass in den vergangenen
Jahren zwei Selbstmordversuche gelungen waren und erst vor kurzem ein
Haeftling versucht hatte, sich zu erhaengen. Wir hoerten von zahlreichen
Faellen von Hungerstreiks und Selbstverletzungen - ohnmaechtigen Versuchen
der Haeftlinge, gegen unertraegliche Bedingungen zu protestieren.

In einem offenen Brief an den ungarischen Innenminister forderten die
Konferenzteilnehmer die sofortige Einleitung einer Untersuchung ueber die
Zustaende in diesem Gefaengnis, eine sofortige Verbesserung der
Haftbedingungen und insbesondere sofortige medizinische Versorgung des
jungen chinesischen Haeftlings.Die Konferenzteilnehmer wiesen den
ungarischen Minister mit Nachdruck darauf hin, dass sie ihn - sollte der
junge Chinese sterben - fuer seinen Tod persoenlich verantwortlich machen
wuerden.

Derzeit befinden sich in Szombathely nur 42 Haeftlinge. Offiziell gibt es
dort aber Haftraum fuer 150 bis 200. In Wirklichkeit aber koennten dort - da
es sich um ein riesiges Gebaeude, eine fruehere russische Kaserne handelt -
bis zu tausend Menschen zusammengepfercht werden. Wir befuerchten, dass nach
dem 1. Mai 2004 viele Fluechtlinge aus Oesterreich nach Ungarn
zurueckgeschoben und in schrecklichen Haftanstalten wie Szombathely landen
werden. Dagegen werden wir kaempfen, ebenso wie gegen Zurueckschiebungen in
die anderen Nachbarlaender. Und wir werden unsere Partner-NGOs in den
Beitrittslaendern in ihrem Kampf gegen ungerechte, unmenschliche Zustaende
unterstuetzen.
*Michael Genner, Asyl in Not* (gek.)



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