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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. Januar 2004; 23:11
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Polizei/Recht:
> "Wunderwaffe" DNA-Analyse
SPD und Union wollen Ausweitung und Verschaerfung der Strafprozessordnung
Die neue "Wunderwaffe" bei der Aufklaerung von Straftaten, die DNA-Analyse
("genetischer Fingerabdruck"), verleitet die Politiker dazu, sich
gegenseitig mit ihren Forderungen nach Ausweitung und Verschaerfung der
Strafprozessordnung (StPO) zu uebertreffen. Kaum hat die
CDU/CSU-Bundestragsfraktion einen Antrag hierzu im Bundestag eingebracht,
will die SPD nicht zurueckstehen. Bisher ist die DNA-Analyse, die
beispielsweise aus Koerperzellen, Haaren oder Speichel die Identifizierung
von Personen ermoeglicht, nur bei schweren Straftaten erlaubt. Dies wollen
die Unionsparteien aufweichen, doch Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus
Buss (SPD) geht noch weiter: Nach seiner Meinung soll die DNA-Analyse zur
Routine bei jeder erkennungsdienstlichen Massnahme der Polizei werden. Und
Buss ist nicht irgendwer, sondern seit letzter Woche neuer Vorsitzender der
Konferenz der Landesinnenminister.
Doch sowohl der Bundestagsantrag der CDU/CSU als auch der Vorstoss des
SPD-Politikers Buss widersprechen einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe hatte am 14.12.2000 eindeutig
entschieden, dass die "Feststellung, Speicherung und (kuenftige) Verwendung
des DNA-Identifizierungsmusters" in das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung eingreift und daher nur in engen Grenzen zulaessig ist.
Woertlich fuehrte das Bundesverfassungsgericht aus: "Notwendig ist, dass
wegen der Art oder Ausfuehrung der bereits abgeurteilten Straftat, der
Persoenlichkeit des Verurteilten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der
Annahme besteht, dass gegen ihn kuenftig erneut Strafverfahren wegen
Straftaten von erheblicher Bedeutung zu fuehren sind." Im Klartext heisst
dies: DNA-Proben duerfen nur von einem Verdaechtigen erzwungen und
gespeichert werden, der erstens einer schweren Straftat verdaechtig ist und
bei dem zweitens Wiederholungsgefahr besteht. Es muss die Prognose gestellt
werden, dass der Verdaechtige auch kuenftig schwere Straftaten begehen wird.
Damit scheidet die DNA-Analyse bei Bagatellstraftaten und als
Alltagsmassnahme aus.
Der Grund fuer die Zurueckhaltung des Bundesverfassungsgerichts (und bisher
auch des Gesetzgebers) liegt auf der Hand. Aus DNA-Mustern lassen sich
Rueckschluesse auf Erbanlagen oder Krankheiten des Betroffenen ziehen. Eine
Speicherung dieser Teile der DNA-Proben ist zwar gesetzlich verboten. Aber
jeglichem Missbrauch soll nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts von vornherein ein Riegel vorgeschoben werden. Und
so entschied das Verwaltungsgericht Regensburg noch im Dezember, dass eine
Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung bei einem 17-Jaehrigen,
der zweimal wegen weniger Gramm Cannabis aufgefallen war, rechtswidrig sei.
Das war wohl der Union zuviel. Jetzt sollen nach ihrer Ansicht kuenftig
"auch an sich weniger gewichtige Straftaten aus dem Bereich der
Betaeubungsmittelkriminalitaet" Anlass fuer DNA-Analysen sein. "Hierfuer
spricht", so die Union, "dass gerade im Bereich der Betaeubungsmitteldelikte
auch bei der sogenannten Kleinkriminalitaet nahezu stets - gegebenenfalls
vermittelt ueber mehrere Mittelsmaenner - eine Verflechtung mit der
organisierten Kriminalitaet gegeben ist." Das heisst nichts anderes, als
dass nach dem Willen von CDU und CSU bei jedem Kiffer, der ein paar Gramm
Marihuana oder Haschisch zum Eigenkonsum kauft, eine Haar- oder
Speichelprobe zwangsweise abgenommen werden duerfte und die DNA-Analyse im
Zentralcomputer des Bundeskriminalamts gespeichert wuerde.
Damit auch noch die letzten Hindernisse fuer massenhafte DNA-Analysen
ausgeraeumt werden, soll auch das bisherige Erfordernis einer richterlichen
Anordnung wegfallen. Mit entwaffnender Offenheit heisst es im Antrag der
CDU/CSU, das Instrument duerfe nicht "durch buerokratische Huerden
unpraktikabel" gemacht werden.
Und der Sozialdemokrat Buss geht noch weiter: Er moechte nach einem Bericht
des Spiegel die DNA-Probe gleich bei jedem Verdaechtigen, der
erkennungsdienstlich behandelt wird, wie einen herkoemmlichen Fingerabdruck
nehmen.
Den Wettlauf um den absurdesten Vorschlag wird aber wohl der hessische
Innenminister Volker Bouffier (CDU) gewinnen. Er hat im hessischen Landtag
einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach sogar von strafunmuendigen Kindern
(unter 14 Jahren) DNA-Proben entnommen und gespeichert werden sollen, da
diese ja auch einmal aelter und moeglicherweise Straftaeter werden.
(Ulla Jelpke, junge welt/akin)
Originaltext: http://www.jungewelt.de/2004/01-10/013.php
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Kasten:
> Und in Oesterreich?
Die Rechtslage fuer die Abnahme des "genetischen Fingerabdrucks" ist
hierzulande anders gelagert. Ein richterlicher Beschluss ist nicht
vonnoeten. Allerdings sieht das Gesetz nur fuer die Faelle des Verdachts
eines "gefaehrlichen Angriffs" -- was bspw. Cannabis-Rauchen wohl kaum sein
kann --, fuer Ermittlungen in Bezug auf Abgaengige sowie an Leichen vor
(§67/1 Sicherheitspolizeigesetz). Zwar koennen auch voellig Unverdaechtige
unter Einbeziehung einer DNA-Probe erkennungsdienstlich behandelt werden --
dies allerdings auch nur dann, wenn dies fuer Ermittlungen im Zusammenhang
mit einem gefaehrlichen Angriff tatsaechlich notwendig ist -- was unter
Umstaenden einen gewissen Auslegungsspielraum fuer die Behoerden
offenlaesst.
Nur genetische Informationen zum Zwecke des Erkennungsdienstes duerfen
ausgewertet werden, das Material ist anschliessend zu vernichten (§67/2).
Wenn die Daten allerdings einmal ermittelt wurden, sind die Moeglichkeiten
der Polizei, eine Loeschung zum umgehen, recht grosszuegig. Denn zwar waeren
die Daten zu loeschen, wenn gegen den Betroffenen kein Verdacht mehr
besteht, allerdings nur dann, wenn nicht "auf Grund konkreter Umstaende zu
befuerchten ist, der Betroffene werde gefaehrliche Angriffe begehen"
(§73/1/4 und §74/2). Das ist dehnbarster Gummi -- ein in einem Verfahren
wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" freigesprochener Demonstrant muss
nach dieser Formulierung wohl damit rechnen, dass sein "genetischer
Fingerabdruck" auf laengere Zeit in Evidenz gehalten wird, weil er
beispielsweise in der Kartei der Stapo als Gewalttaeter verzeichnet
ist. -br-
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