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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 13. Januar 2004; 19:42
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Verfassung/Prinzipielles/Glosse:

> 2,3,4 und mehr Konvente!

Als Ziele der Politik wurden in der Griechischen Antike "Gutes Leben" und
die "Richtige Ordnung" angesehen. Von den Sklaven einmal abgesehen, denen
das Erreichen dieser politischen Wunschziele natuerlich nicht gewidmet war,
erwiesen sich diese Slogans fuer die Buerger als durchaus akzeptable
Signale. Es war ein Geschaeft mit den einfachen Grundsaetzen: du hast dann
die Moeglichkeit, ein gutes Leben zu fuehren, wenn du die richtige Ordnung
akzeptierst. Erkennst du aber die Ordnung nicht an, ists mit den Chancen
fuer das gute Leben auch schon vorbei. Also bedeutete dies die
selbstgewaehlte Disziplinierung fuer das Gemeinwohl aus Eigennutz. Die
Machttraeger hatten wiederum ihre eigenen Probleme: es ging um die Techniken
ihres Erwerbs und vor allem um die Behauptung dieser Macht. Also gesellten
sich zu den hehren Grundsaetzen eines netten Lebens und der dazugehoerenden
Ordnung bald das Ringen um Macht. Wer sich diese Macht aneignen wollte, dem
gemeinen Volk zu "dessen Selbstschutz" die richtige Ordnung einbleuen zu
koennen, der musste darum kaempfen. Zeigte das Volk die Neigung zu voelligem
Unverstaendnis fuer manche politischen Massnahmen, war immerhin die Tyrannei
ein moeglicher Schritt des Herrschenden, mit Nachdruck auf dieser oder jener
Gesetzesinitiative zu beharren.

So stellen Freund-Feind-Beziehungen ein wesentliches drittes Element in der
Politik dar. Den Zeitpunkt 0 fuer einen allgemeinen neuen politischen Anfang
gab es nie, denn die offenen Rechnungen wurden stets weitergereicht. Laesst
sich der Klassenkampf als die typische Freund-Feind-Beziehung am besten
historisch und geschichtsphilosophisch erfassen, kommen wir der
Auseinandersetzung mit der Faktenlage aber noch naeher, wenn schlicht einige
Facetten rausgeholt und betrachtet werden: So z.B. die massgebende
Zuteilung von Guetern in einer Gesellschaft, die sehr wohl empirisch
analysiert werden kann. Womit sowohl der Klassenkampf als auch die ihn
beherrschende Unversoehnlichkeit noch verstaendlicher und klarer werden. Die
roten Fahnen und die netten Kampflieder sorgen am 1. Mai fuer emphatische
Ausbrueche -- ebenso koennen die aber auch angesichts einer
Kurzzusammenfassung statistischer Daten ueber die verschiedenen
Lebenserwartungen und Einkommensmodelle von MigrantInnen, ArbeiterInnen und
Angestellten auftreten. Verstaerkt vielleicht noch dadurch, dass man sich
vor Augen haelt, wie die nicht gerade rosigen soziooekonomischen
Verhaeltnisse der Eltern ein 10jaehriges Kind zur Entscheidung zum Besuch
einer Hauptschule zwingen. Verteidigt von der derzeitigen
Regierungskoalition mit den Argumenten: man moege keinen Einheitsbrei.

Auch mit dem Vorwurf konfrontiert, plakativ zu handeln, wirken historische
Vergleiche einfach pikant, wenn es um "Sozialstaat" heute und antikes
"Staatswesen" frueher geht. Platons Saeulen des erwuenschten politischen
Handelns, "gutes Leben und die richtige Ordnung", wurden noch angesichts von
Sklavenscharen erdacht, die von demokratischen Prozessen voellig
ausgeschlossen waren. Diese Sklaven stellen heute die MigrantInnen dar -
schlechte und elend bezahlte Jobs, teure und miese Wohnungen in abgewohnten
Vierteln. Verwehrung des Wahlrechts, meist Einbahnstrasse Richtung
Hauptschule fuer die Kids, die, von manchen abgesehen, die zwangsmobilen
Reservearmeen der Aufraeumer des einstigen Wirtschaftswunders "Marke
Austria" bilden. Das politische Ringen um Macht erleben sie speziell vor
Wahlen durch Hetzkampagnen, die beliebtermassen auch
Pauschalkriminialisierungen einsetzen. Politisch geschickt eingesetzt,
lassen sich die naechsthoeheren Outlaws der Gesellschaft, also arbeitslose
Oesis und ebenso schlecht bezahlte ArbeiterInnen, vor politische Karren
spannen, die zwar Feindschaft innerhalb oekonomisch naher Gruppen, aber
keine politischen Erkenntnisse ueber die Verursacher liefern.

Die europaeischen Revolutionen um und nach 1848 zwangen den oft
weitgefaecherten Herrscherhaeusern ein nationales Bekenntnis und die
Zustimmung zu Verfassungen auf. Wenn auch noch nicht im Sinne der Vorlaeufer
der Sozialisten, waren die verschiedenen Entwuerfe doch akribische
Bemuehungen, den Herrscherhaeusern formale Zugestaendnisse abzuringen.
Ausgehend von Paris, wurde schliesslich auch in Wien gekaempft - wie auch
immer, spaetestens 1867 hatte Oesterreich-Ungarn im ungarischen Ausgleich
bereits eine Verfassung. Der Rest ist Geschichte - Zensuswahlrecht,
allgemeines Wahlrecht fuer Maenner, Frauenwahlrecht 1919 - samt Entstehen
und Etablieren von wahlwerbenden Parteien. Und dem Etablieren von Ohnmacht.
Da aber das hoechst eigenwillige Basteln an und von allen moeglichen
Verfassungen derzeit hoechste Beachtung geniesst, moegen einige Vorschlaege
diese Prozesse unterstuetzen:

* Volksparlament: Installieren eines gewaehlten Volkstribunals - (aehnlich
wie Schoeffenbestellung). Die Macht geht zwar laut Verfassung vom Volk aus,
wird aber mit 4 Jahren zu lange bei einer Partei gebunden. Das Tribunal
arbeitet mit dem Verfassungsgerichtshof zusammen und hat gemeinsam mit
diesem die Rueckstellungskompetenz von Gesetzen des Nationalrates.

* In den Wahlzellen wird entschieden, wer mit wem Koalitionen eingehen darf.
Einfach zu handhaben und keine besondere Mehrbelastung beim Auszaehlen:
Erstes Kreuzerl bei der gewaehlten Partei, zweites Kreuzerl beim moeglichen
Koalitionspartner.

* Reduzierung des Persoenlichkeitswahlrechts. Wahlwerbende Partei muss ihre
Vorhaben kurz beschreiben. Diese sind einklagbar.

* Wichtige Gesetzesmaterien muessen gebuendelt zu Volksbefragungen fuehren.

* Moeglichkeiten zum Absetzen der Regierung erleichtern.

"Gutes Leben" mag vielleicht damit nicht spontan eintreten. Aber das
Wahlvolk wird dadurch zum waehlenden Souveraen. Wir sollten eigentlich
unsere eigenen Konvente gestalten.
*Fritz Pletzl*




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