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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. Dezember 2003; 19:19
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SPOe/Verfassungsdebatte/Kommentar:

> Besser geht's nicht

Schoener Grundrechtskatalog mit kleinen Fehlern

Die SPOe macht den bislang etwas faden oestereichischen Verfassungskonvent,
der bisher ja nur belanglose Belustigungen wie die "Gottes-Klausel" zu
bieten hatte, endlich ein wenig interessanter. Denn das, was die
Sozialdemokraten da am Freitag mit ihrem "Grundrechtskatalog" vorgestellt
haben, stellt doch einen Entwurf fuer einen echten Paradigmenwechsel in der
oesterreichischen Verfassungsgeschichte dar. Zwar waren bislang schon im
oesterreichischen Verfassungsrecht die Menschenrechte fest verankert. Sogar
in doppelter Ausfertigung als Staatsgrundgesetz von 1867 und als im
Verfassungsrang ratifizierte Europaeische Menschenrechtskonvention. Doch
fehlten in beiden Rechtswerken die in der (rechtlich nicht bindenden)
UN-Deklaration fuer Menschenrechte und anderen unverbindlichen
Absichtserklaerungen aufgelisteten sozialen Rechte voellig. Im SPOe-Entwurf
finden sich hingegen diese Rechte (auf Obdach, medizinische Versorgung,
Ernaehrung, Bildung etc.) sowie einiges an arbeitsrechtlichen Bestimmungen
inclusive dem Streikrecht (dessen Absenz im oesterreichischen Raum bis vor
wenigen Monaten niemandem aufgefallen war, das aber jetzt doch relevant zu
werden scheint).

Man koennte also ausrufen: "Bravo, liebe Sozialdemokraten, auch wenn wir
natuerlich wissen, dass ihr am Schluss wieder alles bei den Verhandlungen
mit der OeVP zuruecknehmen werdet, so ist der Versuch wenigstens recht
ehrbar!"

Doch nicht mal dieses bisserl Begeisterung kann man ohne Bedenken haben,
denn letztendlich kommt in diesem Entwurf -- wie bei Sozialdemokraten
ueblich -- neben dem S auch das Oe im Parteinamen stark zur Geltung. In Form
nationalistischer Vorbehalte. So lautet etwa der Asylrechtsparagraph (Art.7)
im SPOe-Katalog wie folgt: "Fluechtlinge geniessen in Oesterreich Asyl,
sofern sie in keinem anderen Staat Schutz vor Verfolgung finden." Damit
faende die beruechtigte Drittstaatsklausel nicht nur eine Berechtigung,
sondern waere definitiv in der Verfassung verankert. Das Recht auf Asyl
waere damit genausowenig im oesterreichischen Verfassungsrecht zu finden wie
bislang.

Das Recht oesterreichischer Staatsangehoeriger, der Republik "Adieu" zu
sagen, klingt bei der SPOe wie folgt: "Auswanderung darf nur aus Gruenden
der Landesverteidigung beschraenkt werden." (Art. 17) Das ist nicht nur ein
Abruecken von der UN-Deklaration (die keinerlei Einschraenkung vorsieht),
sondern kann sogar als Rueckschritt gegenueber dem Staatsgrundgesetz
angesehen werden, worin es heisst, das Recht auf Auswanderung "sei nur durch
die Wehrpflicht beschraenkt", was eine weitaus geringere
Auslegungsmoeglichkeit als "Gruende der Landesverteidigung" erlaubt.

Der Hintergrund beider Einschraenkungen ist aber derselbe: Zuerst einmal hat
der Wehrpflichtige (in Zukunft vielleicht auch die Wehrpflichtige) seine
"Pflicht" zu erfuellen; naemlich ein "Vaterland", das ihm so offensichtlich
zuwider geworden ist, dass er es sogar unter Verzicht auf seine
Staatsbuergerschaft fliehen moechte, zu "ehren", zu "lieben" und vor allem
zu "verteidigen" und aehnlichen patriotischen Unsinn. Erst dann darf er
gehen. Und das finden auch die Autoren des SP-Papiers notwendig, in ihrem
Entwurf festzuhalten.

Auch mit den Minderheiten hatte die SPOe immer so ihre Schwierigkeiten. In
Art.4 des Entwurfs heisst es: "Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung der
autochthonen Volksgruppen werden geachtet, gefoerdert und geschuetzt." Sehr
freundlich, doch man beachte das kleine Woertchen "autochthon"! Wenn auch
nie so wirklich definiert wurde, wieviele Generationen eine Volksgruppe auf
einem Gebiet angesiedelt sein muss, um bereits als autochthon zu gelten,
sind doch nach allgemeiner Auffassung damit vor allem Gruppen wie die
Kaerntner Slowenen oder die burgenlaendischen Kroaten gemeint; also jene
Minderheiten, deren Schutz man sowieso im beruehmten Artikel 7 des
Staatsvertrags von 1955 zugesichert hatte. Diese Einschraenkung auf die
"autochthonen" ist daher eine sehr bequeme, welche besonders den Wiener
Buergermeister freuen wird, sind doch die groessten Minderheiten auf seinem
Landesgebiet die "allochthonen" ("zuag'rasten") Tuerken und Serben.

Es bleibt leider dabei: Ueber ihren Schatten zu springen hat die SPOe auch
in ihrer Oppositionszeit immer noch nicht gelernt.
*Bernhard Redl*



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