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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. November 2003; 16:55
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Amerika/Globalisierung:

> Die Lightversion von Miami

Einigung zur Freihandelszone ALCA laesst Fragen offen -- Grossdemonstration
gegen Ministerkonferenz -- USA und Brasilien streiten ueber Freihandel

Vom 19. bis 21. November fand in Miami eine Ministerkonferenz statt, auf der
Delegationen aus 34 Staaten des Kontinents ueber die Gesamtamerikanische
Freihandelszone ALCA verhandelten. Ausser Kuba waren alle wichtigen Staaten
des Kontinents vertreten. Zur gleichen Zeit wurden Tausende
Globalisierungsgegner aus allen Teilen Amerikas erwartet. Seit Monaten
mobilisiert dieses Kampagnen-Netzwerk in fast allen Laendern Amerikas gegen
diese Konferenz, die als entscheidende Weichenstellung fuer die von den USA
vorangetriebenen Freihandelsplaene auf dem Kontinent gilt.

Schon am Montag (17.11.) begann eine ganze Reihe von Veranstaltungen und
Foren, bei denen alternative Wirtschaftskonzepte, die Folgen der
Globalisierung fuer Afrika und die Kritik am Neoliberalismus im Mittelpunkt
standen.

Motto der Kampagne war "Ein anderes Amerika ist moeglich". Die Forderung an
die einzelnen in Miami praesenten Regierungen ist kurz und buendig:
Sofortiger Ausstieg aus den ALCA-Verhandlungen. Doch nicht nur in Florida
wurde protestiert. In fast allen Staaten der Region gab es zeitgleich
Aktivitaeten.

Doch nicht nur Kritik von aussen machte den ALCA-Strategen zu schaffen. Im
Vorfeld der Miami-Konferenz herrscht unter einigen Delegationen in
entscheidenden Fragen Dissens. Vor allem die USA und Brasilien, die jeweils
staerksten Oekonomien in ihren Regionen, haben unterschiedliche Praeferenzen
und warfen sich gegenseitig kompromissloses Verhalten vor.

Nach einer Mini-Ministerkonferenz am 9. November in Washington, auf der
Delegierte aus 14 ALCA-Staaten die Miami-Konferenz vorbereiten sollten,
erklaerten die Aussenminister von Brasilien und Argentinien, Rafael Bielsa
und Celso Amorim, diplomatisch, es sei ein "positiver und ideenreicher
Austausch" gewesen. Aus US-Kreisen verlautete etwas deutlicher, dass
weiterhin "grosse Herausforderungen bevorstehen" und dass die Differenzen
zwischen den USA und Brasilien "auf keinem Gebiet kleiner" geworden seien.

Wie bei der im September gescheiterten Konferenz der Welthandelsorganisation
im mexikanischen Cancún ist die Landwirtschaft Mittelpunkt des Streits.
Brasilien beharrt darauf, dieses Thema in den ALCA-Vertrag aufzunehmen und
fordert von den Industrielaendern Nordamerikas einen rigiden Abbau der
Importzoelle sowie jeglicher marktverzerrender Subventionen. Die USA weichen
dieser Forderung aus, indem sie vorschlagen, die Agrarfrage solle im Rahmen
der WTO geregelt werden.

Angesichts dieser Haltung der USA weigert sich Brasilien, unbeschraenkten
Freihandel in anderen Bereichen zuzulassen. Zudem erklaerte Aussenminister
Amorim in Washington explizit, sein Land werde keinerlei Sanktionen fuer die
Nichtteilnahme an einem umfassenden Vertrag hinnehmen. In diesem Kontext
schlug die brasilianische Delegation einen Kompromiss vor: Allen Laendern
solle das Recht eingeraeumt werden, bestimmte fuer sie essentielle
Wirtschaftsbereiche aus dem ALCA-Vertrag auszugliedern. Was fuer Amorim eine
"gute Basis fuer erfolgreiche Verhandlungen in Miami" darstellt, ist fuer
die USA "voreilig". Es gehe um ein so umfassendes Abkommen wie moeglich,
alles andere sei Spekulation.

Ueberraschende Einigung

Am 22.11.2003 gab es bei der Ministerkonferenz bereits am ersten Tag eine
Einigung ueber das weitere Vorgehen. Die in Miami versammelten 34
Handelsminister unterschrieben die Abschlusserklaerung, womit die geplante
Einrichtung der ALCA bis Januar 2005 ein grosses Stueck naeher gerueckt ist.
Allerdings ist der Deklarationsentwurf an vielen Stellen wenig konkret und
ueberlaesst den einzelnen Laendern viel Gestaltungsspielraum, was im
Gegensatz zu den einst ambitionierten Vorstellungen Washingtons eher
als »ALCA light« bezeichnet werden kann.

Waehrend im Konferenzzentrum Konsens demonstriert wurde, protestierten im
Zentrum der Hauptstadt Floridas an die 30 000 Globalisierungsgegner gegen
die Freihandelsplaene. Die Freihandelszone werde die Wohlhabenden und die
grossen Unternehmen noch reicher machen, waehrend in der ganzen Region immer
mehr Arbeitsplaetze verlorengingen und die Armut weiter zunehmen werde, so
der Tenor der Demonstration, die in einem farbenpraechtigen Zug durch die
Strassen Miamis zog. Die Aktivisten, unter ihnen viele Gewerkschafter und
Bauern, standen Tausenden Polizisten gegenueber, die monatelang extra fuer
diesen Einsatz ausgebildet worden war. Das Zentrum der Stadt war weitlaeufig
abgesperrt und der oeffentliche Nahverkehr fast den ganzen Tag unterbrochen.

Kanadas Handelsminister Pierre Pettigrew bezeichnete die Einigung
als »Buefett«. »Jedes Land muss entscheiden, wieviel es von jedem Teller
essen moechte«, ergaenzte der US-Handelsrepraesentant Robert Zoellick.
Grundlage der schnellen Einigung war eine Textvorlage, die das
Vorbereitungskomitee kurz vor Beginn der Ministerkonferenz vorgelegt hatte.
Diese beinhaltete bereits eine neue Ausrichtung, die vor allem die
Differenzen zwischen Brasilien und den USA, den beiden Schirmherren der
Verhandlungen, abschwaechte.

Das Dokument spricht nicht mehr - wie urspruenglich seitens Washingtons
geplant - von einer allumfassenden Freihandelszone, die alle
handelsrelevanten Themen fuer alle Mitglieder der ALCA gleichermassen
regelt. Statt dessen deutet der Text eine Kompromisslinie bezueglich der
Struktur der ALCA an. Demzufolge soll es den einzelnen Laendern ueberlassen
werden, bei jedem Thema separat zu entscheiden, wie weit sie sich den
Freihandelsnormen unterwerfen. Die USA scheinen ihren Widerstand gegen eine
solche ALCA-light aufgegeben zu haben. Zum einen wird vermutet, dass es der
Regierung Bush wichtiger ist, vor der kommenden Praesidentschaftswahl einen
erfolgreichen ALCA-Abschluss zu praesentieren, als auf der harten Linie
seiner Wirtschaftsliberalen zu beharren. Andererseits gaben die USA nicht
zuletzt angesichts des Scheiterns der letzten WTO-Ministerkonferenz in
Cancún mehrfach zu verstehen, dass sie bei stagnierenden Verhandlungen
lieber auf bilaterale Abkommen setzen werden, in denen sie ihre Positionen
leichter durchsetzen koennen.
(Andreas Behn/Junge welt, npl-poonal/bearb.)

Quellen: http://www.npla.de, http://www.jungewelt.de/2003/11-22/008.php


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