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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. November 2003; 16:39
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Antisemitismusdebatte:

Die Reaktionen auf "Aufhoeren!" in akin 28 (akin-pd 11.7.2003) gehen weiter:

> Bitte nicht aufhoeren!

Dieser Streit muss ausgetragen werden. Denn es scheint, dass linke
Gruppierungen immer mehr in Antisemitismus und Antiamerikanismus (die haben
durchaus einiges gemeinsam) versinken.

Diese Problematik ist sehr komplex und ich hoffe, das hier einigermassen
kurz und verstaendlich zu erlaeutern.

Die Linke koennte den Genfer Friedensplan voll unterstuetzen. Er ist
"gerecht", weil Israelis und Palaestinenser zu ungefaehr gleichen Teilen am
Konflikt schuld sind, weil beide die Gewaltspirale immer weiter drehen.
Beide haben gleichermassen das "Recht", dort zu sein, Juden und
Palaestinenser leben dort seit mehr als tausend Jahren. Ob nach Umsetzung
des Friedensplans Friede herrschen wird, ist zu bezweifeln, der Hass ist auf
beiden Seiten sehr gross. Und die Besitzfrage "Tempelberg" ungeklaert und
unloesbar. Auf beiden Seiten sind Fanatiker so stark, dass sie ohne
Buergerkrieg nicht bekaempft werden koennen. Und wenn Selbstmordanschlaege
nach palaestinensischer Staatsgruendung weitergehen, wird Israel sich beim
Zurueckschlagen kaum von Staatsgrenzen abhalten lassen.

Welche Probleme haben Linke mit diesem Konflikt?

- Ideologische: Jedes linke Grueppchen "projiziert" seine Ideologie auf
diesen sehr komplexen Konflikt: Pazifismus, Kommunismus, Sozialismus,
Antiimperialismus, usw... Natuerlich haben z.B. die "Antiimperialisten"
recht, wenn sie beklagen, dass Palaestinenser dort vertrieben wurden, wenn
Israel Gebiete erobert hat und besetzt haelt. Aber Israel ist bereit,
Gebiete zurueckzugeben, ausserdem wurde es als erster angegriffen. Und
Kommunisten haben unrecht wenn sie Israel als typischen "Siedler auf der
Suche nach Grund und Boden-Staat", wie es die USA im 19.Jhdt. war,
betrachten.

- Den Kommunismus und Antizionismus: "Kommunisten" hatten als maechtigste
linke Gruppierung der Welt eine ganz einfache und banale Formel: FUeR
"Sozialismus", also (meistens) FUeR die "Sowjetunion", also GEGEN Israel,
FUeR die arabischen Staaten, die sich fast alle "sozialistisch" organisiert
hatten. Einige, darunter der Irak, haben nach Staatsgruendung Israels sofort
versucht, Israel zu erobern und "auszurotten". Juden wurden aber auch
waehrend des Buergerkriegs zur Zeit der bolschewistischen "Revolution"
1917-21 massakriert und Stalin hat hunderttausende, wenn nicht mehrere
Millionen Juden hinrichten lassen. Juden wurden aus fast allen
kommunistischen Staaten (auch aus Nicaragua waehrend der Sandinisten)
systematisch vertrieben. Mit anderen Worten: der "Antizionismus" der
Kommunisten hat die Juden aus deren Staaten vertrieben und die arabischen
Laender dabei unterstuetzt, immer wieder gegen Israel Kriege zu beginnen.

- der Irak unter Saddam Hussein: Ich denke, der wahre Grund fuer den
Irak-Krieg 2003 ist der, dass der Irak unter Saddam Hussein die groesste
Bedrohung fuer Israel war. Die US-Regierung hat das mit den Worten "wir
wollen den Nahen Osten sicherer machen" umschrieben. Kaum anderswo im Nahen
Osten wurden die Juden grausamer verfolgt.

- Antisemitismus und Verschwoerungstheorien: Vorurteile und
Verschwoerungstheorien
("Freimaurer=Juden=Geld=Wallstreet=Finanzgesellschaft=Weltherrschaft")
tauchen auch bei antikapitalistisch eingestellten "Globalisierungsgegnern"
auf.

Dahinter steckt durchaus auch Paranoia. Ja, viele Linke, vor allem
Antizionisten und Kommunisten sind paranoid! Die Zusammenhaenge sind sehr
komplex und im Buch "Verschwoerung" (S. 218ff und 259) anschaulich und
fundiert dargelegt.

Darin findet man auch die Begruendung, was das mit Antiamerikanismus zu tun
hat: Der franzoesische Philosoph Andre Glucksmann glaubt, dass der
Antiamerikanismus die Wesensmerkmale des klassischen Antisemitismus mit
seinen Vorstellungen von einer unsichtbaren Macht und von unkontrollierbaren
zerstoererischen Kraeften annimmt.

- Heuchelei: ich denke, die Linke verraet oft ihre eigenen Ideen. Beispiel
"Pazifismus": ein "Pazifist" ist doch fuer den gewaltfreien Widerstand,
demonstriert gegen Kriege, stellt sich auf Seite der Schwachen, zeigt, wie
Kriege entstehen und versucht Konflikte friedlich zu loesen. Nun: die
meisten der sogenannten "Pazifisten" werden aber immer erst dann aktiv, wenn
die USA irgendwo in einen Konflikt eingreift oder Israel sich zur Wehr
setzt. Ich kann mich an keinen einzigen Protest erinnern als der Irak in
Kuweit einmarschierte oder als Juden dort als Volksfeinde massakriert
wurden. Gab es jemals eine Demonstration gegen Selbstmordattentate in
Israel? Protestiert irgendwer gegen Anschlaege auf US-Soldaten? Wo bleibt
der Protest gegen das brutale Vorgehen von Russland in Tschetschenien? Wieso
legen Deutschland und Frankreich kein Veto dagegen ein? Ich denke, die
Antwort ist einfach: es wuerde nicht in das uebliche, banal einfache
"Freund-Feind-Schema: boese USA - guter Kommunismus" passen.

- Manipulation: zunehmend wird deutlich, dass Linke - anscheinend nicht
besser als Rechte - ebenfalls manipulieren, Zahlen, Daten, Fakten
verfaelschen, Wahrheiten verdrehen, schlecht recherchieren, Feindbilder
beschwoeren und oberflaechliche Ressentiments vertreten. Zwei prominente
Beispiele: Noam Chomsky nimmt einen Professor, der den Holocaust leugnet, in
Schutz und meint, als er dafuer kritisiert wird, dass er dessen Schriften
"nichts Antisemitisches" finden konnte. Auch Michael Moore verdreht und
manipuliert, werfen ihm Mitstreiter der amerikanischen Linken vor.

Doch das ist nichts Neues: die Linke hat immer schon gruendlicher verdreht,
manipuliert und geleugnet als die Rechte. Stalin hat nach Schaetzungen rund
40 Mio. Menschen umbringen lassen und ist damit der schlimmste Massenmoerder
aller Zeiten. In der Oeffentlichkeit hiess es aber immer wieder: "Friede,
Freiheit, Gerechtigkeit". Wer es nicht glaubte wurde umgebracht! Auch heute
noch glauben viele Linke an das Maerchen vom friedlichen und gerechten
"Sozialismus". Entsetzlich!
*Thomas Herzel (gek.)*

Quellen:
Die Terroristenjaegerin (Bertelsmann 2003)
Fischer Weltgeschichte: Vom Imperialismus bis zum kalten Krieg. Band 1
Hahn, Michael (Hg.) (2003): Nichts gegen Amerika. Linker Antiamerikanismus
und seine lange Geschichte
Heinsohn, Gunnar (1999): Lexikon der Voelkermorde Pipes, Daniel (1997):
Verschwoerung

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> Danke

Der einleitende Beitrag von Bernhard Redl mit dem Titel "Aufhoeren!" hat mir
aus der Seele gesprochen. - Danke! - Danke! - Danke! Herzliche Gruesse,
*Gerhard Senft*

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> Substanzielle Kritik

Der Appell-Beitrag v. B. Redl "Aufhoeren!" in akin 28 auf Seite 1 ist fuer
mich "substanzielle, wohlwollend-analytisch-klaerende Kurz-Kritik" und ein
besonderes DANKE wert. (Bin sonst kein "Leserbriefschreiber"...) Beste
Gruesse
*Georg Becker*

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ANMERKUNG DER REDAKTION: Normalerweise drucken wir keine Beitraege ab, die
einfach nur einem Autor recht geben. Ueber die darf man sich zwar freuen,
aber man muss sie nicht abdrucken. In diesem Falle haben wir eine Ausnahme
gemacht, um zu zeigen, dass nicht das gesamte Publikum der akin gegen
B.Redls Beitrag war. Was wir nicht abgedruckt haben, war ein anonymer
Leserbrief. Derlei drucken wir nur in Ausnahmenfaellen ab. Wir haben kein
Problem mit "Name der Reaktion bekannt", aber das sollte zumindest der Fall
sein.




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