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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. November 2003; 16:34
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"Oesterreich-Konvent":
> Die Verfassung, ihr Gerichtshof und der Allerhoechste
Der Oesterreich-Konvent soll uns eine funkelnagelneue Verfassung oder
zumindest eine vollends entruempelte bescheren, die im politischen Gebrauch
herzeig- und auch verwendbar ist. Die Chancen fuer das Entstehen eines
derartigen Werkes schaetzt der Praesident des Verfassungsgerichtshofs
(VfGH), Karl Korinek, allerdings mit hoechstens mageren 50% ein. Seiner
Meinung nach ist der formale Verfassungszustand derzeit ein grosses Problem.
Das Verfassungsrecht sei in mehr als tausend Verfassungsbestimmungen
zersplittert, "die kein Mensch mehr kennt". Fuer Anfechtungen und
Beschwerden jeglicher Art entstehe eine rechtliche Spielwiese. Zum Beispiel
gebe es eine Verfassungsbestimmung, die den Universitaeten eine
weisungsfreie Autonomie beim Besorgen ihrer Aufgabe zusagt. Was dazu fuehrt,
dass die neue Universitaetsorganisation mit Weisungsrecht daher laut SPOe
prompt der Verfassung widerspricht.
Die Verfassung als riesiges Sammelbecken voneinander divergierender
Bestimmungen, wo sich jeder rausholt, was ihm zusagt? Wirkt so, aber das
Problem liege nicht am Bundesverfassungsgesetz, sondern an den konkreten
Verfassungsbestimmungen, meint Korinek. Das macht die Widerspruechlichkeit
oder das Aufeinanderprallen von Gesetz und x Folgebestimmung auch nicht
klarer, aber es hinterlaesst die legitime Frage, wozu wir einen
Verfassungsgerichtshof haben. Sollte er nicht aufschreien, wenn sich derart
Widersprechendes zu einer bestimmten, bereits existierenden Gesetzesmaterie
vom Nationalrat beschlossen wird? Fuehrt er keine Aufzeichnungen, was es so
an beschlossenem Verfassungsmaterial bis jetzt gibt? Kann sein, wird auch so
sein. Bei dieser Koalition duerfte er es prinzipiell mit der einlangenden
Post vom Nationalrat nicht so einfach haben. Einerseits werden
bekanntermassen mit eher sehr duerftiger Qualitaet in Schnellschuessen
Gesetze geschaffen, was andererseits dazu fuehrt, dass die meisten dieser
Gesetzesvorhaben dann wieder beanstandet werden muessen.
Wenn ein Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben wird, so Korinek, muesse
das nicht heissen, dass das Gesetz schlecht sei. Es entspreche einfach nicht
der Verfassung. Und wenn der Verfassungsgerichtshof das Gesetz haelt, muesse
es umgekehrt nicht bedeuten, dass es gut sei. Es entspricht einfach,
Schluss. Daran halten muss sich allerdings auch nicht jeder, wie an den
Kaerntner Ortstafeln zu ersehen ist. Der VfGH hatte erklaert, unter welchen
Voraussetzungen die Tafeln zu stehen haetten, falls kein Gesetz zustande
kommen wuerde. Dieses Gesetz wurde nie beschlossen, daher gelte, laut
Korinek, noch immer der VfGH-Spruch. Das Erkenntnis wird zwar nicht
umgesetzt, aber es koenne sich jeder darueber beim Gerichtshof beschweren.
Es komme aber niemand. Und sichtlich kuemmert sich auch die Politik aus
nachvollziehbaren Gruenden nicht um dieses Thema.
Der Verfassungsgerichtshof kann jederzeit angerufen werden, wie Korinek
versichert und wirft auch brav unpassende Gesetze zurueck - Kaernten
allerdings zeigt die Grenzen seiner Macht, mit der die Verfassung unter
allen Umstaenden gehuetet werden sollte: die Politik.
Der fundamental-ethische Begriff: Die Menschenwuerde
Der Konvent beschaeftigt sich neben den Niederungen der Verfassung auch mit
Hoeherem und Erlauchterem. In unstillbarem Drang nach Peinlichkeit moechte
Andreas Khol in einer Praeambel, die so eine Art sinnstiftendes religioeses
Vorwort sein sollte, Gott erwaehnt haben. Um Mitstreiter hat Khol nicht
lange suchen muessen: Kurt Krenn will dies auch. Die Christlichen Kirchen
als Vertreter der Kirchen im Oesterreich-Konvent koennen inzwischen auf eine
Verfassungspraeambel mit Gottesbezug verzichten. Khol beruft sich auf
Kardinal Schoenborn, der urspruenglich fuer den Beisatz in der Praeambel
war: "Verantwortung auf Gott, den Menschen und der Schoepfung", was so eine
Art Richtschnur fuer Khol sein duerfte. Anas Shakfeh, Praesident der
Islamischen Glaubensgemeinschaft in Oesterreich, kann sich dieser Praeambel
anschliessen, wenn sie allgemein und pluralistisch gehalten ist. Willi Weisz
hingegen lehnt dies als Stellvertreter vom juedischen Oberrabbiner Paul
Chaim Eisenberg ab. Damit wuerden Anhaenger polytheistischer Religionen
sowie Atheisten diskriminiert. Aus theologischen Gruenden muesse er dagegen
sein: Dies sei schlicht eine Gotteslaesterung. Im 3.Gebot heisst es: "Den
Namen Gottes nicht eitel aussprechen".
Beim Konvents-Hearing am Freitag verliest Schoenborn dann eine Stellungnahme
mit evengelischen und orthodoxen Christen ueber einen Grundrechtskatalog mit
Verweis auf die unantastbare Wuerde des Menschen, sowie die Forderung nach
Anerkennung und Foerderung der religioesen Vielfalt. Die Kirchen erklaeren
sich aber bereit, eine Praeambel zu liefern, falls dies gewuenscht wird.
SPOe und die Gruenen lehnen eine Praeambel zur Verfassung bisher ab.
Verfassungsrechtler Heinz Mayer ist als Vorsitzender im Ausschuss
"Staatsaufgaben und Staatsziele" gegen eine Praeambel. Sie wuerde dem
Verfassungsgerichtshof noch mehr Entscheidungsspielraum geben. Er warnt vor
der Aufnahme "zu unbestimmter, fundamental-ethischer Begriffe" wie
Menschenwuerde. Damit wuerden ethische Fragen ploetzlich zu rechtlichen
Diskussionen. So gesehen, waere der Koalition diese Praeambel durchaus zu
wuenschen.
*Fritz Pletzl*
Alle Zitate aus "Der Standard", 22.11.03
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Kasten:
> Konvent der Auserwaehlten
Derzeit haeufen sich die Proteste verschiedener Gruppen, bei den
Konvents-Debatten kein Gehoer zu erhalten. Beispielsweise protestierte
letzte Woche die Bundesjugendvertretung dagegen, von diesen
parlamentarischen Hearings ausgeladen worden zu sein, obwohl sie doch die
gesetzliche Vertretung der Jugendlichen waere.
Auch die Minderheiten koennen sich anscheinend auch hier nur sehr selektiv
Gehoer verschaffen. So erreichte uns folgende Aussendung:
"21.11.2003 Randgruppentag im Oesterreichkonvent. Den eingeladenen 'Sans
Papiers' - Leuten wurde allerdings der Einlass bei Tor 1 des
oesterreichischen Parlaments verwehrt und wurden diese so daran gehindert,
hinsichtlich ihrer gesellschaftlich prekaeren Situation hiezulande gehoert
zu werden. 'Sans Papiers' = kein Einlass! Allerdings nur fuer die
'sichtbaren Minderheiten' Oesterreichs! Mainstream-People - gerade auch ohne
Identitaetsausweise, weil eben irgendwo vergessen - durften allerdings
anstandslos Tor 1 des Parlaments passieren. Ohne ihre Identitaetsausweise
vorzeigen oder hinterlegen zu muessen. Was also heisst: ungerechtfertigte
Diskriminierung und Anhoerungsverweigerung im Oesterreichkonvent! Auskuenfte
unter: Singh Baldev, 0676-9707120 oder nomade333@hotmail.com." Ein anderes
Verhalten der Tuerhueter waere wohl auch verwunderlich gewesen. (akin)
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