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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. November 2003; 21:17
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KPOe/EKH:

> Fuer unabhaengige Kulturprojekte und Freiraeume

Das EKH muss bleiben

Vorweg etwas Allgemeines zu Erklaerung der Situation (fuer die, die diese
noch nicht kennen): Die Kommunistische Partei Oesterreich (KPOe) moechte das
selbstverwaltete Ernst Kirchweger Haus (EKH) in Wien verkaufen und somit de
facto seiner Raeumung ausliefern. Eine Finanzkrise, bedingt durch die
Niederlage im Rechtsstreit um das Vermoegen der Firma Novum, wird nun zum
Anlass genommen, um die ungeliebten Mieter auf die Strasse zu setzen. Von
einer Raeumung waeren zahlreiche Organisationen aber auch Einzelpersonen in
ihrer Existenz bedroht. Im folgenden von uns - als eine der direkt
betroffenen Organisationen - eine Stellungnahme zu den KPOe-Plaenen:

Seit mehr als 10 Jahren ist das Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) in der
Wielandgasse 2-4 im 10.Wiener Gemeindebezirk ein Ort kultureller Vielfalt
und kreativer Politprojekte. Das "Haus" beinhaltet neben einer Reihe
unabhaengiger, kulturell-politischer und nicht-kommerzieller Initiativen
auch Wohnraum fuer MigrantInnen und Menschen, die alternative Formen des
Zusammenlebens bevorzugen. Es stellt in Oesterreich ein einzigartiges - weil
selbstverwaltetes - Projekt dar, aus dessen Umfeld in den letzten Jahren
eine Menge an Kultur- und Politangeboten hervorgegangen sind. Dieses
Potential, unabhaengig von oeffentlichen Geldern und anderen Sponsoren, darf
nicht verloren gehen. Eine Gefahr die durch den geplanten Verkauf des Hauses
durch die KPOe akut im Raum steht.

In und aus diesem Freiraum abseits des kulturellen und politischen
Mainstreams entstand auch das Que(e)r-Beisl, ein Projekt, das seit mehr als
fuenf Jahren die Symbiose von gemuetlichem Beisl und politischem
Veranstaltungsraum woechentlich unter Beweis stellt. Das Que(e)r-Beisl
bietet in entspannter Atmosphaere Menschen einen Kommunikationsort und einen
freien Zugang zu Informationen, weshalb der Besuch der Veranstaltungen
prinzipiell gratis ist. Mittwoch fuer Mittwoch werden die
unterschiedlichsten Themen vorgetragen und diskutiert: So gehoeren
Veranstaltungen ueber die NS-Opfer am Spiegelgrund oder die Situation von
Roma und Sinti in Tschechien ebenso zum Repertoire wie feministische Themen,
Gender-Fragen, Antifa-Infos oder aktuelle innenpolitische Ereignisse.
Abseits des "klassischen" linken Politikverstaendnis versuchen wir einen
besonderen Schwerpunkt auf das Aufbrechen von ueblichen Geschlechterrollen
und Verhaltensweisen zu legen.

Das Que(e)r im Que(e)r-Beisl bedeutet naemlich fuer uns, dass wir, ohne fixe
politische/sexuelle/... Identitaeten zu beanspruchen, die oft zu
festgeschriebenen Kategorisierungen fuehren, trotzdem klare politische
Aussagen treffen wollen. Aussagen, die sich mit dem Begriff des "crossover"
noch am ehesten beschreiben lassen, ein Konzept, den Fokus politischer
Theorien und Praxen nicht nur auf ein oder wenige Themengebiete zu legen,
sondern verschiedene, auch wenig diskutierte, Machtverhaeltnisse (wie
Hetero/Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, ...) zu hinterfragen, nach
Gegenstrategien zu suchen und diese (durchaus lustvoll) auszuprobieren.
Dieses gesamtpolitische Verstaendnis macht das Que(e)r-Beisl-Programm zu
einem bunt gemischtem Repertoire an lebendigen und aktuellen
Veranstaltungen, das regelmaessig von zahlreichen Menschen in Anspruch
genommen wird.

Das Que(e)r-Beisl stellt aber auch ganz bewusst einen Freiraum dar, der
abseits der ueblichen Beislkultur Menschen die Moeglichkeit bietet, sich
ohne Konsumzwang mit anderen zu unterhalten und ungezwungen Vortraege zu
besuchen. Auch sollen sich ganz besonders Frauen in dieser Struktur wohl
fuehlen und nicht durch sexistische Anmache belaestigt werden.

Das gute Feedback der BeislbesucherInnen laesst erahnen, dass es durchaus
Bedarf an einer solchen alternativen Beislkultur gibt. Wir wollen die
Vielzahl an Veranstaltungen und die Moeglichkeiten, neue Leute kennen zu
lernen nicht missen. Der Austausch mit unseren GaestInnen ist uns, den
BeislmacherInnen, sehr wichtig und traegt einen erheblichen Anteil zum
Gelingen des Projekts bei.

Das Que(e)r-Beisl ist nur ein Projekt von vielen, das ohne EKH nicht
moeglich gewesen waere. Initiativen wie die Volxbibliothek mit einer Unmenge
an (linker) Literatur und zahlreichen Raritaeten, der Fluechtlingsbereich,
der Infoladen 10, die Proberaeume, das Volxtheater oder auch der gesamte
Veranstaltungsbereich sind durch einen Verkauf in ihrer Existenz bedroht.
Das EKH muss im Gesamtkontext als Polit-, Kultur- Arbeits- und Wohnprojekt
erhalten werden. Verhindern wir den politischen Selbstmord der KPOe! Finger
weg vom EKH! Der KPOe gemeinsam auf die Pfoten haun!

ekh bleibt!

*die Que(e)r-Beisl-BetreiberInnen*

***

> Randbemerkung aus der Redaktion

Wir haben es nicht anders erwartet. "Die KPOe moechte das EKH verkaufen"
klingt so, als koennte die KPOe sich aussuchen, ob sie verkauft oder nicht.
Wahrscheinlich kann sie das nicht, sondern muss verkaufen, weil sie sonst
Gehaelter nicht zahlen kann oder so aehnlich. Genaueres wissen wir auch
nicht, aber so ungefaehr wird es schon sein. Was also soll sie tun? Wenn sie
das Haus den BewohnerInnen und BetreiberInnen schenkt, steht sie ohne das
noetige Geld da, und diese BetreiberInnen koennen sich die Erhaltung des
Hauses und die noetigen Reparaturen wahrschenlich kaum leisten. Also waeren
konstruktive Vorschlaege angebracht. Aber die Forderung "Alles muss so
bleiben wie es ist" ist ein bisserl realitaetsfremd. *Ilse Grusch*


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