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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. November 2003; 17:35
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Initiativen/Geschichte:
> Fuer das Recht der Nachkommen juedischer Vertriebener
> auf die oesterreichische Staatsbuergerschaft
Von entscheidender Bedeutung war die 11. Verordnung zum
"Reichsbuergergesetz" vom 25.11.1941. Mit dieser verloren alle Juden, die
sich ausserhalb des Territoriums des Deutschen Reiches aufhielten ihre
deutsche Staatsangehoerigkeit. Ihr Vermoegen verfiel dem Reich. Die
Verordnung schaffte die endgueltige rechtliche Grundlage fuer Ausbuergerung,
Vermoegensentzug, Enterbung und Deportation.
Einige Stationen im Prozess der Entrechtung der JuedInnen in Oesterreich:
* 11.10.1938: Ab diesem Tag musste ein "J" im Pass vermerkt sein.
* 1.1.1939: Zusatzname "Sara" bzw. "Israel" fuer alle JuedInnen.
* Ab 1.9.1939 musste der Stern sichtbar getragen werden.
Schlussendlich die 11. Verordnung des Reichsbuergergesetzes. Danach begann
die Ausrottung. Alle oesterreichischen JuedInnen, die die Verordnung betraf,
waren jetzt staatenlos. Zynischerweise wurde auch die Deportation in nicht
auf "reichsdeutschem" Boden gelegene Konzentrationslager als "Umzug ins
Ausland" bezeichnet, sodass auch hier Ausbuergerung und Vermoegensentzug
nichts im Weg stand. Diesbezuegliche Feststellungsverfahren wurden bis
Kriegsende durchgefuehrt.
Am 27.4.1945 wurde im Zug der Ausrufung der 2.Republik der Anschluss fuer
null und nichtig erklaert. Am 13.5. wurde mit Kundmachung der provisorischen
Staatsregierung die Aufhebung der Nuernberger Gesetze bekannt gegeben. 1945
wurde auch das Gesetz ueber die Ueberleitung in die oesterreichische
Staatsbuergerschaft beschlossen, welches als Voraussetzung fuer den Erhalt
der Staatsbuergerschaft einen mindestens 30 Jahre ununterbrochenen Wohnsitz
in Oesterreich vorsah. Erst Anfang 1946 rang man sich zur Einfuehrung der
"Wohnsitzfiktion" durch, welche besagte, dass Wohnsitze auch dann nicht als
unterbrochen galten, wenn sie nach dem 5.3.1933 aufgegeben worden waren.
"Damit konnten nach § 2 Abs 1 diejenigen durch Erklaerung wieder
oesterreichische Staatsbuerger werden, die nachweisen konnten, "dass sie
seit 1. Jaenner 1915 (30 Jahre) ihren freiwilligen, ununterbrochenen,
ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hatten und nicht nach dem
Verbotsgesetz zu behandeln waren". Diese Erklaerung war nach § 3 Abs 1 StUeG
binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes schriftlich bei den
Landesbehoerden abzugeben." Kurze Fristen zogen sich wie ein roter Faden
durch die Geschichte diesbezueglicher Gesetzesnovellierungen. Formal waren
damit Ausbuergerungen oesterreichischer StaatsbuergerInnen unter der
Naziherrschaft aufgehoben und ein Rechtszustand wie vor 1938 hergestellt,
was allerdings nur fuer jene galt, die nicht mittlerweile StaatsbuergerInnen
eines anderen Landes geworden waren. "War das der Fall, so hatten sie -
allerdings erst ab 18. Jaenner 1946 die Moeglichkeit, durch die Erklaerung
"der oesterreichischen Republik als getreue Staatsbuerger angehoeren zu
wollen", die Staatsbuergerschaft wiederzuerlangen."
Im Bericht der oben erwaehnten Historikerkommission wird deutlich, dass man
sich von offizieller Seite deutlich staerker um die Wiedereingliederung der
unter den Nazis politisch Verfolgten als um jene der "rassisch" Verfolgten
sorgte.
Waehrend man bei "Reichsdeutschen Frauen" sehr rasch und unbuerokratisch
agierte und es immer wieder zur Einbuergerung bekannter ehemaliger Nazis wie
Emil Naumann kam, sind die Bemuehungen um die Wiedereinbuergerung juedischer
Vertriebener kaum nennenswert, ganz zu schweigen von Moeglichkeiten fuer
deren Nachkommen, die oesterreichische Staatsbuergerschaft zu erlangen.
Bezeichnend ist auch, dass "Volksdeutsche" (Angehoerige deutschsprachiger
Minderheiten in den nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen neuen
Nationalstaaten), die waehrend oder nach dem Krieg nach Westen geflohen
waren, nach anfaenglichen Schwierigkeiten bald zuegig eingebuergert wurden,
waehrend dies bei juedischen Fluechtlingen aus Osteuropa nur selten
passierte. Erst im Staatsbuergerschaftsgesetz von 1949 wurde auf "rassisch"
Verfolgte Ruecksicht genommen, die inzwischen StaatsbuergerInnen eines
anderen Landes geworden waren. Aber: Ansuchen um Wiedererlangung der
Staatsbuergerschaft konnten nur waehrend eines Jahres, naemlich bis zum 19.
Juli 1950 gestellt werden. Da bis zu diesem Zeitpunkt erst wenige
oesterreichische Auslandsvertretungen (wieder)errichtet waren, kann man
davon ausgehen, dass die Betroffenen, die in aller Welt verstreut waren, nur
in den seltensten Faellen von dieser Moeglichkeit, die Staatsbuergerschaft
wieder zu erwerben - ohne die neu erworbene aufgeben zu muessen - erfuhren."
Viele jene oesterreichischen JuedInnen, die vor dem Anschluss die
oesterreichische Staatsbuergerschaft besessen hatten und in der Zwischenzeit
keine andere angenommen hatten, konnten die ihnen wiederzuerkannte
Staatsbuergerschaft nicht nutzen und wurden u.a. durch die
Nichtrueckstellung von geraubtem Eigentum und "arisierten" Wohnungen sowie
zu erwartenden Schwierigkeiten mit Behoerden von einer Rueckkehr abgehalten.
Andere emigrierten aus aehnlichen Gruenden wieder, was oft zum endgueltigen
Verlust der Staatsbuergerschaft fuehrte.
Fuer jene Remigranten, die zwischen 1945 und 1950 nach Oesterreich
zurueckkehrten, gab es noch die Moeglichkeit des erleichterten
Wiedererwerbs, auch wenn dies die Aufgabe der in der Emigration neu
erworbenen Staatsbuergerschaft bedeutete. Nach 1950 Zurueckkommende, die
eine fremde Staatsbuergerschaft erworben hatten, waren wie jeder andere
Auslaender, der sich um die oesterreichische Staatsbuergerschaft bewarb, zu
behandeln. Waehrend sechzehn Jahren sah das oesterreichische
Staatsbuergerschaftsrecht keinen erleichterten Erwerb der
Staatsbuergerschaft fuer Vertriebene vor.
1965 und 1973 gab es Nachnovellierungen des Gesetzes. Seit 1973 war die
Doppelstaatsbuergerschaft moeglich, was u.a. die Einbuergerung von Oskar
Kokoschka ermoeglichte. Der oesterreichische Staat machte sich in den
allermeisten Faellen nicht die Muehe, an die Betroffenen heranzutreten.
Ausnahmen waren lediglich "Einbuergerungen im Staatsinteresse" wie jene des
Philosophen Karl Popper.
In der Novelle von 1973 wurde allerdings fuer die Einbuergerung die
Voraussetzung eingefuehrt, dass der/die Betroffene frueher schon einmal 10
Jahre lang die oesterreichische Staatsbuergerschaft gehabt haben musste,
ausserdem wurde gegenueber 1965 die damals abgeschaffte Wohnsitzbegruendung
wieder eingefuehrt, sodass fraglich ist, ob diese Novelle nicht mehr Haerten
als Erleichterungen mit sich brachte.
Diese Haerten wurden 1993 beseitigt, nachdem in den Jahren zuvor - v.a. im
Zuge der causa Waldheim - immer wieder das beschaemende Verhalten
Oesterreichs in Bezug auf seine Vergangenheit thematisiert worden war und
ein breiterer Dialog als zuvor eingesetzt hatte.
Im Jahr 1998 wurde schliesslich auch jenen Vertriebenen, die schon vor 1938
keine oesterreichischen StaatsbuergerInnen gewesen waren, die Einbuergerung
erleichtert. Die Gesetzesnovellierungen der 90er Jahre wurden auch
deutlicher kundgemacht als das frueher der Fall gewesen war und fanden
durchaus Anklang bei den Betroffenen. So gingen nach Bekanntwerden der neuen
Gesetzeslage innerhalb einiger Monate ueber 1.000 entsprechende Antraege bei
der oesterreichischen Botschaft in Tel Aviv ein, deren ueberwaeltigender
Teil, wenn auch oft erst nach Ueberwindung etlicher juristischer und
administrativer Huerden, positiv erledigt wurde. Im Bericht der
Historikerkommission werden allerdings auch entscheidende, nach wie vor
bestehende Maengel dokumentiert, u.a. folgende:
Die Formulierung des Gesetzgebers geht in ihrer engen Auslegung, sich
naemlich als oesterreichischer Staatsbuerger und von oesterreichischem Boden
aus "ins Ausland begeben" zu haben, an der komplexen historischen
Wirklichkeit von Flucht- und Verfolgungsumstaenden waehrend der
NS-Herrschaft vorbei.
Jene Personen, die die Verfolgung im Inland (sogenannte U-Boote) oder in
einem Konzentrationslager er- und ueberlebt haben und erst nach 1945 wegen
der Aussichtslosigkeit, sich eine neue Existenz in Oesterreich aufbauen zu
koennen (Nichtrueckerstattung ihrer Wohnung, immer noch vorhandener
Antisemitismus) emigrierten, werden nicht beruecksichtigt. Bei der
Wiedereinbuergerung erfolgt grundsaetzlich keine Erstreckung auf Ehepartner
und Kinder. Waehrend Ehepartner inzwischen einbuergern koennen (bis zum
Inkrafttreten der StbGNov 1998 allerdings erst nach einer Anwartschaft von
zehn Jahren, was angesichts des meist fortgeschrittenen Alters der
Betroffenen sinnlos ist, ist dies fuer volljaehrige Nachkommen der
Vertriebenen nicht moeglich.
Die "Mitwirkungspflicht" bei der Aufklaerung der Abstammung und des
staatsbuergerlichen Status erscheint wegen der Unmoeglichkeit der
Beibringung entsprechender Beweismittel und wegen des oft hohen Alters und
der Gebrechlichkeit der AntragstellerInnen haeufig unzumutbar und koennte
durch andere Rechtsmittel (eidesstattliche Erklaerung)ersetzt werden.
Das Moment der Unfreiwilligkeit der Aufgabe der oesterreichischen
Staatsbuergerschaft vor und nach 1945 wird - insbesondere bei zu der Zeit
Minderjaehrigen - nicht ausreichend gewuerdigt.
Die Gefahr des Verlusts von fremden Staatsbuergerschaften durch den
Wiedererwerb der oesterreichischen ist nicht ausgeschlossen, da inzwischen
einige Staaten diese Wiedererwerbsform wie eine normale Einbuergerung
behandeln (unzureichend geklaerter voelkerrechtlicher Status des
entsprechenden oesterreichischen Gesetzes).
Nach Expertenschaetzungen haben sich zwischen Kriegsende und 1970 12.000 bis
15.000 juedische Vertriebene wieder in Oesterreich niedergelassen, der
ueberwiegende Teil davon noch in der 40er Jahren (20). Zum Vergleich: In
Deutschland hat sich die juedische Bevoelkerung im selben Zeitraum
verdreifacht (von 30.000 auf 95.000), v.a. durch Einwanderung aus der
frueheren Sowjetunion.
Seit Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in Deutschland unvergleichbar
groessere Anstrengungen zur Vergangenheitsbewaeltigung und zur Repatriierung
Vertriebener unternommen als in Oesterreich. Deutschland gehoert neben
Norwegen, Schweden, Daenemark, Luxemburg und Spanien zu den wenigen
europaeischen Laendern, in denen der juedische Bevoelkerungsanteil seit 1967
gestiegen ist, wobei das Ausmass des Anstieges in Deutschland wesentlich
groesser ist als in anderen Laendern. Eine der Ursachen hierfuer ist wohl
die Tatsache, dass Deutschland als Teil der Wiedergutmachung nicht nur die
Wiedereinbuergerung juedischer Vertriebener selbst versteht, sondern auch
relativ problemlos deren Nachkommen die deutsche Staatsbuergerschaft
verleiht. Wenn auch zugestanden werden muss, dass die ImmigrantInnen aus der
frueheren Sowjetunion der groessten Teil der neuen juedischen Bevoelkerung
Deutschlands ausmachen und der Anteil zurueckgekehrter Vertriebener deutlich
geringer ist als ersterer, muss doch die Tatsache anerkannt werden, dass in
Deutschland eine juedische Zukunft absehbar ist, zumindest in deutlich
groesserem Ausmass als in einigen anderen europaeischen Laendern, die
frueher hohe juedische Bevoelkerungsanteile hatten. In Oesterreich ist
derartiges jedenfalls derzeit leider nicht in Sicht.
*Aussendung Antiimperialistische Koordination/gek.*
Quelle:
http://www.antiimperialista.com/de/view.shtml?category=2&id=1068120688&keywo
rd=+
Der Artikel stuetzt sich auf den Bericht der Historikerkommission (Hg.):
Hannelore Burger, Harald Wendelin: Staatsbuergerschaft und Vertreibung.
Vertreibung, Rueckkehr und Staatsbuergerschaft. Die Praxis der Vollziehung
des Staatsbuergerschaftsrechts an den oesterreichischen Juden. Wien 2002, zu
finden unter www.historikerkommission.gv.at/ergebnisberichte. Statistische
Daten sind weiters dem Buch: Bernhard Wasserstein, "Europa ohne Juden" (List
Verlag) entnommen.
*
Unterschriftenliste:
Aufgrund der NS-Vergangenheit, in der Oesterreich eine alles andere als
untergeordnete Rolle gespielt hat und keineswegs nur Opfer war, aufgrund des
beschaemenden jahrzehntelangen Verhaltens Oesterreichs in der Frage der
Wiedergutmachung und der Moeglichkeit der Wiedereinbuergerung, und aufgrund
der Tatsache, dass Oesterreich und Europa mit der juedischen Bevoelkerung
einen wesentlichen Teil ihrer Kultur und Identitaet verloren haben, fordern
wir vom oesterreichischen Gesetzgeber, dem deutschen Beispiel zu folgen und
ohne Einschraenkungen den Nachkommen der aus Oesterreich Vertriebenen Juden
und Juedinnen die Moeglichkeit zum Erwerb der oesterreichischen
Staatsbuergerschaft zu bieten.
Name, Adresse, Unterschriften
Unterschriften an: Vorstadtzentrum, Meiselstr. 46/4, 1150 Wien
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