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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. November 2003; 17:21
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Der Polizei ist fad/Justiz/Das Positive:

> Die Polizei bekommt nicht immer Recht

Blamage bei Verhandlung gegen Asylwerber am Landesgericht Wien

Zweifelhafte Urteile gegen Menschen, die nicht die oesterreichische
Staatsbuergerschaft haben, sind in der oesterreichischen Justiz seit langem
keine Seltenheit mehr. Diesmal wollen wir jedoch von einem Freund berichten,
der ausnahmsweise nicht Opfer von rassistisch beeinflusster Rechtsprechung
wurde.

Christian D. stammt aus Sierra Leone und lebt als Asylwerber in Wien. Am 12.
September 2003 will Christian einkaufen gehen, als er von 3 Polizisten
aufgehalten und kontrolliert wird. Er wird von einem Polizisten am Hals
gepackt festgehalten und anschliessend perlustriert. Dabei werden 50 Euro in
Bar entdeckt, Drogen werden nicht gefunden, jedoch glauben die Polizisten,
Schluckbewegungen zu sehen. Christian wird von den Polizisten festgenommen
und kommt in Untersuchungshaft in die Justizanstalt Wien Josefstadt.
Vorgeworfen wird ihm vor allem Drogenhandel und Widerstand gegen die
Staatsgewalt. Er bleibt in Untersuchungshaft bis zu seiner Verhandlung am
17.Oktober im Landesgericht Wien.

Der Prozess beginnt, die einzigen Grundlagen fuer die Anklage ist die
Tatsache, dass er 50 Euro bei sich hatte und sich in der Naehe eines
Wohnheims fuer Fluechtlinge aufhielt. Bei der Verhandlung uebertreffen sich
die als Zeugen geladenen Polizisten gegenseitig mit widerspruechlichen
Aussagen. Christian bekennt sich nicht schuldig, sowohl zum Vorwurf des
Drogenhandels als auch zu dem des Widerstands gegen die Staatsgewalt. Die
Polizisten geben sich noch immer ueberzeugt, dass Christian am Tag der
Kontrolle mit Drogen gedealt hat. Dies obwohl bei ihm weder Drogen gefunden,
noch vermeintlich verschluckte Drogenkuegelchen von ihm ausgeschieden
wurden. Der Anklage fehlen somit jegliche Beweise.

Die Anklage wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt ruehrt daher, dass die
Polizisten behaupten, Christian habe sich mit Gewalt gegen die Kontrolle
gewehrt. Die Polizisten sagen zum Ablauf der Amtshandlung sehr
widerspruechliche Versionen aus, Christian kann sich nicht erinnern,
jemanden angegriffen zu haben. Vor allem ueber das Festhalten von Christian
am Hals (!!) waren sich die Polizisten uneinig. Klar wurde jedoch, dass die
Polizisten ihm nicht gesagt haben, warum sie ihn kontrolliert bzw. am Hals
gepackt haben. Die Richterin bittete die Anwesenden, sich in die Lage eines
zu unrecht Beamtshandelten zu versetzen und sich die eigene Reaktion darauf
vorzustellen. Die Richterin kommt so zum Schluss, dass selbst wenn es zu
einer Rangelei zwischen Christian und den Polizisten gekommen ist, eine
Widersetzung Christians gegen das Wuergen keinen (vorsaetzlichen) Widerstand
gegen die Staatsgewalt darstellt. Auch vom Vorwurf des Drogenhandels spricht
sie ihn frei, da es offensichtlich keine Beweise fuer einen solchen gibt.
Ausserdem erklaert sie den Polizisten, dass in einem Rechtsstaat alle
Menschen gleich zu behandeln sind.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt, das
Urteil ist somit rechtskraeftig. Christian ist froh ueber den Freispruch und
beantragt eine Entschaedigung fuer die zu unrecht verbuesste
Untersuchungshaft.


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