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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Oktober 2003; 16:32
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Die Letzten:
> Big Brother Awards 2003
Die Gewinner der unbeliebten Preise wurden am 26.Oktober praesentiert
Aus mehr als 150 Nennungen zu den Big Brother Awards 2003 hat die Jury die
unten angefuehrten Faelle ausgewaehlt. Da die Faelle in Art und Dimensionen
sehr unterschiedlich gelagert sind, erfolgten Nominierungen nach
verschiedenen Kriterien. Neben besonderer Tuecke oder Alltaeglichkeit des
Falls sind auch die bereits eingetretenen negativen Folgen fuer die
Gesellschaft ein Kriterium. In anderen Faellen wiederum war das soziale
Schadenspotenzial einer technischen Anwendung oder Gesetzgebung der Anlass,
die dafuer Verantwortlichen zu nominieren. Ob die nominierten Faelle im
rechtlichen Graubereich oder klar im Legalen angesiedelt sind - fuer alle
erwaehnten Personen und Firmen gilt, dass niemandem eine strafbare Handlung
unterstellt wird.
Alle von der Jury nominierten Personen und Firmen waren zu den Awards 2003
ausdruecklich eingeladen sich auf der Buehne zu Ihrem Gewinn zu aeussern.
Gekommen ist leider keiner.
Die Jury wurde gestellt von Peter Holzer, FFS; Doris Kaiserreiner,
q/uintessenz; Gerald Pfeifer, VIBE!AT; Richard Soyer, Rechtsanwalt; Martin
Wassermair, public netbase.
Big Brother am Salzburger Rudolfskai
Die Lokalbetreiber am Salzburger Rudolfskai waren die ersten, dann forderten
auch die Wirte am Bahnhof Vollueberwachung durch Videokameras. Doch an einer
Videoueberwachung haben laut eigener Aussage weder die Stadt noch die
Verkehrsbetriebe Interesse, da damit erhebliche Kosten und die Einstellung
von Ueberwachungspersonal vonnoeten sind. Die Stadtverwaltung setzt vielmehr
auf bessere Ausleuchtung der betreffenden Gebiete, was - durch Studien
belegt - das effizientere Mittel sei, gegen Kriminalitaet vorzubeugen.
Die Jury merkt dazu an, dass es sich nach zahlreichen Beispielen von
populistischem d.h. unvernuenftigem Umgang mit Ueberwachungsmassnahmen durch
Stadtverwaltungen hier um ein Beispiel von angewandtem "Common Sense"
handelt. (1)
Die Jury hat sich fuer die Auszeichnung dieses Falles wegen seiner
Alltaeglichkeit und Beispielhaftigkeit fuer falschen Umgang mit neuen
Technologien entschieden. Offenbar ohne rational zu ueberlegen, welches
Mittel zur Erhoehung der Sicherheit am Zweckdienlichsten und
Kostenguenstigsten sein koennte, wurde sofort nach Totalueberwachung
gerufen.
Kriminal-HipHop
In der Kategorie Politik gewannen die EU-Kommission und Janelly Fourtou den
Award fuer die so genannte IP-Enforcement Directive. Es soll fuer Inhaber
von Copyrights - also primaer Software, Musik- und Filmindustrie -
wesentlich einfacher werden, ueber den Internet-Provider an Stammdaten von
Internet-Usern heranzukommen. Wieder wird ein US-Gesetz [Digital Millennium
Copyright Act] auf EU-Ebene einfach nachvollzogen, obwohl die negativen
Folgen bereits ueberdeutlich sichtbar sind. Die Lobby-Verbaende von Film und
Musikindustrie veranstalten regelrechte Treibjagden auf
Tauschboersenbenutzer, die immer oefter in Massenklagen enden. Das
auffaelligste daran ist dabei die Zahl der "falschen Treffer". Kaum eine
Woche vergeht, in der nicht Faelle bekannt werden, wie ein Rentner, dem das
massenhafte, illegale Anbieten von HipHop-Musikfiles vorgeworfen wird. (2)
Den Ausschlag fuer die Jury, sich fuer diese Nominierung zu entscheiden gab
dieser Tatbestand. Der Versuch, privaten Datenaustausch [nachweislich ohne
Geschaeftsinteressen] via Tauschboersen, per EU-Direktive mit
Gefaengnisstrafen zu bedrohen, wog fuer die Jury schwerer, als die offen
gesetzwidrige Weitergabe von Passagierdaten. Der Zusatz der EU-Abgeordneten
Janelly Fourtou markiert den "Worst Case" fuer einfache Internet-Benutzer.
Patente Ideen
Das Europaeische Patentamt in Muenchen hat gegen geltende nationale
EU-Legislaturen tausende Ideen- und Trivialpatente auf die neuen
Informationstechnologien zugelassen. Mithilfe der EU-Kommission sollten
diese grauen Patente legalisiert werden, auf seit Jahren in oeffentlichem
Gebrauch befindliches, oeffentliches Gut sollen nun Patent-Claims angemeldet
werden koennen. Im Falle von Software - die selbst ohnehin durch das
Urheberrecht ausreichend geschuetzt ist - kommt dies in Konsequenz einem
Programmierverbot fuer Programmierer in den verschiedensten Bereichen
gleich. Vom One-Click-Shopping bis zum Fortschrittsbalken, vom Web-Shop
ueber Hyperlinks bis zur Verwendung von Plugins ganz allgemein - diese fuer
die Generation "Internet" alltaeglichen Vorgaenge sind patentiert. (3)
Neugieriger Postfuchs
Wer umzieht, braucht einen Nachsendeauftrag fuer Briefe. Fanden die Angaben
dazu frueher auf einer Postkarte Platz, so gilt es nun, ein A4-Blatt mit
Geburtsdatum, Mailadresse und Telefonnummer usw. auszufuellen. Ganz unten
steht: "Ich erteile meine Zustimmung, dass die Oesterreichische Post AG die
oben angefuehrten Daten an die Postadress Austria GmbH bzw. andere zur
Ausuebung des Gewerbes der Adressverlage und Direktwerbeunternehmen
berechtigten Unternehmen weitergibt. Ich kann diese Zustimmung jederzeit
widerrufen." Wer das Einverstaendnis zum Datenhandel auf dem Formular
streicht, muss damit rechnen, dass das Formular am Schalter nicht angenommen
wird. Eine Alternative zur Weitergabe all dieser Daten bietet das Formular
der Post AG, die noch dazu einziger Anbieter dieses Dienstes ist, naemlich
nicht. (4)
Die schlichte Gemeinheit, auf sogenannten Nachsendeantraegen des einzigen
Anbieters Post AG der Weitergabe von persoenlichen Daten an Adresshandel und
Marketing zustimmen zu muessen, da der Antrag ansonsten nicht behandelt oder
vom Schalterbeamten abgelehnt werden kann, hat der Jury zur
Entscheidungsfindung gereicht. Um zu widerrufen, muss ein eigenes Formular
ausgefuellt werden.
Nochmal geehrt
Der Preis fuer das Lebenswerk geht noch einmal an Unterrichtsministerin
Elisabeth Gehrer -- angesichts dessen
- dass die Datenerhebungen in den Schulen zwecks Erstellung einer so
genannten "Bildungsevidenz" gerade jetzt operativ umgesetzt werden
- dass mindestens eine der beiden Schulen nominiert wurde, weil sie schlicht
eine Initiative aus dem Unterrichtsministerium umsetzt
- dass durch die "Bildungsevidenz" Oesterreichs Ruf im Ausland als Republik
der Untertanen weiter gefestigt wurde
- dass der Staat derartige Datenspeicherungsmanahmen an seinen
Buergerinnen/en dann ausfuehrt, wenn sie sich mangels Volljaehrigkeit noch
nicht dagegen wehren koennen
All das hat die Jury bewogen, die Verleihung eines Lifetime Achievement fuer
2003 auszusetzen und auf das Lifetime-Achievement von 2002 zu verweisen -
Elisabeth Gehrer.
Einiges Publikum
Kaum Diskussionen gab es bei der Publikumswahl: Etwa 80 Prozent der zuletzt
ueber 250 Einreichungen betrafen das einschlaegig bekannte Vorhaben der
Telefonbuchfirma Business Data Herold. ###
Quelle: http://www.bigbrotherawards.at/2003/nominees/winners_2003.php
Links
(1) http://www.salzburg.com/salzburgerfenster/artikel/l3007.html
http://www.oevp-salzburg.at/news_detail.asp?NewsID=435
(2) http://europa.eu.int/comm/internal_market/de/indprop/piracy/index.htm
http://www.fipr.org/copyright/draft-ipr-enforce.html
(3) http://swpat.ffii.org/players/epo/index.de.html
http://futurezone.orf.at/futurezone.orf?read=detail&id=194510
(4) http://www.wienerzeitung.at/frameless/computer.htm?ID=M13&Menu=189167
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