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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Oktober 2003; 16:45
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KPOe:

Zwei Reaktionen auf den Kommentar "Post Novum" (akin 26/2003):

*

> Nicht traurig

Ich muss dem geschaetzten Chefredakteur wieder einmal aus tiefstem Herzen
widersprechen.
Ich werde nicht traurig sein, wenn linke Initiativen nicht mehr von
KP-Parteiangestellten uebernommen oder majorisiert werden werden.

Ich sehe noch vor mir, wie vor bald einem Jahrzehnt, am Tag der
Menschenrechte am 10. Dezember 1993 eine von etlichen Frauengruppen
organisierte Kundgebung "Frauenrechte sind Menschenrechte" auf dem
Stock-im-Eisen-Platz vom BDF(Bund demokratischer Frauen) mit einem
Lautsprecher-Wagen unterstuetzt wurde. "Zufaellig" hatte der BDF auch das
mit Abstand groesste Transparent, und das unmittelbar neben dem
Lautpsrecher-Wagen aufgestellt und dadurch entstand der Eindruck, das ganze
sei eine Veranstaltung kommunistischer Frauen, die auch von ein paar anderen
unterstuetzt wird.

Aeltere Semester erinnern sich vielleicht noch an das ueberparteiliche
Urania-Frauen-Kommittee, Frauen sehr verschiedener Weltanschauung, die, zu
Zeiten des Kalten Krieges beachtlich, monatlich eine Vorfuehrung eines
interessanten Films mit anschliessender Diskussion organisierten. Nur: die
SU kritisierende Filme konnten dort nicht gezeigt werden, aus Ruecksicht auf
die Vertreterin des BDF, die die Infrastruktur ihrer Organisation zum
Versenden der Einladungen zur Verfuegung stellte.

Ich will hier nicht ausmalen, was aus der Friedensbewegung der 80-er Jahre
geworden waere ohne den Oesterreichischen Friedensrat oder aus den Frauen
fuer den Frieden ohne BDF.

Dem Umstand, dass die AkIn nicht an Tante Finis Tropf haengen, verdanke ich
die Information ueber die Rolle, die eine Parteiangestellte im
Arbeitskonflikt im Kosmos-Frauenraum seinerzeit gespielt hat.

Trost und Hoffnung, dass ein linkes Leben ohne solche laehmenden Infusionen
moeglich ist, gibt mir die AUGE. Danke allen, die unverdrossen dort weiter
arbeiten.
*Liesl Fritsch*

***

Mit der Bemerkung "Es gibt auch noch einen anderen Blickwinkel als den
Wiener" schickte uns der steirische KP-Chef einen Artikel, den er in
Vorbereitung des 32.Parteitages geschrieben hatte und der seiner Meinung
nach auch heute noch aktuell sei:

*

> Bundesweit alltagstauglich werden

Walter Baier haelt seit dem Jahr 1991 auf unseren Parteitagen die
Hauptreferate. Ein - wenn auch variierter - Stehsatz ist dabei die
Feststellung, dass es schon eine Leistung fuer sich sei, dass die KPOe noch
existiert. 1991 war es noch verstaendlich, sich darauf zu konzentrieren.

12 Jahre danach ist es aber hoch an der Zeit, eine nuechterne Bilanz der
Aera Baier vorzulegen. Dabei geht es weniger um die Rahmenbedingungen
unserer Arbeit als um den subjektiven Faktor.

Kommunistische Parteien haben es heutzutage nicht leicht, eine
kommunistische Partei in Oesterreich hat es besonders schwer. Diese
Tatsachen muss man - wie auch den starken Einfluss der buergerlichen
Ideologie selbst auf fortschrittliche Menschen - zur Kenntnis nehmen. Nicht
einmal ein Kurswechsel der KPOe auf dem 32. Parteitag wuerde an diesen
objektiven Bedingungen etwas aendern. Wir werden bis auf weiteres eine sehr
kleine Partei mit begrenztem Masseneinfluss bleiben. Nur kleine Teile der
Bevoelkerung halten eine grundlegende Umwaelzung der kapitalistischen
Gesellschaftsordnung fuer ein erstrebenswertes Ziel. Und auch unter jenen,
die dafuer eintreten, wirken die Erschuetterungen nach dem Zusammenbruch des
Realsozialismus in Osteuropa noch nach.

Wir stellen uns deshalb in der Steiermark seit mehr als einem Jahrzehnt die
Aufgabe, durch praktische Basisarbeit moeglichst viele Menschen davon zu
ueberzeugen, dass wir uns veraendern und mit dem medial vermittelten
Zerrbild unserer Bewegung nichts zu tun haben. Es geht uns darum, in
Gemeinden und Betrieben Namen und Gesicht zu bekommen und Teile jener
Bevoelkerungsschichten zu erreichen, deren Interessensvertretung von den
technokratischen Modernisierungsparteien faktisch aufgegeben worden ist. Mit
dem Ergebnis der Grazer Gemeinderatswahl haben wir gezeigt, dass diese
Konzeption der Parteientwicklung Aussichten auf Erfolg hat. An dieser
Basisarbeit fuehrt kein Weg vorbei. Erst wenn wir in Gemeinden und Betrieben
vorankommen, koennen wir ernsthaft hoffen, auf der Ebene von Landtagen, des
Nationalrates und bei EU-Wahlen groessere Erfolge zu erzielen. In diesem
Zusammenhang halte ich die bevorstehenden AK-Wahlen fuer einen wichtigen
Test unserer Alltagstauglichkeit.

Die Bundespartei hat unter Walter Baier diese Arbeit materiell, politisch
aber hoechstens verbal unterstuetzt, ein echtes Interesse fuer ihre Spezifik
und fuer ihre Verbindung mit den grossen Aufgaben der ArbeiterInnenbewegung
war nicht zu bemerken. Vielleicht fehlt mir dafuer die Sensibilitaet, aber
ich erinnere mich eben noch daran, wie ich vom Parteivorsitzenden von oben
herab zurechtgewiesen wurde, als ich im Jahr 1996 in einem Artikel in der
Tageszeitung "Standard" jene Konzeption vorgestellt hatte, die wir
hartnaeckig vorantreiben. Ich habe nicht vergessen, dass Walter Baier auf
meine Formulierung, dass die KPOe eine Partei fuer das taegliche Leben der
arbeitenden Menschen werden solle, geantwortet hat, sie muesse eine Partei
gegen das taegliche Leben werden. Und ich kann darauf hinweisen, dass nach
der Gemeinderatswahl 1998 ein Vorstoss der KPOe-Steiermark zur Aenderung der
Arbeitsweise und zur Konzentration auf Brennpunkte gesellschaftlicher
Widersprueche auf Betreiben Walter Baiers von der Bundesvorstandsmehrheit
zurueckgewiesen wurde.

Es mag ein Zufall sein. Fuer mich hatte es aber symbolische Bedeutung, dass
der Parteivorsitzende am Tag der Grazer Gemeinderatswahl 2003 nicht bei uns,
sondern auf dem Weltsozialforum in Brasilien war.

Uns ist immer wieder vorgeworfen worden, wir wuerden die lokalen,
kommunalpolitischen Aufgaben den allgemeinen Zielsetzungen der KPOe
entgegenstellen. (Wer will, kann dies in den Diskussionsbeitraegen von
Waltraud Stiefsohn und Claudia Krieglsteiner auf dem 31. Parteitag
exemplarisch nachlesen.)

Dabei wird aber etwas verschwiegen: Die zentralen Schwerpunkte sind im
letzten Jahrzehnt mehrmals gewechselt worden und zwar, ohne Erfolge und
Misserfolge selbstkritisch zu analysieren.

Augenfaellig ist der Positionswechsel in der EU-Frage: Vom Plakat "Raus aus
der EU!" bei der Europawahl 1996 bis zur beabsichtigten Teilnahme an einer
linken Europartei ist ein weiter Weg.

Es ist aber symptomatisch, wie viele Kraefte in Kampagnen verschlissen
worden sind, die weit davon entfernt waren, erfolgreich zu sein. Ich
erinnere an die Plattform Regenbogen fuer die Neutralitaet Oesterreichs, an
die Vereinigten Arbeitsloseninitiativen (VALI), von denen man schon lange
nichts mehr gehoert hat - und an die versuchte Instrumentalisierung der
Bewegung gegen die erste schwarz-blaue Regierung. Selbst die jugendbewegte
und in manchem linksradikale SLP erkannte frueher als wir, dass eine
organisierte Teilnahme an den Donnerstagsdemos vom Standpunkt einer
politischen Kosten- Nutzenrechnung ihren Sinn verloren hatte. Im
Zusammenhang mit der Schuessel-Regierung ist ein anderer Gedanke langfristig
wichtiger. Es ist dies die Regierung der sozialen Revanche und des Abbaus
sozialer und gewerkschaftlicher Rechte. Im Februar 2000 habe ich deshalb
folgendes gesagt: "Die KPOe-Steiermark weist auf den langfristigen und auf
den sozialen Charakter des Protestes hin, der jetzt notwendig ist. Jetzt
kommt es darauf an, gemeinsam mit den Gewerkschaften und mit
ausserparlamentarischen Bewegungen eine kraftvolle Opposition gegen den
Sozialabbau und auch gegen den alltaeglichen Rassismus aufzubauen. Diese
Opposition muss sich auch gegen die Vorgaben des Stabilitaetspaktes der EU
richten, um Massencharakter zu erreichen und um Aussichten auf Erfolg zu
haben." (F. St. P.: Interview fuer Liberte, Feb. 2000)

Die Wiener Gemeinderatswahl 2001 und auch das Nationalratswahlergebnis in
Wien 2002 muessen fuer die VertreterInnen der zentral vorangetriebenen
Konzeption ernuechternd gewesen sein. Statt der erhofften Erfolge (die
Hoffnungen von Claudia Krieglsteiner sind ebenfalls im Protokoll des 31.
Parteitages dokumentiert) gab es empfindliche Rueckschlaege, die - was die
Nationalratswahl betrifft - vom Aufwaertstrend der KPOe in den anderen
Bundeslaendern abweichen.

Auf eine Analyse der Ursachen fuer diese Rueckschlaege wartete man
vergeblich. Statt dessen gibt es eine neue Kampagne, mit der man alle
Hoffnungen verknuepft. Es ist dies der Versuch, ueber das Oesterreichische
Sozialforum ein neues politisches Subjekt in unserem Land zu schaffen, das
mit der weltweiten globalisierungskritischen Bewegung verbunden ist. Auch
hier kann man jene Einseitigkeit wieder finden, die in den letzten 12 Jahren
fuer KPOe-Kampagnen typisch war.

Eine Bilanz dieser Jahre muesste all jene GenossInnen einschliessen, die an
irgendeiner Wendung resigniert haben, die ausgebrannt sind oder die innere
Kuendigung ausgesprochen haben. Sie muesste nach den Ursachen fuer die
massive Kritik an der jetzigen Parteifuehrung forschen. Sie muesste die
Frage des Mitteleinsatzes (fuer Kampagnen, fuer die Volksstimme) einmal
realistisch stellen. Und sie muesste fragen, ob die handelnden Personen
geeignet sind, eine kommunistische Partei, die mit der Arbeiterklasse
verbunden ist, zu fuehren und in der Oeffentlichkeit zu repraesentieren.

Zur Bilanz muesste auch die Antwort auf die Frage gehoeren, welche Chancen
wir in Gemeinden oder Betrieben vertan haben, weil wir gerade geglaubt
haben, dass es in der "hohen Politik" einen wichtigeren Schwerpunkt gegeben
haette.

Nach der Grazer Wahl zeigt sich, dass ein lokaler Erfolg oesterreichweit das
Interesse an der KPOe hebt. Mit diesem Interesse sind aber bestimmte
Erwartungen verbunden, denen unsere Bundespartei derzeit nicht gerecht
werden kann. Wenn es hier nicht gelingt, eine Kurskorrektur vorzunehmen,
sehe ich grosse Probleme auf uns zukommen.

Die erste Sitzung des 32. Parteitages hat den Rahmen dafuer geschaffen, dass
wir uns - programmatisch - als marxistische Partei der Vielfalt erneuern
koennen. Ohne eine gesellschaftliche Praxis, die mit den arbeitenden
Menschen verbunden ist, ohne eine sichtbare Kurskorrektur werden wir aber
nicht zu einer alltagstauglichen Partei werden.
*Franz Stephan Parteder*


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