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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Oktober 2003; 16:33
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Recht:

> Bundesgesetz ohne Blatt

Bundesgesetzblaetter werden in Zukunft nicht mehr in Papierform verteilt,
sondern nur noch ueber das Internet kundgemacht. Das sieht zumindest ein
Gesetzesvorschlag der Regierung vor, der kuerzlich vom Verfassungsausschuss
des Nationalrates einstimmig gebilligt wurde. Schon jetzt sind aktuelle BGBl
ueber das elektronische Rechtsinformationssystem (RIS) abrufbar, in Zukunft
soll das die einzige Zugangsmoeglichkeit sein. Dies soll Einsparungen von
EUR 400.000 bringen.

Doch das Bundesgesetzblatt ist mehr als nur ein Verlautbarungsorgan. Durch
den Druck wurde bislang in tausenden Kopien sichergestellt, dass gesetzliche
Bestimmungen an vielen Orten als Dokumentation des Rechtsbestandes belegt
waren. Die Regierung konnte nicht einfach so behaupten, ein Gesetz haette
anders gelautet, weil sowas jederzeit in Bibliotheken und
Rechtsanwaltskanzleien widerlegt werden konnte. Mit einer nur elektronischen
Hinterlegung auf einem zentralen Server waere eine Manipulation viel
leichter moeglich. Sicher: Der Gesetzgeber will Sicherungsschranken
einbauen, mindestens ein beglaubigter Ausdruck und eine elektronische
Signatur sollen Authentizitaet gewaehrleisten. Aber Computer und ein
einziges Papierexemplar lassen sich doch viel eher manipulieren als
weitverstreute Kopien.

Natuerlich ist nicht anzunehmen, dass unter den momentanen politischen
Bedingungen derartige Manipulationen zu befuerchten sind. Aber zum einen
koennen sich Parameter der politischen Kultur rasch aendern, zum anderen
leben wir in einem Land, wo der Kanzler sowieso schon das Recht hat, im
Bundesgesetzblatt nach der Beglaubigung durch den Bundespraesidenten
"Druckfehler" zu berichtigen und dieses Recht tatsaechlich auch in einer
Weise ausuebt, die ihm schon mahnende Worte des Verfassungsgerichtshofs
einbrachte. (s.a. akin 7/03, akin-pd 11.3.2003)

Winston Smith, Protagonist aus George Orwells "1984", hatte den Job im
"Wahrheitsministerium", alte Zeitungen umzuschreiben, um sicherzustellen,
dass die dort nachzulesende damalige Meinung der Regierung mit der aktuellen
uebereinstimmt. Der fiktive Beamte musste im fiktiven Jahr 1984 die alten
Zeitungen noch verbrennen und neue erstellen lassen. Wenn bald
Informationen -- bis hin zu Rechtsnormen -- nur noch elektronisch
gespeichert werden sollen, waere die Arbeit eines realen Winston Smith um
einiges einfacher.
*Bernhard Redl*


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