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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Oktober 2003; 17:48
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Wien:

> Im Unterholz

Ueber Wildwuchs und Freiraeume

Die MA 22, die Wiener Umweltschutzabteilung, fuehrte von Juni bis Ende
September eine Aktionsreihe zum Thema Stadtwildnis unter dem Titel
"Wildwuchs" durch. Mit Stadtwildnis war nicht der Strassendschungel mit
seinen Haeuserschluchten und Autoschlangen gemeint, sondern das Gruen in den
Mauerritzen, das ungeplant, unkontrollierbar und somit subversiv spriesst.
Erklaertes Ziel war, die WienerInnen fuer die spontane und freche Natur in
der Stadt zu begeistern. Natur, die Raum braucht, sich nimmt und sich nicht
den urbanen Betonvorgaben unterordnet. Damit wurde ein interessanter Aspekt
des Verhaeltnis von Stadtmenschen zur wilden, nicht kultivierten Natur
aufgearbeitet.

Eine 23 Sujets umfassende Plakatserie zeigte Beispiele staedtischen
Wildwuchs aus jedem Wiener Gemeindebezirk. So wurde etwa Stadtwildnis im
nicht gerade an Gruenflaechen reichen Margareten durch einen verwilderten
Winkel vom Scheupark, wo Kinder entsprechend dem Infofolder der MA22
geschuetzt von Einblicken Geheimnisse austauschen koennen, illustriert.

Auf die Frage, warum die Stadt Wien gerade jetzt fuer ungezaehmte Blumen und
Graeser sensibilisieren wollte, kann, wenn man den Verkauf von Stadtwald an
Private in den letzten Jahren beruecksichtigt, boesartig, aber ebenso treffe
nd geantwortet werden, weil die Aufmerksamkeit der BuergerInnen auf die
Natur gelenkt werden soll, die ihnen bleiben wird. Denn der Ausverkauf des
kommunalen Wald- und Wiesenbesitzes, den die Stadtregierung am liebsten --
wie Kinder im Unterholz -- von Einblicken geschuetzt still und heimlich
abwickeln wuerde, gefaehrdet den freien Zugang zu den Erholungsgebieten des
Wiener Gruenguertels.

Anzumerken ist allerdings, dass es sich angesichts der Verkaufssummen
weniger um Verkaeufe im engeren Sinn als vielmehr um Waldgeschenke handelt.
Erst im Vorjahr wurden ueber 9 Hektar in der Naehe der Mauerbachstrasse zu
einem Quadratmeterpreis von nicht einmal 3 veraeussert, obwohl in Wien
ansonsten mindestens ein Hundertfaches fuer den Quadratmeter einer Parzelle
in guter Lage zu bezahlen ist. Abgesehen aber vom finanziellen Verlust gehen
vor allem unschaetzbare oekologische und kulturelle Vermoegenswerte
verloren.

Populistisch laesst sich also resuemieren, dass anstatt die ausgedehnten
Freiraeume im Wald- und Wiesenguertel Wiens zu sichern, gut an den
oeffentlichen Verkehr anzubinden, sie hinsichtlich der Flaechenwidmung
ausreichend zu schuetzen, seitens der Stadtverwaltung die Faszination von
Moos in Asphaltrissen, Grasbuescheln auf Strassenbahntrassen, Disteln
unterhalb den Fensterbaenken von Abbruchhaeusern beschworen wird.
*Roman Gutsch*



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