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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Oktober 2003; 17:39
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Law & Order:

> Die Ehre der Gruenen

Die Donaustaedter Bezirksvertretung als Versuchsstation gruenen Mitregierens

In Radio Wien wars zu hoeren, in der Kronen Zeitung wars zu lesen: Die
Donaustaedter Bezirksvertretung haette einstimmig in der
Bezirksvertretungssitzung, am Donnerstag, 25.09.2003, zwei Antraege
beschlossen, worin mehr Polizei und Video-Ueberwachungen gegen Drogendealer
bei der U-Bahnstation Donauinsel gefordert worden waeren. So kam es bei den
Medienkonsumenten an. Das hiesse, die Gruenen haetten zugestimmt.

Das kann doch nicht wahr sein. Tatsaechlich gab es zwei Antraege an die
Bezirksvertretung: Einen der SPOe, die mehr Polizei und Ueberwachung
wuenschte, dabei aber nicht explizit auf die Drogenproblematik einging, und
einen der FPOe, worin Videoueberwachung zur "Eindaemmung des
Suchtgifthandels" gefordert wurde.

Die Gruenen haetten dabei natuerlich nicht zustimmen koennen, denn immerhin
gilt es zumindest in der Wiener Partei als Konsens, dass man auf Praevention
setzt und auch ueber die Freigabe nachdenken muesste.

Die Realitaet sieht anders aus: Die Donaustaedter Gruenen haben zugestimmt.

Und das unter recht seltsamen Umstaenden. In der Donaustadt gibt es naemlich
eine recht freizuegige Auslegung des §20 Abs.6 der Geschaeftsordnung der
Wiener Bezirksvertretungen, der da lautet: "Hat sich zu einem Gegenstand
niemand zum Wort gemeldet und verlangt kein Mitglied der Bezirksvertretung
die Abstimmung, kann der Vorsitzende nach dem Vortrag des Berichterstatters
die gestellten Antraege mit den Worten, dass keine Einwendung erhoben wurde,
als angenommen erklaeren." Praktisch spielt sich das nach
Augenzeugenberichten so ab: In der vorangehenden Praesidiale machen die
Klubobleute die Angelegenheiten unter sich aus und erklaeren dann ohne
weitere Debatte den versammelten Mitgliedern der Bezirksvertretung, was
diese beschlossen habe. Wenn sich dann noch jemand zu Wort melden wollte,
ist man schon beim naechsten Tagesordnungspunkt. Vielleicht ein knappes
Dutzend Antraege werden damit jedesmal ganz flott im Block erledigt, ohne
dass man sich gross streiten muss. Eine sehr effiziente Art,
Bezirksvertretungssitzungen zu vollziehen, in der Tat. Und die Gruenen, eine
Partei mit ausgepraegtem Harmoniebeduerfnis, wollen dabei natuerlich nicht
hinderlich sein.

Nur gibts da halt auch Schoenheitsfehler. Zum Beispiel koennte es doch auch
der Fall sein, dass einzelne Klubmitglieder nicht der Meinung ihrer
Chefitaeten sind. Weiters sind nicht alle BV-Mitglieder in einem Klub -- in
der Donaustadt sitzen eine "wilde" gruene Bezirksraetin und ein einzelner
Vertreter des LiF. Beide haben kein Mitspracherecht in der Praesidiale, aber
auch sie hatten nach Diktum der Ober-Bezirksraete und -raetinnen wie so oft
schon offiziell dem Antrag zugestimmt. Waere im Plenum laut und deutlich
gefragt worden, ob denn auch wirklich alle einverstanden waeren, haette sich
vielleicht eine Debatte entsponnen und sowas ist ja wirklich unschoen.

Und genau das war es, was auch die Gruenen nach eigener Aussage verhindern
wollten: "Waere der Antrag auf Ueberpruefung ins Plenum gekommen, waere
dahingehend eine Abaenderung zu befuerchten gewesen, dass keine
Ueberpruefung, sondern eine Installierung von Videokameras verlangt worden
waere. Mit den Stimmen der SPOe waere eine Annahme gegeben gewesen, ohne
dass wir mit gesicherten Unterlagen mediale Oeffentlichkeit erreichen
haetten koennen." So die Gruene Klubobfrau Eva Hauk in einer Stellungnahme
gegenueber der akin.

Einmal abgesehen davon, dass der Bezirk wohl kaum selbst die Ueberwachung
haette durchfuehren koennen und es daher ziemlich egal gewesen waere, ob die
SPOe nur die Ueberpruefung einer Installationsmoeglichkeit oder eben die
Montage von Kameras gefordert haette, ist der angeblich damit zu vermeidende
Schaden prompt eingetreten -- dank dieses Beschlusses ist der Druck auf die
Stadt Wien, aber vor allem auf die dabei massgeblich relevanten
Polizeibehoerden, doch endlich mit der Ueberwachung zu beginnen, enorm
gewachsen. In Zeiten, wo die Stadt-SPOe mehr Polizei von Innenminister
Strasser moechte, Strasser darauf in Aussendungen verlautbaren laesst, sich
persoenlich fuer mehr Polizei zur Dealerjagd in Wien einzusetzen und die
FPOe eine eigene staedtische Sicherheitswache fordert, ist das sicher ein
fuer diese Law & Order-Kreise willkommenes Geschenk, dass jetzt sogar die
Gruenen ins selbe Horn stossen.

Aus lauter Feigheit kriechen die Gruenen in den Arsch der autoritaeren
Kraefte dieses Landes. Waere das nur im 22. Wiener Gemeindebezirk so,
koennte man die Sache als Ausrutscher eines naiven Grueppchens in einer
unmassgeblichen Gebietskoerperschaft abtun. Aber so ist es nunmal nicht:
Nicht erst seit den Verhandlungen mit der OeVP ist bei den Gruenen die
Tendenz zu Opportunismus und autoritaerem Politikverstaendnis zu verorten,
sondern die Entwicklung dieser Verhaltensweise kann man leider schon lange
beobachten -- die Wahl von umfragegetesten Nationalrats-Spitzenkandidaten
mit ueber 90% Zustimmung ist ja mittlerweile auch in dieser Partei ueblich,
die einmal eine "andere" Partei sein wollte.

Heute ist es den Gruenen wichtiger, mitverhandeln, ja sogar mitregieren zu
duerfen! Okay, sie werden dabei ueber den Tisch gezogen, aber immerhin hat
man sie ernst genommen. Und ein paar Beistriche hat man im Beschluss anders
setzen koennen. Ist doch auch schon was!

Kurt Tucholsky hat einmal geschrieben, es waere die Ehre der
Sozialdemokraten, "Schlimmeres verhuetet zu haben". Er hat die Gruenen nicht
gekannt.
*Bernhard Redl*



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