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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Oktober 2003; 17:35
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Asyl/Recht:
> NGO-Hilfe sorgt fuer Betreuungsentzug
Eine eigenartige Interpretation des OGH-Urteils bringt wieder mehr
Obdachlosigkeit von Fluechtlingen
"Wir sind fassungslos", beschreibt Herbert Langthaler, Vorstandsmitglied der
asylkoordination Oesterreich, die Stimmungslage der NGOs, nachdem ein
Gesetzesabaenderungsantrag der Abgeordneten Koessl und Partik-Pablé bekannt
wurde. "Es steht zu befuerchten, dass im kommenden Winter die ersten
Fluechtlinge in Oesterreich erfrieren werden."
In dem Antrag, der morgen Dienstag im Parlament eingebracht werden wird,
erfolgt eine sogenannte "authentische Interpretation" des
Bundesbetreuungsgesetzes, die den bisherigen Zustand, dass zwei Drittel der
AsylwerberInnen von Obdachlosigkeit betroffen sind, gesetzeskonform machen
soll.
Die Regierungsparteien reagieren damit auf die juengsten Urteile des
Obersten Gerichtshofes (24.2.2003 und 27.8.2003), der die Einschraenkungen
im Zugang zur Bundesbetreuung fuer hilfsbeduerftige AsylwerberInnen als
rechtswidrig erkannte. Das neue Gesetz will nun, wie es heisst, "dem wahren
Willen des historischen Gesetzgebers" zum Durchbruch verhelfen, OGH-Urteil
hin, EU-Richtlinie her.
Wer obdachlosen AsylwerberInnen in Zukunft hilft, indem er sie beherbergt
und versorgt, nimmt ihnen die Chance auf Bundesbetreuung. "Zuwendungen, die
von dritter Seite, etwa von karitativen Organisationen oder anderen
Gebietskoerperschaften, erbracht werden, sind bei der Beurteilung der
Hilfsbeduerftigkeit mit zu beruecksichtigen", heisst es im
Abaenderungsantrag.
"Das ist der Gipfel des Zynismus," aergert sich Langthaler. "Da beisst sich
die Katze in den Schwanz: zu den Hilfsorganisationen kommt, wer nicht in die
Bundesbetreuung aufgenommen wird. Gewaehren die NGOs diese Hilfe, ist der
Fluechtling nicht mehr hilfsbeduerftig. Die NGOs koennen doch nicht die
Fluechtlinge auf der Strasse sitzen lassen, bis sie vor Entkraeftung
umfallen."
Das Innenministerium wurde in den letzten Tagen immer heftiger kritisiert,
weil trotz der Urteile des OGH hunderte AsylwerberInnen nicht in
Bundesbetreuung aufgenommen wurden. Erst am Montag hat die Caritas in
letzter Verzweiflung zum Mittel des Kirchenasyls gegriffen und 60
Fluechtlinge in einer Wiener Kirche untergebracht.
Die NGOs reichten in den letzten Wochen auch etliche Klagen gegen das
Innenministerium ein, die zu einer Refundierung der durch die Betreuung
anfallenden Kosten fuehren sollten.
Diese sollen mit dem neuen Gesetz chancenlos werden. Und zwar mit einer
besonders gefinkelten Rechtskonstruktion: da das neue Gesetz lediglich als
"authentische Interpretation" anzusehen sei, waere es auch moeglich, dass
die neue Regelung "auch fuer die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses
Bundesgesetzes Verbindlichkeit beanspruchen" kann und sich vor allem auf die
laufenden Verfahren auswirken wird.
Dass eine solche Vorgehensweise nicht besonders foerderlich fuer das
Vertrauen der BuergerInnen in den real existierenden Rechtsstaat ist, sehen
auch die VerfasserInnen des Aenderungsantrages, wenn sie in den
Erlaeuterungen schreiben: "Dass mit einer derartigen "Rueckwirkung" der von
diesem Bundesgesetz verfuegten Klarstellungen bestimmte
Vertrauensenttaeuschungen verbunden sein koennen, wird nicht verkannt. Doch
muss dieser Umstand gegenueber den gerechtfertigten Interessen des
Gesetzgebers, seinen urspruenglichen Regelungsintentionen gegenueber Akten
der Rechtsanwendung, die sich zu diesen in Widerspruch setzen, zum
Durchbruch zu verhelfen, zuruecktreten."
Die Aenderungen zum urspruenglichen Gesetzesentwurf, die nach vehementen
Protesten von UNHCR und der NGOs vorgenommen wurden, bezeichnet Langthaler
als "reine Augenauswischerei". Er erwarte, dass das neue Asylgesetz bei der
ersten Pruefung durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben werde. "Auch
wenn die Regierung alle rechtsstaatlichen Prinzipien mit Fuessen tritt,
muessen sich die Herrschaften immer noch an die Verfassung halten."
(Aussendung asylkoordination)
*
Anm.: Zum Zeitpunkt dieser akin-Aussendung ist die Debatte im Nationalrat
bereits im vollem Gange, inwiefern dieser Antrag daher noch relevant ist,
ist für uns nicht absehbar.
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