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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. September 2003; 05:51
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Uganda/Leserbrief:

> Masslose Uebertreibung

Zu: "Nach Idi Amin" von Michael Stadler, VIDC (akin 20/03, akin-pd 9.9.2003)

Da ich jetzt in Pension bin, habe ich auch Zeit Leserbriefe zu schreiben.
Zudem werde ich im Beitrag als OeFSE-Quelle bei der Zeittafel* auch
namentlich erwaehnt. Ich versuche eine kurze Gegendarstellung zu der, meiner
Meinung nach, extrem einseitigen Darstellung zu geben.

Um es kurz zu machen: Michael Stadler ist einer der wichtigsten Vertreter
der Uganda-Lobby in Oesterreich, die einerseits die negative Rolle Obotes
und andererseits die positive Rolle Musevenis masslos uebertreibt.

Museveni, durch einen fuenf-jaehrigen Busch- bzw. Buergerkrieg 1986 an die
Macht gekommen und spaeter durch Wahlen legitimiert, ist zweifelsohne einer
der begabtesten und intelligentesten aktuellen Staatsmaenner Afrikas, der
Uganda zu einem afrikanischen Erfolgsmodell gefuehrt hat - allerdings mit
massiver Entwicklungshilfe der westlichen Geber. Doch sollte auch auf die
negative Seite Musevenis verwiesen werden. Der ehemalige "Linke" absolvierte
in Tansania die Universitaet, holte sich seine ersten Kampferfahrungen bei
der FRELIMO im Befreiungskampf Mosambiks, war schliesslich an der
bewaffneten Vertreibung Idi Amins 1979 massgeblich beteiligt, war kurz
Verteidigungsminister, fiel jedoch bei den "getricksten" Wahlen 1980 (aber
welche Wahlen in Afrika und anderswo sind wirklich fair - vgl. das Spektakel
der letzten USA-Wahlen?) komplett durch. Obote hingegen, der die Wahlen
gewann, was auch von der "internationalen Gemeinschaft" bestaetigt wurde,
hatte als "gemaessigter" Sozialist, der sich jedoch auch den
Weltbankrezepten unterwarf, im Westen ganz guten Kredit.

Und jetzt beginnt meiner Meinung nach die verhaengnisvolle Rolle Musevenis.
Statt eine "demokratische" Oppositionsrolle einzunehmen (vgl. Praesident A.
Wade im Senegal, der erst beim fuenften Mal Praesident wurde) und am
Wiederaufbau Ugandas mitzuarbeiten, ging er 1981 in den Untergrund und
begann mit den "glorreichen 26 Intellektuellen" einen fuenfjaehrigen
Buschkrieg (bei M. Stadler heisst das: "er ging in den Widerstand" - von
Bewaffnung und Buschkrieg ist da keine Rede). Welche "gewaehlte" Regierung
geht nicht mit dem Militaer gegen "Rebellen und Terroristen" sowie die
Zivilbevoelkerung, in der sie sich verstecken, vor? Deshalb ist es eine
verkuerzte Darstellung, die Toten (1 Million?) dieser Periode "nur" Obote
anzulasten - gegen den der Schlaechter Idi Amin als kleiner Amoklaeufer
dargestellt wird.

1986 kam Museveni an die Macht - doch sein schlechtes Beispiel fuer Afrika,
sich nicht als Putschist mit ein paar toten Militaers sondern als "warlord"
mit hunderttausenden Toten die Macht zu erkaempfen, hat leider Schule
gemacht. So war und ist Museveni direkt in blutige Auseinandersetzungen in
den Nachbarlaendern Ugandas involviert. Das beginnt mit dem Buergerkrieg im
Sudan auf Seiten John Garangs (und dieser Bursche ist eher vom Kaliber
Savimbis); geht weiter mit dem Guerillakrieg in Ruanda zwischen 1990-1994,
bei dem ein Teil der ugandischen Armee, die aus Exilruandesen bestand, in
Ruanda einfiel, dort Chaos erzeugte und den Hass zwischen Hutu und Tutsi neu
entfachte, was schliesslich 1994 nach dem Flugzeugabschuss und Tod
Praesident Habyarimanas zum Genozid der Hutu an den Tutsi und gemaessigten
Hutu fuehrte (alles in allem 1 bis 2 Millionen Tote); geht weiter mit der
Unterstuetzung Kabilas 1996/97 durch ugandische, ruandische und burundische
Militaers; sowie dem Buergerkrieg im Osten des Kongo seit 1998 (2 bis 4
Millionen Tote), wobei sich Uganda und Ruanda schamlos an der Ausbeutung der
Rohstoffe des Kongo bereichern.

Fuer mich ist das leider die Kehrseite des "Erfolgsmodells Uganda", das
durch den Schwenk Musevenis vom Marxismus zur Marktwirtschaft und zum treuen
Vasallen des Westens (v.a. USA und Grossbritannien) im Kampf um Rohstoffe
(Kongo), zum Zurueckdraengen des islamistischen (Sudan) und des
franzoesischen Einflusses (Ruanda, Kongo) mit Entwicklungshilfegeldern,
Krediten, Entschuldungen, etc. ueberhaeuft wurde und wird.

Dass Oesterreich auch zu diesen Foerderern gehoert - Uganda erhielt in
manchen Jahren 1/5 der Oesterreichischen Programm- und Projekthilfe - ist
eher eine beschaemende Angelegenheit und heute wuerde ein Treffen in
Unterolberndorf eher unter Terrorismus zaehlen. (vgl. Stadlerartikel).

P.S.: Auf der OeFSE-Homepage: http://www.oefse.at koennen Laenderberichte zu
den Schwerpunktlaendern der oesterreichischen EZA abgerufen werden
(Nikaragua, Aethiopien, Burkina Faso, Kap Verde, Mosambik, Ruanda, Uganda,
Bhutan)
*Richard Langthaler*

R.L. war frueher Afrikareferent der OeFSE

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* Anm: Die erwaehnte Zeittafel war aus Platzgruenden nicht in der
Druckausgabe, sondern nur in der Mail- und der Selbstdruckausgabe zu lesen.



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