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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. September 2003; 06:00
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Sozial/Kommentar:

> Atemlos

Bei dem Umgang, den die Verantwortlichen mit dem derzeitigen Skandal im
Pflegeheim pflegen, geht mir schlicht die Luft aus.

Dass die Situation in Pflegeheimen weit vom Ideal entfernt ist weiss (fast)
jede/r. Dass sich daran in den letzten Jahren kaum etwas veraendert hat,
auch. Ich kenne niemanden, der in ein Pflegeheim will, wenn es einmal noetig
waere. Pflegeheime sind Orte die in den meisten Faellen von den Betroffenen
nicht mehr lebend verlassen werden koennen. Sie sollten Orte zum Leben sein.
Neben baulichen Gegebenheiten (alte Substanz) und schlichter Ignoranz
gegenueber menschlichen Lebensbeduerfnissen (noch immer werden in
Pflegeheimen ueberwiegend Mehrbettzimmer geplant, jeder Furz bleibt
kommentierbar fuer andere), ist der Personalmangel die Hauptursache fuer
Uebelstaende.

Pflegeheime bringen nun einmal kein Geld, sie kosten viel und das Personal
ist dabei der groesste Posten. Fuer eine "wirtschaftliche" Fuehrung heisst
das, gerade da zu sparen.

Nachdem der Krankenanstaltenverbund vor einigen Jahren den
Personalschluessel neu festgelegt, ihn natuerlich heruntergeschraubt hat,
gab es ploetzlich "genuegend" Pflegepersonal in Wien (Schulen wurden
gesperrt, Ausbildungsplaetze reduziert).

Grad die Pflegeheime waren damals nicht ungluecklich ueber die
Neuberechnung, waren sie doch diejenigen, die dabei etwas dazubekommen
haben. Was nichts daran aendert, dass der Personalschluessel fuer
Pflegeheime (wo schon per Definition sehr pflegebeduerftige Menschen leben)
weit unter dem fuer Akutspitaeler liegt. Nur: sie bekamen nicht das noetige
Personal dazu. Dann kamen neue Sparmassnahmen auf die Haeuser zu: die
Budgets wurden ihnen uebergeben und gedeckelt, oft unter dem
Vorjahresbudget. Keine Reserven mehr - neuerliche Einsparungen waren noetig.

Auch die Neufassung des Krankenpflegegesetzes war ein Kompromiss zugunsten
der Finanzen. Ein Modulsystem mit Durchlaessigkeit und Maturawertigkeit, wie
es damals schon ausgearbeitet war, haette zu viel gekostet. Der Beruf der
PflegehelferIn wurde geschaffen, eine kuerzere Ausbildung, weniger Gehalt,
einige Luecken gefuellt. Aber nicht fuer lange. Es kam, wie es kommen
musste - das Personal wurde wieder - diesmal auch nach den neuen
Berechnungen - knapp. Der Arbeitsaufwand und die Ansprueche stiegen
unaufhaltsam. Das Personal blieb - bestenfalls - gleich. Die
Arbeitsbedingungen verschlechterten sich dramatisch. Ueberstunden wurden
wieder zur Regel, Zeitausgleich zur Illusion.

Fuer die Pflegeberufe gilt: wenig Anerkennung, schlechte Bezahlung, kaum
Supervision, keine Moeglichkeiten des Wechsels in einen anderen Bereich,
dafuer zu viel Arbeit und fast immer ein schlechtes Gewissen. Es muss doch
irgendwann einmal deutlich gesagt werden: gespart wurde und wird vor allem
auf Kosten der Pflegenden.

Und wieder waren es grad die Pflegeheime, die das am staerksten zu spueren
bekamen. Es gibt ganz einfach viel zu wenig Personal. Und die Wenigen
arbeiten mehr als ihnen gut tut. Einige brennen aus.

Aus welchen Gruenden auch immer der Kontrollbericht vom Juli jetzt an die
Oeffentlichkeit gelangte - er zeigt den Alltag. Den Alltag aller
Betroffenen. Und der Aufschrei erklingt zu Recht.

Wenn ich Dr. Hauke sagen hoere, dass das Personal effizienter eingesetzt
gehoert, geht mir sogar als gelernter Wienerin das Geimpfte auf. Und wenn
Frau Dr. Pittermann sagt, dass es keinen Personalmangel gibt, dann sollte
sie wirklich zuruecktreten, weil so ahnungslos darf eine Ressortchefin nicht
sein.

Vermehrte Kontrollen, rechtlich zur Verantwortung ziehen - ja bitte. Wer
zulaesst, dass zwei Pflegende fuer vierzig Pfleglinge im Dienst sind,
gehoert wirklich zur Verantwortung gezogen.
*Lisa Langbein*


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