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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 16. September 2003; 06:07
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Kommunal:
> Gender City
Stadtplanung ist Gesellschaftspolitik. Vom 13. September bis 8. Oktober kann
man/frau in der Wiener Planungswerkstatt spielerisch erfahren, dass
staedtebauliche Wuensche ein Geschlecht haben.
Das Staedtische, das Urbane ist die raeumliche Verdichtung
gesellschaftlicher Widersprueche. Folglich ist der staedtische Raum kein
offener, neutraler Ort, sondern ein durch den spezifischen Ausschluss
bestimmter Gruppen gepraegter. Stadtraeume spiegeln aber nicht nur die
gesellschaftlichen Macht- und Kraefteverhaeltnisse wieder, sie reproduzieren
sie auch, weil staedtebauliche Strukturen Identitaetsvorgaben fuer die
StadtbewohnerInnen sind. Indem sie den Alltag von Frauen und Maennern, von
im Wohlstrand lebenden und von Armut bedrohten Menschen unterschiedlich
bestimmen, definieren sie zu einem Gutteil, was es heisst, Frau oder Mann,
reich oder arm zu sein. Somit wohnt der in Beton zementierten Herrschaft,
den Gebaeuden, deren Funktion und deren Verhaeltnis zu den sie umgebenden
Plaetzen und Strassen, ein Traegheitsmoment inne.
Dennoch unterliegt die Stadt einer permanenten Umwertung, da die soziale und
geschlechtliche Segregation, die unterschiedlichen Zugangsbarrieren und
Nutzungsqualitaeten das Ergebnis sozialer Prozesse und Kaempfe sind.
Stadtplanung ist aus dieser Perspektive nicht laenger die wertfreie Loesung
anstehender und zu erwartender Probleme technischer Natur, sondern
Gesellschaftspolitik.
Feministische Stadtforschung und Stadtplanung, die lange Zeit in der von
Maennern dominierten Planungspraxis ignoriert wurde, hat die raeumliche
Benachteiligung von Frauen, die fehlende Chancengleichheit aufgrund der auf
maennliche Beduerfnisse zugeschnittenen Planungsrichtlinien ins Bewusstsein
gerueckt. So wurde die Funktionstrennung zwischen Kernstadt und Stadtrand,
die raeumliche Trennung von Erwerbsarbeit und Hausarbeit, der oeffentlichen
und privaten Sphaere thematisiert, wie sie etwa idealtypisch gegenstaendlich
wurde in den Wohnsilos der Trabantensiedlungen der 70er Jahre, die, obwohl
Frauen dort den ganzen Tag schufteten, als Schlafstaedte bezeichnet wurden.
Die in solchen Wohngebieten fuer die von der Arbeit heimkehrenden
Familienvaeter gebauten gigantischen Parkplaetze einerseits und die enormen
Ausstattungsdefizite hinsichtlich der Wohnfolgeeinrichtungen sowie das
gaenzliche Fehlen von Freiraeumen fuer Frauen und Maedchen andererseits, die
den nach Entspannung suchenden Familienernaehrern zugedachten riesigen
Wohnzimmer einerseits und die unter Nebenraum rubrizierten abgeschotteten
Kuechen andererseits waren und sind Ausdruck dafuer, dass bauliche Wuensche
ein Geschlecht haben und gleichstellungsorientierte Architektur und
Stadtplanung juengeren Datums ist.
Auch die Stadt Wien integrierte die Genderperspektive in die Stadtpolitik
erst vor wenigen Jahren. Im Jahr 2000 verabschiedeten Strategieplan fuer
Wien, der vom Ansatz her ueber einen Stadtentwicklungsplan hinausgeht, wurde
fuer alle kommunalen Politikfelder die Beruecksichtigung
geschlechtsspezifischer Betroffenheiten festgeschrieben, waehrend die direkt
bei der Stadtbaudirektion angesiedelte Leitstelle fuer frauen- und
alltagsgerechtes Planen seit 1998 fuer die Durchsetzung von Frauen- und
Maedcheninteressen im technisch-planerischen Bereich arbeitet.
Die erwaehnte Leitstelle ist neben dem Frauenbuero und der
Magistratsabteilung fuer Stadtentwicklung und Stadtplanung nun
Projektpartnerin in einem Planspiel mit dem Titel "Gender City". Jeweils an
einem ganzen Tag koennen die TeilnehmerInnen, die keine Vorkenntnisse
mitbringen muessen, "die Bedeutung von Gender Mainstreaming kennen lernen
und neue Erkenntnisse gewinnen, wie Stadtplanung aus der Sicht von Frauen
bzw. von Maennern sein soll."
Konzipiert wurde das Planspiel von einem in der geschlechtssensiblen
Freiraumgestaltung und in der feministischen Maedchenarbeit taetigen Buero
fuer Landschaftsplanung namens Tilia, das u.a. in Wien das Pilotprojekt
"Maedchengarten", wo Maedchen auf einem Grundstueck der Szene Wien frei vom
patriarchalen Blick eigene Raum- und Bewegungserfahrungen sammeln koennen,
umsetzt. Womit von Tilia ein wesentliches Prinzip frauengerechter
Raumplanung eingeloest wird: die Forderung nach baulich-raeumlicher
Autonomie. Denn aus emanzipatorischer Sicht es ist voellig unzureichend, die
staedtebaulichen Wuensche, die durch die Zuschreibungen des Patriarchat
entstehen, einfach zu bedienen. *Roman Gutsch*
Ort: Wiener Planungswerkstatt, Friedrich-Schmidt-Platz 9, 1082 Wien, von
9:00 bis 17:00 Uhr. Terminauskunft und Voranmeldung: Barbara Rainer, e-mail:
bcrainer@aon.at, Telefon: 0676-5726675.
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