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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. September 2003; 15:32
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WTO:

> Die Kommerzialisierung des Wissens

Was ist TRIPS und worum geht dabei es in Cancún?

In unserer Gesellschaft wird Wissen zu einem immer wichtigeren
Produktionsfaktor. Mit dieser zunehmenden Bedeutung stellt sich die Frage,
wie die Entwicklung und Entdeckung neuen Wissens staerker gefoerdert werden
kann. Die neoliberale Antwort - auch mit dem Ziel, moeglichst viel Profit
aus dem Wissen zu schlagen - ist die Staerkung geistiger Eigentumsrechte.
Darunter fallen z.B. Patente, das Urheberrecht, Markenrechte, geografische
Herkunftsbezeichnungen oder auch Sortenschutzrechte fuer Pflanzen.

Seit Gruendung der WTO 1995 muessen alle Mitgliedstaaten ein internationales
Abkommen ueber geistiges Eigentum ratifizieren, das sogenannte
TRIPS-Abkommen (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights).

In diesem sind Mindeststandards fuer den Schutz geistiger Eigentumsrechte
festgelegt, die weit ueber das hinausgehen, was in den meisten
Entwicklungslaendern vor diesem Abkommen ueblich war. Waehrend der
WTO-Ministerkonferenz dieser Tage im mexikanischen Cancún werden die
Mitglieder der WTO das TRIPS-Abkommen weiterverhandeln. Dabei geht es
einerseits darum, den Schutz geistiger Eigentumsrechte in bestimmten
Bereichen auszuweiten, waehrend auf der anderen Seite die Laender des
Suedens eine Schwaechung des Abkommens fordern. So fordern sie z.B., dass
Patente auf lebende Organismen, die das TRIPS erlaubt, verboten werden.
Ueber all diesen Diskussionen schwebt der Streit ueber den Zugang von armen
Laendern zu billigen Medikamenten, der durch das TRIPS-Abkommen behindert
wird. Ohne eine Einigung in dieser Frage in Cancún werden
Entwicklungslaender wohl kaum zu Zugestaendnissen in anderen
Verhandlungsbereichen bereit sein.

Der starke Patentschutz hat in Entwicklungslaendern fatale Folgen. Das wird
am deutlichsten bei der Produktion von Medikamenten, denn patentierte
Medikamente sind so teuer, dass viele Menschen von ihrer Nutzung
ausgeschlossen sind. Das TRIPS-Abkommen bietet zwar die Moeglichkeit, unter
bestimmten Bedingungen billige Nachahmerprodukte (Generika) herstellen zu
koennen. Im Moment wird aber darueber gestritten, wann Laender ohne eigene
Pharmaindustrie, wie z.B. Ruanda, solche Generika einfuehren duerfen. Hier
setzen sich die USA und die Schweiz dafuer ein, dieses Recht auf Epidemien
wie AIDS, Malaria etc. zu beschraenken. Das wuerde Entwicklungslaendern die
Moeglichkeit nehmen, ihre Bevoelkerung mit Medikamenten gegen andere
Krankheiten zu versorgen, wie z.B. Diabetes, Bluthochdruck oder
Lungenentzuendung - alles Krankheiten, an denen zahlreiche Menschen in den
Laendern des Suedens sterben.

Auch Landwirte sind vom TRIPS-Abkommen betroffen: patentiertes Saatgut wird
immer teurer und fuer den Nachbau, die Aussaat von Reserven der letzten
Ernte, muessen sie ebenfalls Lizenzgebuehren zahlen. Derzeit muss sich der
kanadische Landwirt Percy Schmeiser vor Gericht verantworten, da auf seinem
Feld patentiertes Saatgut des US Konzerns Monsanto gefunden wurde, fuer das
er keine Lizenzgebuehren entrichtet hatte. Die Samen wurden durchWind von
benachbarten Feldern auf seines geweht. Ausserdem erschwert das
TRIPS-Abkommen den Technologietransfer in den Sueden, was dort
Entwicklungsprozesse erheblich behindern kann. Fuer viele heutige
Industrielaender war die Nachahmung technischer Produkte ein wichtiges
Mittel, um technologischen Rueckstand aufzuholen. Weder Japan und Korea noch
Westeuropa und die USA haetten ihren derzeitigen Wissens- und
Technologiestand unter den heutigen Patentschutz-Bedingungen erreichen
koennen.

Die Zulaessigkeit von Patenten auf lebende Organismen im TRIPS foerdert
zudem das Phaenomen der "Biopiraterie": Konzerne lassen sich genetische
Ressourcen und traditionelles Wissen patentieren, die im Sueden seit
Jahrhunderten genutzt werden und erheben darauf Lizenzgebuehren. So halten
inzwischen westliche Multis Patente auf Basmati-Reis.

*

Kasten:

Beispiel Neem-Baum

Der Neem-Baum waechst in Indien. Seine Rinde, Blaetter, Fruechte und Blueten
werden zur Herstellung von Heilmitteln und Biopestiziden verwendet. Die
medizinischen Eigenschaften sind seit ueber 2000 Jahren bekannt und in alten
medizinischen Schriften Indiens ausfuehrlich beschrieben. Der Neem- Baum hat
vielfaeltigeWirkungen, u.a. gegen Entzuendungen, Fieber, Durchfall,
Hauterkrankungen, Wuermer und zurWunddesinfektion und Zahnpflege. Insgesamt
sind ueber 20 Anwendungen beschrieben. Weltweit wurden inzwischen von
amerikanischen, japanischen und europaeischen Firmen etwa 90 Patente auf
Wirkeigenschaften und Extraktionsverfahren des Neem-Baums eingereicht. Als
Konsequenz stiegen z.B. in Pakistan die Preise fuer Neem um 20%. Eine
aehnliche Situation entstand in Indien, als eine Firma eine Fabrik bauen
liess, die pro Tag 20 Tonnen Neem-Fruechte verarbeiten kann. Nahezu alle
Fruechte, die zuvor kostenlos zur Verfuegung standen, werden jetzt von
dieser Fabrik gekauft, wodurch der Preis fuer Neem sprunghaft anstieg und
die Pflanze fuer einfache Leute unbezahlbar wurde. (ATTAC Deutschland)

Weitere Infos: http://www.attac.de/cancun



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