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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. September 2003; 16:39
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(K)Wahlen:
> Europaeischer Aufbruch von links?
In zehn Monaten - im Juni 2004 - werden 300 Millionen Wahlberechtigte in den
Mitgliedsstaaten der Europaeischen Union das EU-Parlament neu waehlen. Weder
in der Oeffentlichkeit noch im nationalen politischen Rahmen spielt diese
Wahl bisher eine grosse Rolle. Zum Zwecke einer fruehzeitigen Thematisierung
ob und wie sich die oesterreichische Linke daran beteiligen will, soll oder
kann, ein Text aus "die linke":
*
Allein am Beispiel der Auseinandersetzungen um die Regierungsplaene zur
Pcnsions,,reform" wurde deutlich, wie sehr die EU-Beschluesse die
Stossrichtung nationaler Politik vorgeben Der Gipfel von Barcelona 2002 hat
die koordinierende Rolle der EU auch in der Beschaeftigungs- und
Sozialpolitik gut sichtbar gemacht: In der Schlusserklaerung steht, dass das
Renteneintrittsalter um fuenf Jahre nach oben gesetzt und der Energiebereich
fuer den Wettbewerb geoeffnet werden soll. Wenn man alle Ankuendigungen
aneinanderreiht. versteht man, dass es sich hier um eine systematische
Demontage des Sozialstaats handelt. Demgegenueber ist es nicht gelungen, die
Kaempfe der Gewerkschaften zu koordinieren und den internationalen
Zusammenhang zu verdeutlichen.
Auf Parteienebene zeigt sich ebenfalls ein tiefgreifender Strukturwandel.
Die sozialdemokratischen Parteien stehen durchwegs fuer - bestenfalls sozial
abgefederte - neoliberale Projekte. Der Oekonom Michel Husson, Mitglied des
wissenschaftlichen Beirats von Attac Frankreich, schrieb dazu: "Was wirklich
frappiert, ist das Verschwinden einer sozialdemokratischen buergerlichen
Alternative in Europa; von ihr bleibt nur noch der rein funktionale
Regierungswechsel. Der einzige Ausweg, der dem Buergertum aus den
Widerspruechen, Maengeln und der fehlenden Legitimitaet der real
existierenden europaeischen Konstruktion bleibt, ist die ultraliberale
Radikalisierung."
Unter diesen Umstaenden fanden sich bereits im vergangenen Jahr einige
Parteien der radikalen Linken aus verschiedenen EU-Staaten zu einer
bemerkenswerten Initiative zusammen. Ziel ist es, die Spaltung der
antikapitalistischen Linken in Europa zu ueberwinden und als radikale
Alternative in einer gemeinsamen Plattform zu den Europawahlen 2004
anzutreten. Eine Perspektive, die auch Michel Husson als einzige
Moeglichkeit in Europa sieht: "Unter diesen Bedingungen ist allein eine
radikale Option in der Lage, eine wirkliche Alternative zu schaffen; sie hat
als ihren Ausgangspunkt den Widerstand gegen die liberale Offensive zu
nehmen."
Bei der letzten Konferenz in Athen deutete bereits die grosse Teilnahme auf
einein beachtlichen Schritt hin. Folgende Mitgliedsorganisationen der
Europaeischen Antikapitalistischen Linken waren vertreten: Enhedslisten de
RodGrone (Daenemark), Socialist Alliance, Socialist Workers Party (England),
Scottish Socialist Party,(Schottland) Ligue Communiste Révolutionnaire
(Frankreich) Bloco de Esquerda (Portugal), Espacio Alternativo (Spanischer
Staat), Partito della Rifondazione Comunista (Italien), Solidarités
(Schweiz), OeDP (Tuerkei). Als BeobachterInnen nahmen teil: Socialist Party
(Irland), Socialist Party (England); als Gaeste waren vertreten: Synaspismos
(Griechenland), Esquerra Unida i Alternativa (Katalonien), DKP
(Deutschland).
Die Konferenz befasste sich vor allem mit der politischen Frage nach dem
Krieg und den Europawahlen im Juni 2004.
Die Europaeische Antikapitalistische Linke (EAL) hat bekraeftigt, dass sie
in vollstaendiger Opposition zu der prokapitalistischen und
proimperialistischen Orientierung der reaktionaeren und sozialdemokratischen
Parteien steht. Die Athener Konferenz hat beschlossen, dass die
0rganisationen der EAL bei den kommenden Mobilisierungen und den Wahlen zum
Europaparlament im Juni 2004 ueberall mit einer gemeinsamen politischen
Plattform und einem gemeinsamen Profil praesent sein werden. Wo dies
moeglich ist, werden sie versuchen, Buendnisse oder Wahlblocks zu bilden, um
der neoliberalen Politik und all den Parteien, die daluer eintreten, eine
Niederlage zu bereiten.
Auf ihrer naechsten Konferenz will die EAL ein "Europa-Manifest"
veroeffentlichen. Dies soll im November in Frankreich geschehen. Die EAL
unterstuetzt den Vorschlag fuer einen grossen Gegenkonvent der Linken, der
anlaesslich der Regierungskonferenz der Europaeischen Union vom Dezember
2003 in Italien stattfinden soll.
Seit Mai bemuehen sich auch in Deutschland, wo die radikale Linke eine
aehnlich untergeordnete Rolle spielt wie in Oesterreich, verschiedene
Organisationen um eine Verstaendigung darueber, ob sie gemeinsam in der EAL
eine Rolle spielen koennen. Zu diesen Gruppen gehoert neben der isl (Sektion
der 4. Internationale), dem.Linksruck (in Oesterreich
Linkswende) und einzelnen Attac-Mitgliedern auch die DKP, die sich in einem
Verein der Freundinnen und Freunde der Europaeischen Antikapitalistischen
Linken zusammenfanden. Noch wurde kein Konsens zu einem Antreten bei den
Europawahlen gefunden. Unter der Mehrheit der Teilnehmerinnen, aber auch
innerhalb der isl, die fuer eine gemeinsame Kandidatur eintritt, gibt es
unterschiedliche Bedenken:
"Die Diskussionspunkte sind einerseits die Frage nach einer Kandidatur links
von der PDS (die in Deutschland ebenfalls neoliberale Politik
mitverantwortet), andererseits misstrauen viele Linke sowohl der
wahlpolitischen Ebene ueberhaupt wie auch der 'parteifoermige' Formierung.
Andere verweisen darauf, dass eine linke Neuformierung von Bedeutung ohne
grosse Mobilisierungen der abhaengig Beschaeftigten und die Beteiligung
einer grossen Zahl von Aktiven aus Bewegungen kaum vorstellbhar ist. Doch
sollten diese Argumente nicht zur Passivitaet auf politischer Ebene fuehren.
Die Abwesenheit einer klar antikapitalistischen Alternative in der
oeffentlichen Wahrnehmung ist auch fuer die Entwicklung von Massenprotest
und fuer die Aussichten der Abwehrkaempfe gegen neoliberale Angriffe ein
Hemmschuh. Es bleibt also reichlich Diskussionsstoff, nicht nur um die
Inhalte, auch um die Vorgehensweise", berichtet Manuel Kellner von der isl.
In Oesterreich ist die Debatte noch unterentwickelt. Doch auch hier stellt
sich die Frage nach einer radikalen Alternative zur Sozialdemokratie. Die
Aufforderung zu einer offenen Debatte geht hier vor allem an die KPOe, die
an einigen Treffen der EAL bereits mit VertreterInnen anwesend war. Auch
Bemuehungen um eine gemeinsame Plattform zu den EU-Wahlen im Rahmen der EAL
koennte der KPOe aus der Isolierung und der radikalen Linken zu mehr
gesellschaftspolitischem Gewicht verhelfen.
*Boris Jezek (gekuerzt, aus "die linke", 30. August 2003)*
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