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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 2. September 2003; 16:41
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Reale/Utopien/Initiative/Termin:
> "Projekt Keimform"
Tauschkreise galten in der Linken eine Zeitlang als DER Ansatz zur Kritik
des Geldes. Doch die aenderten nichts grundlegend an den Prinzipien von Geld
(auch wenn es anders hiess), Eigentum an Produktionsmitteln und
Leistungsgessellschaft. Vielleicht sollte man doch zur radikalen Kritik der
Tauschwirtschaft zurueckkehren, dachten sich einige. Und so entstand in
einer fuer Visionen zustaendigen Arbeitsgruppe von ATTAC die Idee von etwas,
was man vielleicht einen Eben-nicht-Tauschkreis nennen koennte. Dazu
kursierten einige prinzipielle, durchaus widerspruechliche Texte im
Internet. Einer davon sei -- quasi exemplarisch und zum Anreissen einer
Debatte - hier gekuerzt zu Papier gebracht:
*
Das derzeit noch namenlose Projekt (Arbeitstitel: "Keimform einer
Emanzipatorischcn Bewegung") bewegt sich im Rahmen der Inhaltsgruppe
visionATTAC. Unsere grundlegende Ueberlegung ist, dass das kapitalistische
System as it is nicht dazu geeignet ist, allen Menschen ein gutes Leben und
einen nachhaltigen Umgang mit unser aller Ressourcen zu gewaehrleisten.
Bestimmte Faktoren sprechen dafuer, dass dieses Wirtschaftssystem derweil
sowieso dabei ist, an seinen eigenen Widerspruechcn zugrunde zu gehen,
anderes mag dafuer sprechen, dass es sich vielleicht noch einmal derrappelt.
Talsache ist jedoch, dass sich fuer den Grossteil der Menschen die
Lebensbedingungcn selbst hier in Oesterreich drastisch verschlechtern und
noch weiter verschlechtern werden.
Wir wollen das nicht laenger hinnehmen. Obwohl wir jede Art des
systemimmanenten sozialen Widerstandes auf gewerkschaftlicher oder sonstiger
zivilgesellschaftlicher Basis sehr willkommen heissen, moechten wir einen
Schritt darueber hinaus gehen und echte Alternativen zum derzeitigen Status
quo ausprobieren, vernetzen und verwirklichen.
Wer die Veraenderung der kapitalistischen Produktionsweise ernst nimmt und
staatliche Machtergreifung ablehnt, muss konkrete Schritte setzen.
Gesellschaftliche Transformation kann nicht von heute auf morgen passieren,
sondern braucht Zeit und Achtsamkeit, Versuch und Irrtum. Sicher wissen wir
derzeit nur, was wir nicht wollen:
Lohnarbeit, Geld, Ware und Tausch, also die Grundsaeulcn der
kapitalistischen Gesellschaft. Sie fuehren aus unserer Sicht zu Herrschaft,
Ausbeutung und Verelendung bzw. beruhen bereits darauf. Diese
Organisationsprinzipicn lehnen wir daher ab.
Wir moechten eine herrschaflsfreie Gesellschaft verwirklichen, die auf dem
weitestgehenden Konsens bei gleichzeitiger Freiheit aller Beteiligten zur
Formierung eigenstaendiger Projekte und Strukturen beruht, in der gemaess
der Beduerfnisse der Menschen und nicht nach dem abstrakten, sinnlosen
Rentabilitaetsprinzip produziert wird, und die fuer alle eine soziale
Absicherung bietet. Diese und aehnliche, miteinander vernetzte Keimformen
sollen als Ausgangspunkte und als Modelle fuer eine schliesslich
gesamtgesellschaftliche Emanzipation dienen.
Derzeit stehen wir am Beginn. Wir wollen damit anfangen, unsere eigenen
Lebensumstaende kollektiv zu veraendern. Unsere bisherigen Ueberlegungen
schliessen ein:
Gemeinschaftliche Produktion von Guetern und anschliessende tauschfreie
Verteilung
Zusammenlegung unserer materiellen und immateriellen Ressourcen (nein, ihr
muesst nicht alles Geld dem Guru abliefern und wir wollen uns auch nicht die
Unterhosen teilen. Bestimmte Ressourcen wie z.B. Autos, Werkzeuge und
Maschinen. Wissen etc. koennen aber auf freiwilliger Basis eingebracht und
gemeinsam genutzt werden)
Aneignung weiterer Ressourcen (materielle und immaterielle, also z.B. auch
Einbindung von Aerztinnen, Lehrerinnen u.a.)
Conditio sine qua non ist dabei absolute Freiwilligkeit aller Beteiligten.
Wir wollen weder eine Sekte noch eine paramilitaerische Splittergruppe
werden. Unser Projekt stellt allen offen, die sich beteiligen moechten und
jegliches Engagement beruht auf freier Entscheidung. Es gibt keine
Machthierarchien und keine Herrschaftsstrukturen. Entscheidungen sollten
prinzipiell konsensual sein - aber auch Platz fuer unterschiedliche Wege und
Herangehensweisen lassen. Funktionelle Hierarchien und Prinzipien der
kontrollierten Entscheidungsdelegation aber koennen notwendig sein und
stehen nicht im Widerspruch zur Idee emanzipatorischer Keimformen.
Wir wollen auch nicht back to the Middle Ages. im Gegenteil geht es uns
darum, die derzeitige technologische Entwicklung der Produktionsmittel fuer
alle Menschen nutzbar zu machen (vorbehaltlich des Nachhaltigkeisaspektes,
versteht sich).
Wir wollen auch keine klassische Subsistenzproduklion im Sinne von
"Aussteigen und schauen, was der Kapitalismus uebrig gelassen hat". Wohl
wollen wir in einem ersten Schritt unsere Beduerfnisse ohne den Einsatz von
Geld erfuellen und dabei moeglichst viele Personen einbinden, die mit dem
Geld eh so ihre liebe Not haben (Arbeitslose, Migrantinnen. Unterslandslose
etc.). Langfristig jedoch wollen wir das zurueckhaben, was uns derzeit
vorenthalten wird: das gemeinschaftliche Eigentum aller Menschen an allen
Ressourcen und deren Nutzung. Nicht Armut fuer alle, Reichtum fuer alle
heisst die Parole! Investitionen zur Anschaffung von Maschinen Rohstoffen
o.ae. sind mit der Keimform-Perspektive problemlos vereinbar. Die Produkte
solcher Keimform-Projekte duerfen aber nicht verkauft werden. Der Ansatz
beruht zentral darauf, dem Markt und damit dem Staat Ressourcen zu
entziehen. also Produktion und Verteilung ohne Geld, ohne Kauf und Verkauf
abzuwickeln.
Derzeit ist das Projekt nur eine Idee. Es steht und faellt mit dem
Engagement der Menschen, die es tragen. Gesellschaftliche Transformation ist
nicht etwas, was man mal eben macht, weil man nichts besseres vor hat. Zu
klaeren waere: Was wollen wir? Wie wollen wir leben? Welche Visionen haben
wir? Ich glaube, es ist fuer jeden und jede Einzelne wichtig, eine Vision
vor Augen zu haben, denn nicht wir sollen etwas fuer das Projekt tun.
sondern das Projekt fuer uns. Also lasset uns spinnen! Praktisch ist
natuerlich auch jede Menge zu tun. Wir muessen:
Schauen, was wir derzeit an Ressourcen haben (Wohnraum, Werkzeug, Geld,
Wissen)
Weitere Ressourcen erschliessen (Acker zum Anbauen. Raeume fuer Werkstaetten
und Treffen, Computer, freie Software, etcetera pepe.)
Und natuerlich: allem wird's ein bissel zaach werden. Wir sollten uns also
mit moeglichst vielen Menschen und Organisationen vernetzen, Synergien
nutzen und mehr werden! ###
Ein erstes offenes Projektreffen fuer alle Interessierten findet am 18.
Sept. 03 statt. Ort: WUK Umweltbuero. Waehrmgerstr. 59, 1090 Wien, .m Hof
rechts die Eisenstiege rauf (neben dem grossen Sandkasten), weiter bis zur
grossen blauen Tuer, dort ist es dann. Zeit: 19.00
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