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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Juni 2003; 11:50
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Glosse:
> Den Osterhasen gibt es auch nicht!
Zur Religion (II)
Die Kopftuch-Diskussion geht in Europa munter weiter. Duerfen
kopftuchtragende Frauen ueberhaupt in staatlichen Schulen unterrichten?
Waere dies nicht bereits ein Affront gegen das kulturbestimmende
Christentum - oder in emanzipatorischen Kreisen das primaer sichtbare
Unterdrueckungselement, vor dessen verhaengnisvoller Symbolwirkung die
Heranwachsenden geschuetzt werden sollten? Wenn nach laengeren Debatten die
Unterrichtserlaubnis gegeben ist, wo ist hier die Grenze? Dann duerfen zwar
Kopftuecher getragen werden, duerfen Frauen aber auch verschleiert sein?
Vielleicht gar mit der Hardcore-Methode des Ganzkoerper-Schleiers - von den
Haaren bis zu den Zehen mit einem netten kleinen Netz vor dem Gesicht.
Derartig in massiv beschuetzender Kultur eingebettet, benoetigen Maedchen
auch keinen Turnunterricht mehr.
Was ist der Punkt dabei? So mancher Eifersuechtige wuerde sich vielleicht
manchmal wuenschen, seine Freundin vor der stets geilen Maennerwelt
beschuetzen zu koennen, bis zur Unkenntlichkeit zu verhuellen, wegzusperren,
sie den Blicken zu entziehen. Sollten auch diese Massnahmen zur Vertreibung
schaedlicher Gelueste nicht reichen, wird zu schaerferen Mitteln gegriffen -
ueber allem schwebt die Scharia. Dadurch kann legal gesteinigt, verstuemmelt
und gefoltert werden, bis endlich das selbstbewusste und voll
gleichberechtigte Frauenbild entsteht, das fuer den Islam so unerlaesslich
ist. Die scheinbare gewalttaetige Unterdrueckung der Frauen und der
Maedchen ist also nichts anderes als das Heranziehen zu Gutem, das Allah
und vor allen den Ehemaennern und Vaetern Freude bereiten soll. So kann
wenigstens jeder eifersuechtige Ehemann seiner Frau gewisse Verhaltensregeln
mit auf den Einkauf geben. Die Scharia erweist sich daher als familien- und
partnerschaftsfreundlich. Im Islam bleiben die Paare laenger zusammen.
Waehrend manche sich fragen, ob gewisse Massnahmen wie die Scharia nicht
doch ein etwas frauenfeindliches Bild hinterlassen, fungieren andere
wiederum als die Waechter einer museal-grauslichen Tradition. Dies aeussert
sich in absoluter Nicht-Kritik, so nach dem Motto: weitermachen,
schuetzenswerte Kultur am Werk. Die uebliche Kampfserie "wie war das
Matriaracht so toll und Frauenrechte, Emanzipation und dergleichen" gilt
dann scheinbar nur fuer "hiesige" Frauen. Dem Marien-Kult der katholischen
Kirche wird zu Recht die 2000jaehrige Unterdrueckungspraxis der Frauen
vorgeworfen, die sie ihre eigene Sexualitaet als minderwertig empfinden
laesst. Andererseits - welche die Frauenrechte eminent unterstuetzende
Praxis haben die 1400 Jahre des Islam geschaffen? In der Erziehung tradieren
islamische Frauen dieses Rollenverhalten staendig aufs neue: es geht um die
permanente Erschaffung der Welt der Maenner, in der Frauen der Platz
zugewiesen ist, dieser Welt zu dienen und zu gehorchen. Auf eine sublimere
Weise - mit der Zeit physisch etwas gewaltloser - ist dies durch das
Christentum durchaus bekannt.
Die Erklaerungsversuche, dass es sich hauptsaechlich um kulturelle
Traditionen und nicht um hoechst dogmatischen Religionen handelt, fuehrt zum
kritischen Weichzeichner. Der Grieche Kritias kann als "Erfinder" der
Religionskritik bezeichnet werden: "Das Volk wird durch die Priesterkaste
getaeuscht."
Die Philosophie stellt hier einige kritische Werkzeuge zur Verfuegung. Die
Anbetung und Verehrung funktioniert bloss in eine Richtung: die
Beeinflussung der Goetter durch die Menschen ist ungeklaert - sie haetten
viele Aufgaben. Die zwischenmenschliche Sinnfragen wuerden auf Gottheiten
ausgedehnt und dadurch auf zwischenmenschlicher Ebene kaum angesprochen.
Feuerbach sieht die Religiositaet als ungeloesten Widerspruch zwischen
Beduerfnis und Befriedigung. Fuer Marx werden Arbeits- und
Produktionsverhaeltnisse nicht mehr klar ersichtlich - die Goetter "klemmen"
sich in den Historischen Materialismus. Das ziehendste Argument scheint mir
jedoch: wer seine Zeit damit verbringt, andauernd irgendwelche
Goetterfiguren anzubeten, beraubt sich der Sicht auf seine Mit- und Umwelt.
*Fritz Pletzl*
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