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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 3. Juni 2003; 22:15
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Schwulesbisch/Recht:
> Tote Paragraphen leben laenger
§ 209-Ersatz wird nur gegen Schwule angewendet
Wie Justizminister Boehmdorfer auf eine parlamentarische Anfrage mitteilt,
wird die im Sommer des Vorjahres als Ersatz fuer den
Homosexuellenparagraphen 209 des Strafgesetzbuches eingefuehrte
Ersatzbestimmung, §207b StGB, ausschliesslich gegen homosexuelle Maenner
angewendet. 2002 gab es nach dem neuen (vom Wortlaut her
geschlechtsneutralen) Gesetz keinen einzigen heterosexuellen und keinen
einzigen lesbischen Fall vor Gericht.
Von der Einfuehrung des §207b, am 14.August, bis Ende 2002 wurden bereits
sieben neue Faelle bei Gericht anhaengig gemacht, wobei in dieser Zahl alte
§209-Verfahren, die nach dem neuen §207b weitergefuehrt wurden gar nicht
enthalten sind. Alle diese Faelle betrafen Maennerpaare. Sechs der sieben
Beschuldigten waren unbescholten.
In vier Faellen wurde den Maennern die Ausnuetzung einer angeblichen
"Unreife" ihres jugendlichen Partners vorgeworfen (§207b Abs. 1), in drei
Faellen eine "Verleitung gegen Entgelt" (§207b Abs. 3). Einer der Maenner
erhielt auf Anhieb eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, obwohl die
Hoechststrafe (bei §207b Abs. 1) 12 Monate betraegt und dieser Mann
unbescholten war.
Keine Gnade
In Beantwortung einer weiteren parlamentarischen Anfrage rechtfertigt
Justizminister Dr. Dieter Boehmdorfer seine Weigerung, Opfer des
anti-homosexuellen Sonderstrafgesetzes § 209 dem Bundespraesidenten zur
Begnadigung vorzuschlagen.
Lediglich ein einziges Opfer hatte er dem Bundespraesidenten zur teilweisen
Begnadigung vorgeschlagen, sodass er nicht ins Gefaengnis musste. Die
Vorstrafe wurde aber nicht getilgt und bleibt bis zum Jahre 2013 im
Strafregister vorgemerkt.
Besonders frappant ist die Rechtfertigung Boehmdorfers, warum er den von
Amnesty International 2001 offiziell adoptierten Gewissensgefangenen nicht
begnadigen laesst, der noch letzten Dezember, vier Monate nach dem
offiziellen Ausserkrafttreten des § 209 zu drei Monaten Haft verurteilt
worden ist. Boehmdorfer stellt ihn als schlimmen Missbraucher dar, der die
Jugendlichen ausgenutzt habe, obwohl der Mann mit seinen jugendlichen
Partnern derart ruecksichtsvoll umgegangen ist, dass der zustaendige Richter
des Landesgerichtes fuer Strafsachen Wien, der ihn nur sehr widerstrebend
und gegen seine eigene Ueberzeugung verurteilt hatte, wiederholt betont
hatte, dass sich so manch Ehemann, der betrunken nach Hause kommt und die
ehelichen Pflichten einfordert, an ihm ein Beispiel nehmen koennte.
*Plattform gegen § 209 / gek.*
Kontakt: Plattform gegen § 209, 01/876 30 61, office@paragraph209.at,
http://www.paragraph209.at
Anfragebeantwortung des Justizministers im Wortlaut betreffs Praxis §207b:
http://www.parlament.gv.at/pd/pm/XXII/AB/his/000/AB00091_.html
Anfragebeantwortung des Justizministers im Wortlaut betreffs Begnadigungen:
http://www.parlament.gv.at/pd/pm/XXII/AB/his/000/AB00089_.html
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