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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. April 2003; 12:05
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Kriegsfolgen/Menschenrechte/Kuba:

> Leider auch um nichts besser

Politische Schnelljustiz im Schatten des Krieges

Als in Kuba vor ziemlich genau vier Jahren ein Gesetz in Kraft trat, das den
etwas umstaendlichen Titel «Gesetz zur Bestaetigung der Wuerde und der
Souveraenitaet Kubas» trug, wurde dies weit herum nicht allzu ernst
genommen. Man betrachtete es zwar als latente Drohung, viel mehr aber noch
als weiteres propagandistisches Manoever in der unendlichen Geschichte der
Auseinandersetzung mit den USA. Seit den siebziger Jahren gibt es im
kubanischen Strafgesetzbuch Delikte wie «Feindliche Propaganda» oder «Hilfe
fuer den Feind». All diese Gesetze zielen primaer gegen jene, die das
Informations- und Propagandamonopol des kubanischen Staates infrage stellen.
Zuletzt waren das die Grueppchen unabhaengiger Journalisten, die sich seit
der politischen Lockerung Mitte der neunziger Jahre und mit neuem
Selbstbewusstsein formierten.

In einem Land wie Kuba gibt es nur fuer die TouristInnen in den grossen
Hotels auslaendische Medienerzeugnisse zu lesen. Und da die offiziellen
Medien auf Kuba eher einer Karikatur gleichen, ist die Versuchung fuer
KritikerInnen gross, per Telefon Informationen ins Ausland zu uebermitteln.
«Ausland», das heisst in den allermeisten Faellen die USA. Dort steht eine
Infrastruktur zur Verfuegung, die es ermoeglicht, ueber Internet die
groesstmoegliche Verbreitung von Berichten zu erreichen. Dies wiederum
rechtfertigt fuer die kubanische Regierung den Vorwurf der
Auslandsabhaengigkeit dieser Berichterstattung. In den letzten Jahren hat
man in Kuba offiziellerseits das Treiben der unabhaengigen Journalisten
jedoch weitgehend toleriert. Schliesslich erreichten ihre Texte im Inland -
wegen des fehlenden freien Internetzugangs - lediglich einen verschwindend
kleinen Personenkreis. Und fuer Kubas Ansehen im Ausland schien es
opportuner, dieses nicht durch repressive Massnahmen zu beschaedigen.

Doch seit dem 18. Maerz gilt das nicht mehr. Im Schatten des beginnenden
Irak-Kriegs wurden bis zum 21. Maerz in einer seit ueber zehn Jahren nicht
mehr gesehenen Aktion 79 Personen verhaftet. Unter den Verhafteten befinden
sich neben oppositionellen Politikern auch 26 Angehoerige der unabhaengigen
Journalisten. Mit den Verurteilungen hatte man es sehr eilig. So waren am
Mittwoch von den 79 Verhafteten bereits 71 verurteilt. Sie erhielten
Haftstrafen zwischen 10 und 27 Jahren. Bei den Gerichtsverhandlungen waren
im Publikum nur engste Familienangehoerige zugelassen. Die Verteidigung
durfte die Anklageschriften erst am Prozesstag einsehen.

Die Journalisten wurden unter anderem von langjaehrigen Gefaehrten belastet,
die sich als Mitarbeiter der kubanischen Staatssicherheit outeten. Zu ihnen
gehoeren auch Nestor Baguer, der mit seinen siebzig Jahren bislang als der
Doyen der unabhaengigen Journalisten galt, und David Orrio, Praesident der
Kooperative unabhaengiger Journalisten. Den ganz grossen Coup hatte der
V-Mann Orrio aber mit seinem Workshop «Ethik im Journalismus» Mitte Maerz
gelandet. An diesem nahmen 34 unabhaengige Journalisten teil, und dort wurde
dem anderen V-Mann, Baguer, ein Preis fuer sein oppositionelles Lebenswerk
ueberreicht - aus der Hand von James Cason, dem Geschaeftstraeger der
US-Vertretung in Havanna.

So wirklich gluecklich ueber die Unterstuetzung der USA ist man aber auch
aus anderen Gruenden in dissidenten Kreisen Kubas nicht: So publizierten am
24. Maerz sechs sozialdemokratisch orientierte Gruppen im Internet eine
gemeinsame Erklaerung. In dieser protestieren sie scharf gegen die
Verhaftungswelle - von ihnen selber war niemand direkt betroffen - und
fordern die sofortige Freilassung der Gefangenen. Sie wenden sich aber auch
gleichermassen gegen die Einmischungen aus dem Norden und schreiben: «Kuba
ist kein Rechtsstaat, und es gibt kein politisches Alibi fuer die Verletzung
der Menschenrechte. Aber Kuba ist ein souveraener Staat, und die USA sollten
endlich aufhoeren, unser Land als rebellisches oder undiszipliniertes
Protektorat zu behandeln.»
*Geri Krebs, WoZ, 10.4.2003/bearb.*



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