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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. April 2003; 20:09
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Krieg/Kommentar:

> Sieg im Medienkrieg

Die Truppen der Allianz werden im Irak nicht mit Blumen empfangen, sondern
mit einer Intifada-Simulation Saddam Husseins.

Fuer den Deutschlandfunk erscheint gut eine Woche nach Ausbruch des Krieges
die Sachlage klar: Anstatt die amerikanischen und britischen Truppen mit
Jubel zu begruessen, leiste das »irakische Volk« heftigen Widerstand,
ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei Saddam Hussein um einen »schlimmen
Diktator« handele. Statt mit Blumen empfange man die Invasoren mit Kugeln,
verlautbarte auch der irakische Informationsminister. Al Jazeera, das
eigenen Angaben zufolge ueber den Krieg aus »arabischer
rspektive« berichte, sendet nonstop Bilder von Saddam Hussein zujubelnden
Menschen. Das wirkt authentisch und wird unkommentiert in den
Hauptnachrichten von ARD und ZDF uebertragen.

Die in den USA verbreitete Hoffnung, beim Marsch auf Bagdad falle der Sueden
quasi im Handstreich und wie nach Ende des letzten Golfkrieges wuerden ganze
Armeeeinheiten sich ergeben oder rebellieren, hat sich in der Tat als
Illusion erwiesen. Saddam Hussein hatte mit Hassan Ali Majid, der 1988 den
Giftgasangriff auf die kurdische Stadt Halabja befehligte, einen seiner
brutalsten Kommandeure zum Oberbefehlshaber fuer den Suedirak ernannt. Majid
verwandelte die Staedte in Festungen und bereitete die ihm unterstehenden
Truppen auf eine Guerillataktik vor. Die USA hatten hingegen gehofft, nach
dem Ueberlaufen irakischer Truppen wuerde eine kontrollierte Uebergabe der
Staedte stattfinden, auch um eine offene und unkontrollierte Revolte der
Bevoelkerung, wie sie 1991 ausbrach, moeglichst zu verhindern.

Bei der »Befreiung« ihres Landes sollten, so die Hoffnung, die Iraker im
besten Fall einfahrenden alliierten Truppen zujubeln, selber aber keineswegs
aktiv werden. Ein Vorgehen, das bei der irakischen Opposition auf heftige
Kritik stoesst. Er habe, schreibt der unabhaengige oppositionelle
Schriftsteller Kanan Makiya in der New Republic, manchmal den Eindruck, ein
Teil des US-Establishments fuehre Krieg gegen Saddam Hussein, ein anderer
gegen den Iraqi National Congress.

Denn der seit langem in Washington schwelende Streit ueber die Beteiligung
der Opposition an einer Regierung im Nachkriegsirak wird offenbar auch in
Kriegszeiten unvermindert fortgefuehrt und hat seinen Teil zum bisherigen
Kriegsverlauf beigetragen. Waehrend die so genannten Neokonservativen auf
Demokratisierung und Entba'athifizierung des Landes setzen und eine enge
Kooperation mit der Opposition anstreben, hoffen andere Kraefte im Militaer,
im State Department und unter den traditionellen Konservativen, dass sich
das irakische Militaer mehr oder weniger geschlossen ergibt, nur die oberste
Ba'ath-Fuehrung gestuerzt wird und eine amerikanische Militaerverwaltung
dann auf weitgehend intakte Verwaltungs- und Herrschaftsstrukturen
zurueckgreifen kann. Aufstaende der Bevoelkerung und Racheaktionen an
Vertretern der Ba'ath-Partei und der Geheimdienste passen nicht in dieses
Konzept.

Trotz des offenkundigen Fehlschlages - die irakischen Eliteeinheiten machen
bislang keinerlei Anstalten, sich zu ergeben - bleibt der Aufruf zum
Aufstand auch weiterhin aus. »Die Koalition will«, heisst es aus
Oppositionskreisen, »keine Aufstaende in den Staedten.« Hamid Bayati, der
Londoner Vertreter des Supreme Council of the Islamic Resitance in Iraq
(Sciri), erklaerte, die Amerikaner betonten immer wieder, sie wuenschten,
dass die Bevoelkerung zu Hause bleibe und sich auch die Sciri-Milizen, die
so genannten Badr-Brigaden, nicht an den Kaempfen beteiligten. Donald
Rumsfeld drohte in einer Pressekonferenz sogar, sollten sich diese Brigaden
ohne Einwilligung der Koalitionstruppen gegen die irakische Armee wenden,
wuerden sie als »feindliche Elemente« behandelt. Washington fuerchtet,
ansonsten koenne der Einfluss des Iran im Irak zu gross werden,
schliesslich befindet sich das Hauptquartier von Sciri in Teheran.

Aber auch die den USA weit enger verbundenen kurdischen Parteien klagen
ueber die ausbleibende Unterstuetzung. Bei einem Oppositionstreffen im
nordirakischen Salaheddin protestierten alle anwesenden Parteien gegen die
bisherige US-amerikanische Kriegsstrategie. Es gebe, erklaerte Hoshiar
Zebari, Mitglied des Politbueros der Kurdischen Demokratischen Partei, einen
gewaltigen Unterschied zwischen Befreiung und Eroberung. Befreiung hiesse,
auch Irakis an vorderster Front kaempfen zu lassen. Irakisches Militaer
ergebe sich gerne irakischen Kaempfern, nicht aber fremden Truppen.

Wohl weniger die Einsicht in diese Argumente als militaerische Notwendigkeit
veranlasste die USA nun im Norden, ihre Taktik zu aendern. Schliesslich
blieben die Unterstuetzung der Tuerkei und die Eroeffnung einer zweiten
Front im Norden aus. Inzwischen sind die ersten US-Soldaten in
Irakisch-Kurdistan gelandet, und sowohl die KDP wie auch die Patriotische
Union Kurdistans konnten einige irakische Stellungen mit amerikanischer
Unterstuetzung einnehmen und ein Stueck auf Kirkuk marschieren. Auf einer
Pressekonferenz gab der Verbindungsmann Washingtons zur irakischen
Opposition, Zalmay Khalilzad, bekannt, die Kurden, die ueber
schaetzungsweise 70 000 leicht bewaffnete Milizionaere verfuegen, seien nun
auch offiziell Verbuendete der Koalition.

Aber das Misstrauen gegenueber den USA sitzt in der irakischen Opposition
tief. Der Vorsitzende des INC, Achmed Chalabi, etwa fuerchtet, dass die USA
einen »rein amerikanischen Sieg erringen wollen und die Irakis aussen vor
lassen«. Wie wenig man ihnen auch in der Bevoelkerung traut, mussten die
US-Truppen im Suedirak erleben, wo sie glaubten, schon in den ersten Tagen
als Befreier bejubelt zu werden. Nun hoeren sie immer wieder, sie haetten
die Menschen 1991 verraten, und solange Saddam Hussein an der Macht sei,
glaube man nicht, dass sie es diesmal ernst meinen.

Die Taktik Saddam Husseins geht also doppelt auf. Sie erschwert den weiteren
Vormarsch, zwingt Briten und US-Amerikaner in Haeuserkaempfe und ist vor
allem ein unschaetzbarer Sieg im Medienkrieg. Denn es gelingt der
irakischen Fuehrung, den Krieg im Sueden als eine Art zweite Intifada gegen
die »zio-imperialistische« Invasionsarmee erscheinen zu lassen. Die Bilder
von Selbstmordattentaetern, Guerilleros und kaempfenden Zivilisten, die
sich spaeter als Mitglieder von Spezialeinheiten entpuppen, sollen wie eine
Kopie des palaestinensischen Aufstandes wirken. So soll der Eindruck
entstehen, nicht Saddam Husseins Einheiten, sondern die Bevoelkerung selbst
kaempfe entschlossen gegen die verhassten USA.

Dass Munir Magdeh, ein hoher Fatah-Offizier im Libanon und Kritiker Arafats,
nach Angaben der Jerusalem Post Selbstmordattentaeter nach Bagdad geschickt
hat, rundet das Bild ab. Die Iraker, auch wenn sie unter der Diktatur
litten, verlautbarte die aegyptische Al Ahram, stuenden doch heldenhaft
gegen die fremden Invasoren zusammen. So koennte ein neuer Mythos
entstehen, der alle Plaene der irakischen Opposition konterkarieren
koennte. Ihre Berichte ueber den Terror allerdings, der in den Staedten des
Irak herrscht, von Massenexekutionen, Zwangsrekrutierungen und
Ausgangssperren, stoeren dabei nur. *Thomas von der Osten-Sacken, Jungle
World, 2. April 2003*



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