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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 8. April 2003; 20:11
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Glosse:

> "Bloed sein" sagt man nicht

Ueber Wahlen in Oesterreich

Vor einiger Zeit wurde mir bedeutet, ich moege mich hier oder anderswo
keinesfalls ueber den Vertrottelungsgrad der oesterreichischen
Wahl-Bevoelkerung auslassen. Auf meine Gegenfrage, ob das letzte
Wahlergebnis tatsaechlich ein epochaler Meilenstein demokratischer Weisheit
war, kam die Antwort: Nein, natuerlich nicht, freilich waren "die Leute
deppart" - aber man duerfe das nicht so sagen. Also wie auch immer, die
"depparten Leut" haben nunmehr ein kleines Problem, das OeVP und FPOe
heisst. Demokratisch wird's dadurch, dass die anderen in Oesterreich dies
mindestens ebenso haben - die aber keinesfalls die OeVP zu waehlen bereit
waren. Da unabhaengig von sonstigen Ueberlegungen die Seele ein weites Land
ist, hat der Ausgang der NOe-Landtagswahlen den Stimmungsbarometer fuer die
OeVP bei allfaelligen Nationalratswahlen auf 39% gegenueber 29% von kurz vor
den Wahlen ansteigen lassen.

Als politisch bedaechtig und vor allem patriotisch hat man sich dabei
zweifellos etwas gedacht. The winner takes it all - oder so, dabei kann
wenigstens nichts schief gehen. Ob Hermann Maier oder Erwin Proell oder
Karl-Heinz-Grasser, Siegertypen braucht das Land, wenns geht - fesche! Wurde
Proell deshalb so triumphalisch gewaehlt, weil er erklaerter
Gross-Koalitionaer war? Bekam er deshalb so viele Stimmen, weil er nach wie
vor strikt gegen die FP ist? Oder waren die Ergebnisse deshalb, weil sie
trotz alledem erzielt worden sind, es vielleicht nur niemand anderen in
Niederoesterreich gegeben hat ausser ihm? Was weiss man? Es gibt derzeit
sowieso andere Sorgen, meint die Krone - und meinen damit auch die Leute. Im
Pensionskahlschlag muessen die Politiker jetzt endlich auch bluten, die
Beamten sollen endlich Federn lassen. Es ist eine geniale Strategie des
Aufeinander-Ausspielens. Reg` dich nicht auf, wenn ich dir was wegnimm.
Kaempfe viel mehr dafuer, dass dies die anderen auch nicht mehr haben.
Entsolidarisierung funktioniert manchmal denkbar einfach.

Aeusserst nachvollziehbar lautet die Ueberlebensstrategie der FP derzeit:
Volksabstimmung oder Volksbefragung zum Pensionsthema. Die SP moechte
aehnlich Ablehnendes im Parlament einbringen und wartet auf Dissidenten der
Koalition. Das unmoralische Angebot scheitert nur daran, dass es bei der
Haupt-Riege einfach schlicht ums Ueberleben geht. Sie braucht unbedingt
Erfolge, sogar in Kaernten. Dies weiss sogar ihr Koalitionspartner und muss
trotz Ablehnung der Volkesstimme dementsprechend schaumgebremst reagieren.
Die Gruenen haben das Problem, dass ihnen zu diesem Thema niemand so richtig
zuhoert. Denk ich an VdB duerfte dies nicht einmal so ein entscheidender
Fehler sein. Die FP duerfte sich auf jeden Fall dazu entschlossen haben,
zuerst hart zu verhandeln - ein Ergebnis vorzuweisen - und die geneigte
Bevoelkerung abschliessend drueber abstimmen zu lassen. Nur Zyniker koennten
daran denken, dass die Abstimmung vielleicht in Fragen formuliert sein wird,
ob ausser Bagatell-Themen die Politiker oder Beamten am besten hohe
Pensionseinbussen bekommen sollten.

Ein erschreckendes Beispiel fuer unseren OeGB muessten eigentlich die
Massenstreiks in Frankreich und Italien sein. Gott, Generalstreik in
Oesterreich! Das war 1950 das letzte Mal. Vielleicht hat das Niederschlagen
desselben durch Ohlas Brigaden der Bau-und Holzarbeiter dem OeGB die Lust an
derartigen Vorhaben endgueltig ausgetrieben. Streik duerfte auf jeden Fall
das absolute Pfuiwort im OeGB sein. Hat irgendwie was Unfriedliches an sich,
gehoert sich nicht so. Ausserdem hat doch Fritz Verzetnitsch sowieso
gefordert, die Regierung solle die "sozial ungerechte" Pensionsreform "nicht
uebers Knie brechen". Na bitte. Wenn die Regierung nicht einmal das
erfuellt? Wir sind ein friedliches Land. Und so haben sowohl die SP als auch
die Gruenen anlaesslich der Regierungserklaerung verkuendet, sie koennten
sich ohne weiters eine Zusammenarbeit in gewissen Punkten vorstellen. Warum
auch nicht? Menschen sind wir alle. Dass ein flaechendeckender Generalstreik
abgesehen von der Reputation der Gewerkschaft die einzige Moeglichkeit
waere, sowohl die Gruenen als auch die SP nicht in das Pensions-Fahrtwasser
der FP bringen zu lassen, kann ja auch einmal angedacht werden.

Fuer den Liebling der Massen verzichten dieselben gerade auf exorbitante
Pensionsleistungen. Es sei ihnen vergoennt, Liebe kostet nunmal und macht
blind. Molterer meint sowieso, die Bevoelkerung sei mit fast allem
einverstanden - auch wenn die Pensionsschroepfungen nur eine reine
Geldbeschaffungs-Aktion des Darlings der Nation sind, wer wird so kleinlich
sein und nachzaehlen? Niemand spielt gerne den Miesepeter oder die
oekonomische Kassandra, die ein paar Fakten erwaehnen moechte. Zum Beispiel,
dass die wirtschaftichen Konsequenzen des Fiaskos schlicht und ergreifend
sind: weniger Pensionshoehe bedeutet weniger Konsum. Was weniger Konsum in
beschleunigter Rezession fuer die Unternehmen bedeutet und darueber
hinausgehend fuer die Steuerleistungen etc... Dies korreliert wunderbar mit
dem frueheren Einstieg in das Erwerbsleben und dem spaeteren Abgang aus dem
Berufsleben. Alles fantastische Massnahmen, neben all den sonstigen die
Wirtschaft nachhaltig zu ruinieren. Von dem Kahlschlag in das Sozialsystem
einmal ganz zu schweigen. Man wird einfach mehr Polizei und mehr
Gefaengnisse benoetigen. Kein Problem fuer Boehmdorfer und Konsorten.

Genial sind ja tatsaechlich die gewaehrten Ausnahmen aus dem ansont strikten
Pensionsschema des Koalitionsvorhabens. Die allseits beliebten
"Truemmerfrauen" und diejenigen, die das "Land wieder aufgebaut haben",
sollen mit einer derartigigen Ausnahme bedacht werden. Sie werden nur leider
nicht mehr lange von diesen Sonderregelungen profitieren koennen. Wenn sie
1945 durchschnittlich 30 Jahre alt waren, sind sie 1915 geboren - und
wuerden sich heute 2003 einer flotten Lebenserwartung von 88 erfreuen. Nette
Idee von Bartenstein, und so teuer wird's ja doch nicht werden. Nette Idee
auch von den OeVP-Frauen regelmaessig bei den Armutskonferenz
vorbeizuschauen und sich liebevoll um ihre Pauperisierten Gedanken zu
machen. Den Frauen in Zukunft zum Beispiel zu erklaeren, dass es zwar mit
ihrer Pension nicht so klappen wird, aber dass es durchaus Sinn macht, OeVP
zu waehlen, da man trotzdem arm sein koenne. Hoffentlich haben sie fuer ihre
Klientel auch den netten Spruch mit dem Kamel und dem Nadeloehr in
Erinnerung. Ertraegt sich vieles dadurch leichter. *Fritz Pletzl*



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