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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 1. April 2003; 16:36
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Gruene/Glosse:
> Da haben wir wieder gelacht...
Im Profil von gestern erschien ein Interview mit Van der Bellen zu den
gruenen Sondierungsgespraechen. Nun gut -- es soll hier nicht schon wieder
die grosse Gruenen-Lamentiererei ausbrechen. Das war nun wochenlang nicht
nur in der AKIN der Dauerbrenner -- samt grosser Aufregung, samt
Veranstaltungen mit unzaehligen Diskussionen. Die Resonanz war nicht
wirklich ueberwaeltigend. Die Empoerung der Wiener Gruenen hat auch rapide
nachgelassen, und irgendwie duerfte Schwamm-Drueber-Atmosphaere herrschen.
Man goennt sich ja sonst nichts, also soll wenigstens in der Partei Ruhe
herrschen.
Diese Ruhe strahlt VdB in dem Interview zur Genuege aus. Den Frieden der
buergerlichen Saturiertheit, das peinlichstes Vermeiden von jeglichem
Anschein einer Radikalitaet und politisch klaren Standpunkten. Alles, was
als Konflikt gedeutet werden koennte, scheint bereits von vorhinein
ausgeklammert. Ideologie ist kaum noch erkennbar, sie verschwindet unter
vernuenftig erscheinenden Leerformeln. Grundlegende urspruengliche gruene
Inhalte werden relativiert. Zum Beispiel meint VdB ueber das schwarz-gruene
Projekt: "viele bei uns sind enttaeuscht" und "Ja" zu der Frage, ob eine
Koalition mit der OeVP nach wie vor denkbar waere. Sie waere es sowohl mit
der OeVP als auch mit der SPOe, meint er. Was muss eigentlich von OeVP-Seite
noch passieren, dass VdB dazu "nie und nimmer" sagt, und sich immer wieder
noch ein paar Tuereln offenhaelt?
Im Profil wird VdB auch ueber die Friedensdemo vom vorvorigen Samstag
befragt. Die nicht sehr intelligente Frage des Interviewers lautet, ob sich
VdB mit den deutlich anti-amerikanischen Untertoenen identifizieren koenne.
Eine No-Na-Frage. Die darueber hinausgehenden Wuensche von VdB, "keine
Transparente, keine Fahnen und keine Sprueche, weder anti-amerikanische noch
prokurdische" bei Demos - fallen unter politische Naivitaet. Natuerlich
polarisieren sich Massendemos auf die USA, wenn sich das Volk im Kriegsfall
mehrheitlich um den Praesidenten schart. Selbstredend wird nicht nur Bush
und die Regierung in Washington gemeint, wenn die USA wiedermal
wirtschaftliche Grossmachtansprueche durchsetzen. Wenn die "amerikanischen
Werte" militaerisch mittels Bomben den Empfaenger erreichen. Es waere naiv
anzunehmen, dass nicht die USA als Adressat von Protestbotschaften gemeint
sein kann, wenn die UNO zur Statistenrolle und Welt-Caritas reduziert
werden. Wenn das Voelkerrecht nur fuer andere, aber nicht fuer die USA zu
gelten hat. Was sollen die Menschen weltweit empfinden? Geht ja eh nicht
gegen die USA?
Die haerteste Aussage kommt von VdB allerdings, wenn er meint: "zweifellos
gibt es auch die Verdienste der USA: die Gruendung der UNO, die Weltbank,
den Internationalen Waehrungsfonds, den Marshallplan, die Verteidigung
Westberlins...". Dies koennte ohne Problem auch ein Funktionaer der
Industriellenvereinigung von sich geben. Die Aneinanderreihung ist von einem
Oekonomen sagenhaft -- noch dazu in der Partei. Oder ist es den Gremien
tatsaechlich schon egal, was so in der Weltwirtschaft passiert und vor
allem, was ihr Spitzenkandidat so an Bloedsinnigkeiten von sich gibt? Das
friedenserhaltende Mittel des Internationalen Waehrungsfonds, der
unermuedlich nur im Interesse der Voelker vor sich hin werkt - oder wie? Wie
sieht es mit dem Einfluss der Industriestaaten auf die Sozialstrukturen der
Laender aus, die von Weltbankprojekten betroffen werden? Die nicht so
demokratisch ablaufen, zum Beispiel. Wie sieht die Bilanz der Militaer- und
Polizeieinsaetze gegen Bevoelkerungsschichten aus, die dagegen protestieren,
dass ihre Waehrungen auf Druck der Industrienationen ploetzlich keine
Sozialprojekte mehr ermoeglichen, dass sich die Grundnahrungsmittel und die
Energiekosten von heute auf morgen extrem verteuren?
Wenn Oesterreich neutral ist -- und dies duerfte unbestritten sein, dann
muesste dies auch der Parteileitung der Gruenen bekannt sein. VdB meint
einerseits, es waere "jeder Minister und auch jeder Parteichef gut beraten,
sich aktuell mit Zurueckhaltung zu aeussern." Um daraufhin zu meinen:
"Dieser Krieg ist fuer Oesterreich inakzeptabel. Diesen Beschluss wuerde es
auch geben, wenn Oesterreich nicht neutral waere." Warum dann
Zurueckhaltung, wenn wir einerseits neutral sind und andererseits sowieso
den Standpunkt vertreten, dass der Krieg inakzeptabel sei? Auf die weitere
Frage des Interviewers: "sind damit die gruen-internen Debatten ueber die
Aufgabe der Neutralitaet zugunsten eines EU-Verteidungssystems wieder
begraben?" kommt die Antwort von VdB: "Das Modell einer gemeinsamen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik unter Kontrolle des EU-Parlaments
bedeutet ja nur das Ende der Neutralitaet innerhalb der EU. Aber nicht nach
aussen. In Konflikten wie diesem, wo ein Drittstaat mit einem Dritten Krieg
fuehrt, gibt es keinen Grund, die Neutralitaet aufzuheben. Ungeachtet der
akuten Krise ist Europa jetzt so weit zusammengewachsen, dasss wir nicht
sagen koennten, ein Angriff auf einen Mitgliedstaat geht uns nichts an."
Kein Kommentar, ausser vielleicht der, dass Neutralitaet mit der
Schwangerschaft etwas gemeinsam hat: ein bissi schwanger gibt es nicht...
*Fritz Pletzl*
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