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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Maerz 2003; 19:28
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Termine/Geschichte:

> Viktor Matejka - ein Oesterreicher ohne Misere

Am 2.April 1993 ist einer der bemerkenswertesten Politiker der
Nachkriegszeit gestorben: Der fruehere Wiener Kulturstadtrat und Autor
Viktor Matejka. Geboren am 4. Dezember 1901 als Sohn eines Gerichtsdieners
und eines Dienstmaedchens ist er unter sieben Geschwistern in aermlichen
Verhaeltnissen aufgewachsen. Er studierte an der Wiener Universitaet
Geschichte und Geographie und war ab 1934 Bildungsreferent der Wiener
Arbeiterkammer.

Nach dem "Anschluss" Oesterreichs wurde er durch eine Sekretaerin bei der
NSDAP denunziert, sofort verhaftet und mit dem "Prominententransport" vom 1.
April 1938 ins KZ Dachau gebracht. Dort wurde er Haeftlingsbibliothekar in
der Lagerbibliothek. Aus verschiedenen Zeitschriften verfertigte er so
genannte "Pickbuecher", das heisst, er klebte Zeitschriftenaufsaetze, welche
die Verlogenheit des NS-Regimes blossstellen sollten, auf Buchseiten, die
von befreundeten Haeftlingen in der Buchbinderei des Lagers zu richtigen
Buechern in Postkartengroesse gebunden wurden.

Am 7. Juli 1944 wurde Matejka auf Betreiben seiner Frau vorzeitig aus der
KZ-Haft entlassen. 1945 trat er dann der KPOe bei. Er unterwarf sich aber
nie einer Parteidisziplin und kritisierte auch oeffentlich Stalin. Bereits
am 20. April 1945 wurde er Stadtrat fuer Kultur und Volksbildung. In seinem
Stadtratsamt betrieb er sofort den Wiederaufbau des Wiener Kulturlebens
unter der Devise: "Die Kultur eines Staates ist die Kultur der 24 Stunden
des Tages."

Als einer von ganz wenigen Politikern bemuehte sich Viktor Matejka um die
Rueckholung vertriebener Wiener Intellektueller und Kuenstler aus dem Exil.
Daneben kehrte er zu seinen Urspruengen zurueck, indem er die
Volkshochschulen wieder aufbaute. Im Jahr 1949 legte er sein Amt als
Stadtrat nieder, im Jahr 1957 zog er sich aus dem Zentralkomitee der Wiener
KPOe zurueck. Aber auch als Privatmann aeusserte er seine Meinung
selbstbewusst und unabhaengig.

Matejkas Lebensmotto "Widerstand ist alles" (so der Titel seiner
Lebenserinnerungen) war bestimmend fuer ihn. Stets behielt er seinen
aufrechten Gang bei, im KZ ebenso wie in der Politik der Nachkriegszeit.
Bildung verstand er nie als Privileg fuer eine kleine Elite, sondern war
sein ganzes Leben lang darum bemueht, Wissen und Kultur fuer alle
zugaenglich zu machen.
*Richard Weihs*


Eine Gedenkveranstaltung zum 10. Todestag findet am 2. April um 17 Uhr
statt, und zwar bei der nach Viktor Matejka benannten Stiege in der
Eggerthgasse (beim Apollo-Kino). Daran teilnehmen werden u. a.: Konstantin
Kaiser (Theodor Kramer Gesellschaft), Franz Richard Reiter (Hrsg. des Buches
"Wer war Viktor Matejka?") und Dieter Schrage (mit Auszuegen aus seinem
letzten Interview mit Matejka).



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