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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Maerz 2003; 23:29
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Glosse/Schwarzblau:

> Was wir dagegen tun koennen

Nach einigem Taktieren und Hin-und-Her gibt es nun eine Neuauflage der
schwarz-blauen Koalition. Deren Programm ist Reaktion pur.

SPOe-Chef Gusenbauer und Gruenen-Chef Van der Bellen waeren durchaus bereit
gewesen, wesentliche Teile der neoliberalen Sozialdemontage mitzutragen.
Wolfgang Schuessel entschied sich jedoch fuer die der OeVP angenehmsten und
"billigsten" Variante. Obwohl das schwarzblaue Wendekabinett II noch
fragiler ist als die Erstausgabe - nicht nur wegen des Krakelers Haider -
setzen die Konservativen auf Konfrontation und auf Klassenkampf von oben. So
liest sich auch ihr Programm: Selbstbehalte im Gesundheitsbereich, erhoehte
Steuerbelastungen, Verscherbeln oeffentlichen Eigentums (Bahn, Post,
OeIAG,...), Kuerzungen bei den Pensionen,... Selbstredend aber insistiert
die OeVP auf den Ankauf der Kampfflugzeuge. Eine Prise Rechtsextremismus
durch die Entsendung etlicher "Brauner" in die Uniraete und ein Prise
Moechtegernimperialismus durch den Kniefall vor dem Kriegskurs von Bush und
Blair gehoeren auch dazu.

Dieser neoliberalen Offensive kann nur durch einen Kampf von unten Einhalt
geboten werden. Weder fromme noch radikale Sprueche reichen aus, um
Schuessel, Haupt, Grasser & Co. das Handwerk zu legen. Voellig verfehlt
waere es, dem Politleichnam "Sozialpartnerschaft" neues Leben einzuhauchen.
Das internationale und auch das oesterreichische Kapital haben sich seiner
in den letzten Jahren entledigt. Das Absterben der Sozialpartnerschaft ist
nichts anderes als die politische Konsequenz aus der Entwicklung des
oekonomischen Neoliberalismus.

Ebenso wichtig ist es, auszusprechen, dass solch eine (Rueck-)Besinnung auf
kaempferische Traditionen der ArbeiterInnenbewegung weder leicht, noch
angenehm ist. Sie ist schwierig und zaeh und wird mit vielen Rueckschlaegen
einhergehen. Jahrzehnte der Konfliktentwoehnung, Mangel an Zivilcourage,
Fehlen einer Streitkultur koennen nicht von heute auf morgen wettgemacht
werden. dennoch ist eine solche Neupositionierung unvermeidlich, wenn wir
nicht wirtschaftlich und politisch unter die kapitalistischen Raeder kommen
wollen.

Was heisst "Mobilisierung von unten"?

Die folgenden Zeilen verstehen sich als Denkanstoesse, nicht als Oeffnen
einer Schublade mit fertigen Konzepten:

Der Neoliberalismus ist der mainstream der Bourgeoisie, er wird global
durchgesetzt. Er kann nicht durch "ein bisschen Neokeynesianismus" gestoppt
werden.

Mit dem Neoliberalismus aufraeumen heisst, mit dem Kapitalismus brechen - im
nationalen Rahmen und weltweit. Nationale Abschottungen sind heute
unmoeglicher denn je. Gleichzeitig mit dem Kampf gegen das international
agierende Kapital gilt es mit dem Profitprinzip als zentralem
gesellschaftlichen Regulativ zu brechen und eine internationale,
sozialistische Alternative anzupeilen.

Subjekt dieser Transformation ist die "neue ArbeiterInnenklasse" und die
sich in vielen Faellen mit ihr ueberschneidenden sozialen Bewegungen. In
Florenz und Porto Alegre konnte man/frau sich einen plastischen Begriff von
der Breite, Phantasie und Schlagkraft dieses Subjekts machen.

Die riesigen, weltweiten Demonstrationen gegen den drohenden Irak-Krieg in
den vergangenen Wochen zeigen konkret, dass eine "andere Welt" nicht nur
moeglich ist, sondern dass Millionen Menschen bereits unterwegs sind. Der
Wille, den Kriegstreibern das Handwerk zu legen, wird zum politischen
Kristallisationspunkt fuer den Ekel an der buergerlichen Gesellschaft mit
ihrer Prioritaet des Profits, ihrer Heuchelei und Doppelmoral. Es wuerde
daher zu kurz greifen, "nur" auf den Kampf fuer den Frieden zu setzen. Kampf
gegen Krieg, Ausbeutung und Entfremdung, gegen Rassismen, Patriarchat und
Zerstoerung der Umwelt sind als Einheit zu begreifen.

Das Austrian Social Forum (ASF) ist gut angelaufen. Seine
Daseinsberechtigung liegt darin, zu einem "kaempferischen Teil der
Gesellschaft" zu werden. Neben der Analyse verlangt die politische Realitaet
nach einer Zusammenfassung aller Kraefte, die den SozialdemonteurInnen und
AufruestungsfanatikerInnen praktisch entgegentreten.

Den Gewerkschaften kommt international und besonders in Oesterreich, wo es
anders als etwa in Italien keine breiten sozialen Bewegungen gibt, eine
Schluesselfunktion zu. Wilhelm Haberzettl, Vorsitzender der
Eisenbahnergewerkschaft, hat voellig zu Recht Schuessels Plaene als
"Kriegserklaerung" bezeichnet. Jetzt geht es darum, konkrete Taten folgen zu
lassen. Sollten die Privatisierungskonzepte, auch im Zusammenhang mit den
GATS-Verhandlungen umgesetzt werden, muss der Kampf dagegen auch organisiert
werden - von Informationsversammlungen bis hin zu Streiks. Parallel dazu
koennte man/frau auch in Erwaegung ziehen, eine Volksabstimmung ueber das
GATS-Abkommen einzufordern.

Die politischen Verrenkungen der sozialdemokratischen und der gruenen
Parteispitzen hat vielen klar gemacht, dass eine pluralistische,
revolutionaere Alternative, die - etwa wie die italienische Rifondazione
Comunista - einen Fundamentalbruch mit stalinistischen Traditionen und der
Politik der Klassenzusammenarbeit macht, dringend benoetigt wird. So ein
politisches Projekt kann nicht uebers Knie gebrochen werden, sollte aber
jetzt angedacht werden. Ein Schritt in diese Richtung koennte - entsprechend
den Diskussionen der europaeischen antikapitalistischen Linksparteien - auch
in Oesterreich eine Debatte ueber eine gemeinsame Kandidatur von Kraeften
links der Sozialdemokratie zu den Europawahlen 2004 sein.

*Hermann Dworczak (SOAL)*, gek.



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