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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. Februar 2003; 17:26
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akin/KPOe/Debatte:

> Blattkritik oder platte KP-Kritik?

zu: Liesl Fritsch, "Blattkritik" (akin 05/03)

Liesl Fritsch hat offenbar die abgestandene Luft unterschwelliger und
offener Ressentiments gegenueber den Gruenen satt. Sie braucht mehr frische
Luft, sagt sie. Nur die akin ist kein gruenes Blatt, das fuer Sauerstoff per
Photosynthese sorgt, sondern ein Diskussionsblatt, das auf die
intellektuelle Frischluftzufuhr der Mitwirkenden angewiesen ist. Ihr Beitrag
zur Hebung der Luftqualitaet fiel in der Vorwoche aber duerftig aus, denn
ein kritisches Durchlueften ihrer Blattkritik* und harschen KPOe-Kritik
zeigt, dass auch sie mit stickigen Vorwuerfen zu argumentieren weiss.

Vierspalter sind meist voller Tuecken, daher unterschaetze ich den
akin-Terminkalender keineswegs, so harmlos, wie er daherkommt, ist er nicht,
aber die Gefahr, dass linke und rechte Organisationen verwechselt werden,
wenn Termine von ihnen untereinander stehen, duerfte sich in Grenzen halten.
Ernsthaft: Der Vorwurf, die akin erwecke durch die Ankuendigung von
KP-Terminen den Eindruck, dass es sich bei der vermeintlich rechten KPOe um
eine linke Partei handle, ist voellig absurd. Die woechentliche
Terminuebersicht ist ja keine ideologische Sortiermaschine, niemand, davon
bin ich ueberzeugt, betrachtet sie als solche, sie hat einzig die Funktion,
auf Veranstaltungen hinzuweisen, die fuer das Publikum von Interesse sein
duerften. Die Meinung, dass dadurch der Eindruck entstehen koennte, dass
z.B. der ORF links oder der Management Club eine revolutionaere
Kaderschmiede der linken Elite ist, kann nicht nachvollzogen werden. Also
ich gehe bestimmt nicht aufgrund dieser "systematischen Desinformationen"
mit einer Hoererkarte in das Sekretariat einer VHS, um ueber die
Vortragenden abzustimmen, weil ich dachte, dass nur basisdemokratische
Einrichtungen in der akin ihre Termine plazieren koennen. Kurzum: Der
Veranstaltungskalender, da bin ich mir sicher, wirkt sich auf die
Meinungsbildung der akin-LeserInnen ueber die KPOe nicht aus. Und selbst
wenn es so waere, welche Konsequenzen sollte das haben? Warnhinweise der
Redaktion? KP-Termine kuenftig negieren oder sie nur als bezahlte Anzeigen
entgegennehmen? Das kann es ja nicht sein, zumal die von Liesl Fritsch
implizit vorgenommene Qualifizierung der KPOe als eine rechte Gruppierung
auf Argumenten aufbaut, die bisweilen duenn sind wie Seifenblasen und bei
der ersten kritischen Beruehrung platzen.

Weil ich weit davon entfernt bin, eine erschoepfende Antwort auf die Frage,
was linke Politik ist, geben zu koennen, stimme ich dem Definitionsansatz
von Liesl Fritsch zu, denn mit dem Ziel, Hierarchien abzubauen, soziale und
rechtliche Ungleichheiten zu beseitigen, wird eine Politikrichtung
vorgegeben, die man unter links rubrizieren kann. Wie man aus dieser
Definition jedoch ableiten kann, dass die KPOe eine fuer Linke nicht
geeignete Buendnispartnerin ist, obwohl in allen Forderungen der KPOe diese
linke, progressive Ausrichtung gegenstaendlich wird, bleibt das Geheimnis
von Liesl Fritsch.

Die KPOe hat laut Liesl Fritsch womoeglich nur deshalb einen linken Ruf,
weil "ihre Gruendungsvaeter geglaubt haben, mit der Abschaffung der
Herrschaft des Kapitals wird alle Herrschaft von Menschen ueber Menschen
abgeschafft." Einmal abgesehen davon, dass fast niemand die
"Gruendungsvaeter" der KPOe kennt, sind bis dato zwar bei weiten nicht alle,
aber viele Linke, darunter eben auch die KommunistInnen der KPOe, nicht
bloss im Glauben, sondern der festen Ueberzeugung, dass die Ueberwindung des
Kapitalismus Voraussetzung fuer die Abschaffung der oekonomisch verursachten
Ausbeutungs- und Unterdrueckungsverhaeltnisse ist. Die Systemueberwindung
ist keinesfalls der kleinste Nenner der Linken, jedoch die Formulierung von
Fritsch suggeriert, dass entweder die Systemfrage ueberhaupt kein
Kennzeichen der Linken mehr ist oder das diese in der KPOe nicht mehr
gestellt wird. Beides trifft nicht zu. Das Fernziel der KPOe ist nach wie
vor die klassenlose, sprich eine egalitaere und nicht hierarchische
Gesellschaft. Und weil jede linke Politik, wie Ernst Fischer einmal schrieb,
gleichviel in welcher Frage sie vordringt, frueher oder spaeter an die
Grenzen der gegebenen Besitz- und mit ihr verflochtenen Machtverhaeltnisse
stoesst, muss sie die Entscheidung treffen, ob sie diese Grenze respektiert
oder ueberschreitet. Die Antwort auf diese Frage macht dann den Unterschied
aus, ob es sich um eine unter Anfuehrungszeichen "nur" linke oder um eine
linke und revolutionaere Haltung handelt.

Liesl Fritsch weiss natuerlich, warum die KPOe die revolutionaere
Perspektive gewaehlt hat und die herrschenden Hierarchien angreift. Die KPOe
will Macht. Zuerst wurde offenbar nur hinter vorgehaltener Hand gemunkelt,
"inzwischen hat sich doch herumgesprochen, dass sie die herrschenden
Hierarchien nur angreift, im Grossen wie im Kleinen, um selber an die Macht
zu kommen", schreibt Fritsch. Wie schaendlich. Welch verwerfliche Motivation
Politik zu machen. Gibt es eine andere? "Wer Politik treibt", sagt Max
Weber, "erstrebt Macht, - Macht entweder als Mittel im Dienst anderer
Ziele - idealer oder egoistischer - oder Macht "um ihrer selbst willen": um
das Prestigegefuehl, das sie gibt, zu geniessen." Politik ist nun mal die
Sphaere, wo die Interessen nach Machtverteilung, Machterhaltung und
Machtverschiebung aufeinanderprallen. Machtverzicht meint Politikverneinung,
ist folglich Verzicht auf Veraenderung, ist aus freien Stuecken gewaehlte
Ohnmacht. Wenn die Linke eine emanzipatorische Umgestaltung der Gesellschaft
auf die Reihe kriegen moechte, dann darf sie nicht schwaermen, sondern muss
in den verschiedensten politischen Raeumen Vorherrschaft, d.h. Macht
erlangen, die selbstredend auch missbraucht werden kann, was seitens
KommunistInnen nur zu oft der Fall war. Vermutlich meint aber Liesl Fritsch
mit ihrer Aussage, dass die AktivistInnen der KPOe nach Macht und Einfluss
streben, nicht um Ideale zu verwirklichen, sondern um ein gutes Auskommen im
buergerlichen Staatsapparat zu finden, um sich einfach einzunisten. Ein
Vorwurf, der angesichts der Staerke der KP nicht sehr plausibel klingt und
darueber hinaus die Mitglieder der KP schlicht diffamiert.

Die Strategie, mit der die KPOe zur Macht gelangen moechte, ist nach Ansicht
von Liesl Fritsch: das Ausnuetzen und Erwuergen linker Bewegungen. Dass es
in der Geschichte der KPOe ueber lange Strecken Phasen gab, in denen die
sogenannten neuen sozialen Bewegungen und Basisinitiativen in ihrer
Bedeutung unterschaetzt und instrumentalisiert wurden, dass die
Selbsteinschaetzung der KPOe und die daraus resultierende Sicht, welches
Verhaeltnis zu anderen Gruppierungen angemessen ist, eine die Realitaet
verkennende und nicht gutzuheissende war, ist unbestritten. Aber gerade
deshalb ist der Sinn und die Form der solidarischen Zusammenarbeit mit
progressiven AkteurInnen jenseits der kommunistischen Bewegung Gegenstand
innerparteilicher Auseinandersetzungen und Klaerungsprozesse, die noch nicht
abgeschlossen sind. Der ueberwiegende Teil der Partei brach jedoch glaubhaft
mit elitaeren Anmassungen. Der Vorwurf, die KPOe agiere nur als egoistisches
Anhaengseln linker Initiativen, zeichnet eine Fratze von der gegenwaertigen
Buendnispolitik. Die KPOe moechte, weil es ein Gebot der politischen
Vernunft ist, zur Koordinierung unterschiedlicher emanzipatorischer
Praktiken beitragen. Dialog und organisatorische Verknuepfung muessen aber
die Selbstaendigkeit der einzelnen oppositionellen Bewegungen respektieren,
wie es im Entwurf der programmatischen Thesen heisst. Die von Liesl Fritsch
als Beispiel angefuehrte "Botschaftsbesetzung" kann jedenfalls, meines
Wissenstandes nach, nicht als ein Auseinanderklaffen von theoretischem
Anspruch und politischer Praxis gewertet werden. Das Projekt der Botschaft
der besorgten BuergerInnnen war anfangs nur von nicht in Parteien
organisierten AktivistInnen getragenen. Von der Stadtleitung der KPOe gab
es, soviel ich weiss, auch keinen einzigen Versuch, diesen Zustand zu
aendern. Wozu auch? Das Provozieren von verstaendlichen Aerger ist fuer die
KPOe nicht vorteilhaft. Dass dann der Beitritt einiger AktivistInnen zur
KPOe Spannungen hervorrief und die Atmosphaere in der Botschaft belastete,
ist eine Tatsache. Ob das allerdings die Behauptung rechtfertigt, dass die
KPOe die Botschaft letzten Endes erwuergte, moechte ich in Zweifel ziehen.

Die Gruenen haben, wie Liesl Fritsch richtig konstatiert, im Unterschied zur
KPOe basisdemokratische Wurzeln. Die Gruenen wurden allerdings auch nicht im
November 1918 gegruendet. Mit diesem Hinweis ist jedoch kein
Erklaerungsversuch der demokratischen Defizite innerhalb der KP verbunden.
An dieser Stelle soll nur darauf hingewiesen werden, dass Liesl Fritsch,
ungeachtet ihrer Animositaet gegenueber der KPOe, die historischen Wurzeln
der internen Demokratie der gruenalternativen und der kommunistischen Partei
vergleicht, um Kritik an den Gruenen als Ressentiments bezeichnen zu
koennen. Ganz so als wuerde es angesichts der behaupteten Verruchtheit der
KPOe nicht weiter stoeren, dass die Gruenen zentrale Prinzipien der
Basisdemokratie im Vorfeld der angestrebten Regierungsbeteiligung
geschwaecht haben. Man denke an die Verkleinerung von Gremien, die
Schwaechung von Mitwirkungsrechten, das Abgehen von der kollektiven
Fuehrung. Liesl Fritsch, die Basisdemokratie zum politischen Kern der Linken
zaehlt, wertet aber die Kritik am Rechtsruck der Gruenen ab, will sie
entschaerfen, indem sie die KPOe angreift. Von Ressentiments, sprich von
einer von Neid zerfressenen gefuehlsmaessigen Ablehnung, war in den letzten
Wochen in der akin, meinem Dafuerhalten nach, wenig zu spueren. Kritisiert
wurden tiefgreifende, die Rolle und Positionierung der Gruenen nachhaltig
bestimmende Entscheidungen. Im Vordergrund stand durchaus die Sorge, dass
soziale Bewegungen eine engagierte parlamentarische Ansprechpartnerin
verlieren, dass die Linke insgesamt geschwaecht wird, wenn eine schon nicht
oekologische Linkspartei, so zumindest eine linksliberale Oekopartei in
Richtung der beruechtigten Neuen Mitte marschiert.

In anderen Worten: Die Gruenen wurden in der akin-Debatte betreffend den
Koalitionsverhandlungen sicher fairer behandelt als die KPOe in der als
Blattkritik bezeichneten platten KP-Kritik. Liesl Fritsch hat durch das
Ablassen von Dampf ihren eigenen Wunsch nach mehr frischer Luft
konterkariert.
*Roman Gutsch*

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*Anm.d.R.: Der Titel "Blattkritik" des Textes von Liesl Fritsch stammte
nicht von der Autorin, sondern von der Redaktion.

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