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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Februar 2003; 17:32
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Krieg/Recht/Staat/Glosse:

> Law & UNO

Ein Naja zum Rechtsstaat

Das war also der grosse Tag der internationalen Proteste gegen einen Krieg
der USA gegen den Irak. Ein maechtiges Zeichen der Friedensbewegung; bei der
Eiseskaelte waren auch die zwanzig- oder dreissigtausend Menschen in Wien
nicht schlecht. Eine Parole von der Buehne beim Stephansdom stimmte mich
bedenklich. Da rief doch eine Rednerin ins Mikrophon: "Ein 'Ja' zum
Rechsstaat!"

Naja. Sie meinte es wohl gut, denn ein Krieg, dem "die UNO" nicht zustimmt,
ist kein voelkerrechtlich (quasi "rechtsstaatlich") abgesegneter Krieg. Nur
gibt es dabei halt ein paar Haken. Da waere zum Beispiel die schlampige
Ausdrucksweise von Politikern und Journalisten, die UNO und
UN-Sicherheitsrat gerne gleichsetzen. Unter "die UNO" wird ueblicherweise
die UNO-Vollversammlung verstanden. Dort aber hat jeder Staat eine Stimme
und keiner ein Vetorecht, d.h. die aermeren Laender haben die Mehrheit. Wenn
die USA dort einen Beschluss gefaellt sehen moechten, muessen sie sich genug
Potentaten der Entwicklungslaender sichern, um auch sicher zu gehen, dass
die Vollversammlung pariert. Im Weltsicherheitsrat haben die fuenf
staendigen Mitglieder ein Vetorecht und nur 10 andere Staatschefs duerfen
auch mitreden. Aufgrund der Verteilung dieser nichtstaendigen Plaetze (von
denen der 3 immer europaeischen Staaten zugeteilt werden), ist ein Beschluss
immer dann unproblematisch machbar, wenn sich die staendigen Mitglieder und
die uebrigen europaeischen Vertreter einig sind. Und auf dieser Grundlage
waere ein Krieg "rechtsstaatlich" abgesichert. Aber waere er deswegen auch
moralisch zu rechtfertigen?

Recht ist nie Ausfluss der Moral. Recht ist immer Folge eines Kampfes und
der daraus resultierenden Maechteverhaeltnisse. Das gilt fuer ein kleines
Wiener Bezirksgericht genauso wie fuer den Internationalen Gerichthof, wo
Recht gesprochen wird. Und es gilt genauso fuer das oesterreichische
Parlament wie fuer den europaeischen Rat, wo Recht gesetzt wird.

So muss man auch den Sicherheitsrat betrachten: Er ist die Folge des Zweiten
Weltkrieges. Einen dritten solchen wollte man vermeiden -- ein loebliches
Unterfangen sollte man vermeinen. Doch praktisch sieht das anders aus, denn
man versucht nicht die Kriege zu unterbinden, sondern versucht sie so zu
begrenzen, dass es den Maechtigen dieser Welt nicht irgendwie in ihren
Plaenen ungelegen kommt. Denn zwar steht irgendwo in den Konventionen der
UNO etwas von der "Bannung des Angriffskrieges", aber was ein Angriff ist
und was ein "Praeventivschlag", eine "friedensschaffende Massnahme", eine
"Vorwaertsverteidigung" oder eine "Polizeiaktion" bestimmt auch wieder nur
der Sicherheitsrat.

Der Sicherheitsrat entscheidet nicht ueber "gut" und "boese" und nicht ueber
"richtig" oder "falsch". Sondern er entscheidet, ob es fuer das
Weltgefuege -- sprich: fuer das gedeihliche Zusammenspiel der wirtschaftlich
und militaerisch relevanten Kraefte -- "problematisch" oder "nicht
problematisch" ist. Und im Irak-Konflikt ist es halt so, das Frankreich,
Russland und das nichtstaendige Mitglied Deutschland keinen Krieg wollen,
weil es gerade ihren Interessenslagen widerspricht.

Komischerweise wird aber dennoch immer so getan, als waere der
Sicherheitsrat nicht nur eine politische und damit auch rechtliche Instanz,
sondern auch eine moralische. Wenn Verteidigungsminister Scheibner sagt, die
US-Streitkraefte bekaemen fuer ihre Ueberfluege keine Genehmigung, solange
nicht der Sicherheitsrat seinen Sanctus gegeben habe, verstehe ich das: rein
rechtlich ist seit Aenderung des Kriegsmaterialengesetzes (die 1991 wegen
des letzten Irak-Krieges per Initiativantrag im Eilzugstempo durchgezogen
worden war) wohl kaum mehr etwas auszusetzen -- ueber die Details moegen
sich die Verfassungsrechtler streiten.

Aber dass es auch bei der Friedensbewegung immer wieder Stimmen gibt -- vor
allen aus den Kreisen der etablierten Parteien, aber leider nicht nur --,
die glauben, auf einen mangelnden Beschluss des Sicherheitsrats verweisen zu
muessen, um einen Krieg nicht nur als nicht rechtmaessig, sondern auch als
ungerecht zu brandmarken, ist aeusserst kurzsichtig. Denn beim naechsten
Krieg sieht die Beschlusslage vielleicht wieder anders aus. Dann kommt man
verdammt schnell in einen Argumenationsnotstand, den man sich selbst
eingebrockt hat.

Die Friedensbewegung sollte sich darauf beschraenken, zu sagen, warum ein
Krieg Scheisse ist, und den Senf der Maechtigen dazu einfach ignorieren.
Denn Friedensbewegung kommt immer von unten. Von oben kommt sie nie.
*Bernhard Redl*


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