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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Februar 2003; 17:41
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Polizei/Justiz:

> Schuld ist niemand

Die Hinterbliebenen von Imre B. sollen zahlen

Imre B. war am 19.Mai 2000 im Zuge einer "Drogenrazzia" von einem Polizisten
in Wien-Penzing erschossen worden. Der Polizist war Mitglied der
beruechtigten Polizeitruppe SEK (Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst)(1, 2),
die es mittlerweile nicht mehr gibt.

B. hatte sein Auto vor einem Lokal geparkt, das die Polizei fuer einen
Drogen-Umschlagplatz hielt. Zwei Polizisten, so gaben diese an, wollen das
Auto untersuchen. Imre B. soll ploetzlich die Tuer aufgerissen haben als ein
Polizist mit seiner gezueckten Waffe in der Hand die Autotuer gerade oeffnen
wollte. Dabei soll sich der toedliche Schuss geloest haben.

Im Juni 2002 wurde der Beamte vom Vorwurf der fahrlaessigen Toetung
freigesprochen. Er hatte beteuert, dass sich der Schuss ohne Absicht geloest
habe: Als er den in einem Auto sitzenden Imre B. verhaften wollte, habe
dieser ploetzlich die Wagentuer aufgedrueckt, was wiederum einen
"Greifreflex" in der bewaffneten Polizistenhand ausgeloest haben soll -- ein
Finger waere in den Abzug gerutscht. Der Staatsanwalt zog seine Berufung
zurueck, damit wurde im August 2002 das Urteil rechtskraeftig. Die
Oberstaatsanwaltschaft Wien stuetzte die Entscheidung des zustaendigen
Staatsanwalts. Der Polizist sei von zwei Sachverstaendigen-Gutachten
entlastet worden, die Berufung waere daher von vornherein ohne Aussicht auf
Erfolg gewesen, hiess es im August 2002 von Seiten der
Oberstaatsanwaltschaft.

41 Euro "Vorlageaufwand", 203 Euro "Schriftsatzaufwand" und 254 Euro
"Verhandlungsaufwand" - dafuer, dass ihr Vater und Ehemann Imre B. von der
Polizei erschossen wurde, sollen die Hinterbliebenen jetzt auch noch
bezahlen. Der Unabhaengige Verwaltungssenat (UVS) Wien wies - erneut - eine
Beschwerde ab, mit der die betroffene Familie darauf plaediert hatte, dass
der Todesschuss rechtswidrig erfolgt sei. Quintessenz: Imre B. hatte einfach
nur Pech. Er sei nicht der Dealer gewesen, den die Polizei eigentlich
gesucht hatte, er sei nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.

Der neue UVS-Bescheid haelt fest: "Das Einschreiten der Kriminalbeamten
erfolgte auf eine den Gesetzen entsprechende und absolut korrekte Art und
Weise." Und weiter: "Das Verfahren hat keinerlei Hinweis dafuer erkennen
lassen, dass das Verwenden der Waffe ueberschiessend gewesen waere", fuehrt
UVS-Mitglied Peter Fenzl aus.

Der Wiener Rechtsanwalt Thomas Prader, der die Hinterbliebenen - B.s Witwe
und zwei minderjaehrige Kinder - vertritt, beruft gegen den UVS-Spruch beim
Verfassungsgerichtshof. Und das nicht zum ersten Mal in diesem Fall.
Urspruenglich hatte sich der UVS ueberhaupt fuer unzustaendig erklaert -
laut Gesetzeslage koennten nur direkt Betroffene Beschwerde erheben, so die
damalige zynische Argumentation. Nach einem Spruch des Hoechstgerichts
musste sich der UVS dann aber doch mit dem heiklen Fall beschaeftigen.

"Hier geht es um nichts Geringeres als das Menschenrecht auf Leben", meint
Anwalt Prader. "Wenn die Staatsgewalt dabei versagt, muss sie auch die
Verantwortung dafuer uebernehmen." Eine Amtshaftungsklage gegen die Republik
Oesterreich wurde eingebracht. (bearb.)

Quelle:
http://www.illegalisiert.at/staatsrassismus/prozess_sek_schuldlos290103.htm


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