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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 18. Februar 2003; 17:15
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Termin:
akin und AUGE laden ein zum
Politischen Gespraech:

> "Gruene: Weg mit den linken Fransen?"

Donnerstag, 20.2.2003, 18h;
Belvederegasse 10, 1040 Wien

***

Dazu zwei Kommentare aus der Redaktion:

> Nochmal davongekommen?

Nach dem Schuss der Wiener Gruenen vor den Bug der Bundesorganisation hat
diese die Regierungsverhandlungen aufgegeben. Jetzt ist alles wieder
leiwand? Wie mans nimmt! Die Partei hat sich im letzten Moment davor
gerettet, den nuetzlichen Idioten fuer die OeVP zu spielen und ihren
gesamten "ideologischen Balast" abzuwerfen, um die Bodenhaftung endgueltig
zu verlieren und in die hoeheren Sphaeren der sogenannten Macht aufsteigen
zu koennen.

Aber so deutlich wie diesmal sind die Widersprueche innerhalb der Partei
schon lange nicht mehr aufgebrochen. Dabei handelt es sich nicht einmal um
den Konflikt Wien vs. Bundeslaender. Denn zum einen waren durchaus Wiener
NR-Abgeordnete auf Seiten der Koalitionsfans, zum anderen gab es ziemlich
deutlich warnende Stimmen aus der Steiermark (z.B. AUGE) und
Oberoesterreich. Im "OOe-Planet", der Zeitung der dortigen Gruenen
Bildungswerkstatt war eine hoechst giftige Analyse von Marco Vanek zu lesen.
Dessen Conclusio: "Eine grundsaetzliche Aenderung der Regierungspolitik ist
mit Schuessel nicht moeglich. Die Gruenen waeren nur ein schmuckes Beiwagerl
fuer die grausamen Reformen der Schwarzen."

Es geht auch nicht um einen Streit zwischen "Realos" und "Fundis". Den hat
die Journaillie erfunden, weil sie zu faul war, die Unterschiede zwischen
den deutschen und den oesterreichischen Gruenen verstehen zu wollen. Denn
der seit Anbeginn in der oesterreichischen Partei schwelende grundsaetzliche
Konflikt ist ein ganz altmodischer: der zwischen links und rechts. Damals,
1986, schweisste man zwei Wahllisten zusammen, die VGOe und die AL, die
weltanschaulich kaum etwas gemeinsam hatten. Das einschneidende Erlebnis
Hainburg und der Schutz der Umwelt waren das einigende Band -- das wars aber
auch schon. Dieser Konflikt wurde nie ueberwunden und immer weiter
zugedeckt, um nur ja den Nimbus der "ewig streitenden Chaotenpartie"
loszuwerden.

Jetzt ist der Konflikt aufgebrochen und das ist gut so. Die sonst so
harmoniebestrebten Linken sind in einer Partei aufgewacht, die sie
vielleicht nicht mehr als die ihre wiedererkennen wollen. Darueber muss
jetzt diskutiert -- und wohl endlich auch ueber Konsequenzen nachgedacht --
werden.
*Bernhard Redl*

***

> Dollfuss ohne Waffen

Der mit den Komparsen tanzt

Was die Gruenen betrifft, ist Bernhards Kommentar kaum was hinzuzufuegen.
Weiters koennten wir Linken uns Gedanken machen, wie weit unsere Mitschuld
an der politischen Verwahrlosung der Gruenen reicht. Wenn auch nur oefters
indirekt durch kleinere Subventionen oder gewaehrte Unterstuetzungen von
Seiten gruener Gruppierungen - es reicht zum Schweigen und dazu, gruene
Inhalte oeffentlich nicht mehr in Frage zu stellen. Aber auch keine Inhalte
mehr zu fordern. Seifenblasen-Rhetorik und ideologische Vermeidungsspielchen
werden achselzuckend zur Kenntnis genommen und als solche schliesslich gar
nicht mehr registriert. So sind sie halt, die Gruenen. Was anderes hamma
net - zur Zeit.

Wen wundern die gruenen Verhandlungen mit der VP wirklich? Eine gruene
Fuehrungsriege, die ausser dem Karl Oellinger sowieso besser gleich der
Volkspartei beitreten koennte. Sie waere dort gut bedient und koennte mit
Khol gemeinsam irgendein VP-Referat fuer Heimatschutz aufbauen. Bitte, es
ist sagenhaft! Wer spricht mit der OeVP - wer erwartet sich von dieser
Partei auch nur das geringste substantielle Zugestaendnis? Eine Partei mit
Schuessel, der von vorne herein Zensuren bezueglich Reformwilligkeit
oder -unfaehigkeit erteilt. Ein Lager, das mit Unterstuetzung der Medien von
einem voellig morbiden politischen System profitiert und einer vertrottelten
Waehlerschaft nur mehr Figuren vom Schlage eines K.H.Grasser vorzuhalten
braucht. Um die letzten Reste eines noch funktionierenden Sozialgefueges im
Lande auszuloeschen.

Schuessel ist Dollfuss ohne Waffen. Er benoetigt keine anderen Parteien
mehr. Die Medien praesentieren eine Wirklichkeit, die keinen Widerspruch
mehr zulaesst. Gewehre und Heimwehr sind Schnee von vorgestern. Das
staendige Wiedergeben von Durchhalteparolen zum Sparen, zum
Vernuenftigwerden, zum Reformieren fuegt sich in der geneigten Waehlerschaft
von allein zum Stahlhelm. Der Gegner ist leicht zu orten: er traegt keinen.
Wer jetzt kein Patriot ist, traegt auch nichts bei zur Staatsgesundung. Es
gilt zu erdulden, zu ertragen - aber dann. Aber nicht einmal ueber die
zweifellos paradiesischen Zustaende nach der Durststrecke braucht sich die
VP mehr aeussern. Na und, dann gehen die Leute halt mit 70 in Pension und
zahlen beim Arzt, im Krankenhaus. Was macht es aus, nur mehr atypische
Arbeitsverhaeltnisse vorzufinden, wenn man doch so einen feschen
Finanzminister hat und so einen klugen Kanzler.

Das Personality-Spiel mit eifriger Beteiligung der schreibenden Zunft ist
auch ganz nuetzlich. Wie koennte ein moderner Dollfuss seinem Wahlvolk auch
erklaeren, dass die gute alte Politik nicht mehr im Lande gemacht wird? Dass
die internationalen Konzerne und die WTO leider keine Zeit fuer nationale
Interessen haben. Bei bestem Willen, sie haben anderes zu tun. Da und dort
gibt es noch stoerrischen Protektionismus zu beseitigen. Marktstoerungen und
Marktverzerrungen sozusagen. Das braucht Zeit. Wenn sich die multinationalen
Konzerne samt deren Tochterfirmen bereits ueber 50% des gesamten Weltmarktes
teilen, muss man da und dort ein bisschen nachhelfen. Mit
Investitionsschutzmassnahmen, mit Deregulierungen - man muss die
Privatisierungen forcieren, um den Wettbewerb erstmals einzulaeuten und dann
auch dauernd zu schuetzen. Man muss mit ganzer Kraft die Politikreste in
den Dienst des Marktes stellen - des ganz freien. Das klingt nicht gut, wenn
das Dollfuss so erzaehlt. Klingt irgendwie besser, wenn die Leute denken,
dass die Sozialdemokraten an allem schuld sind.
*Fritz Pletzl*

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