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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Februar 2003; 17:31
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Gefaehrliche Liebschaften:
> Die Teflon-Politiker
Wie wird man Politiker? Jetzt reden wir mal nicht von jener Spezies, deren
Vorfahren schon seit Generationen in der Partei waren (welcher auch immer)
und die einfach wegen ihrer Faehigkeit, grosse Reden zu schwingen, Politiker
geworden sind. Und auch nicht von jenen, die das Buergermeisteramt gemeinsam
mit dem Saegewerk vom Papa geerbt haben. Nein, reden wir von jenen Frauen
und Maennern, denen irgendwann einmal irgendwas gestunken hat -- sei es
buchstaeblich eine Muellverbrennungsanlage oder im uebertragenen Sinne der
Buergermeister der Heimatgemeinde -- der mit dem Saegewerk zum Beispiel.
Das sind Menschen, die am Beginn ihres Engagements nicht dem politischen
Establishment angehoeren. Sie werden als Oppositionelle sozialisiert. Das
hat zumindest zwei Effekte:
Zum einen beginnt so eine Karriere mal mit einer Protesthaltung -- oft mit
dem Verve eines Generationenkonflikts oder zumindest etwas so aehnlichem.
Solche Neueinsteiger fuehlen einerseits die Praepotenz des Establishments,
leiden aber andererseits natuerlich unter einem anerzogenen
Minderwertigkeitsgefuehl gegenueber diesem. Schliesslich hat man ihnen ja
von klein auf beigebracht, dass der Bundespraesident, der Bundeskanzler, der
Landeshauptmann und der Buergermeister diese Aemter deswegen inne haben,
weil sie so ehrenwerte und faehige Maenner (Frauen kommen da ja erst seit
kurzem hie und da in solchen Aemtern vor) sind.
Diese junge Protestgeneration wird aelter, ruhiger. Sie stellt fest: Das
Establishment kocht auch nur mit Wasser. Unsere Oppositionspolitiker werden
daraufhin immer frustrierter, stellen sie doch fest, dass sie jetzt endlich
auch anerkannt werden wollen und diese huebschen Aemtchen zieren wollen,
weil so gescheit, wie die, die diese Aemter bislang innehatten, sind sie
schon lange.
Aber irgendwie heisst das auch, dass man das Spiel mitspielen muss. Man muss
Koalitionen mit dem Establishment bilden, muss die Usancen des Amtes
bewahren. Man kann nicht ploetzlich alles umkrempeln, weil dieses Zipfelchen
Macht nunmal nicht viel Gestaltungsspielraum laesst, sondern eher die
Fortfuehrung der Geschaefte mit leicht modifizierten Details darstellt. Es
mag ein Kulturschock fuer die Untergebenen sein, wenn die neue
Buergermeisterin hie und da in der Lederjacke ins Amt kommt, aber der
Standort zum Beispiel des Saegewerks des jetzt abgesetzten Buergermeisters
muss trotzdem gesichert werden.
Das ist einem alles klar, aber immerhin kann man damit "Schlimmeres
verhueten". Denn man ist ja aus Teflon -- feuerfest und schmutzabweisend.
Zumindest glauben das die meisten im Innersten ihres Herzens. Das ist
naemlich der zweite Effekt aus jahrelanger Oppositionstaetigkeit. Tja,
lieber Mandatar, liebe Mandatarin, lange Zeit hat niemand auf deine
Mitwirkung oder auch nur Meinung Wert gelegt. Du musstest also keine
Kompromisse schliessen. Und daher bist Du auch nie korrumpiert worden durch
den diskreten Charme der Bourgeousie. Die anderen wohl, aber die waren ja
immer schon karrieregeil und opportunistisch und in der "richtigen" Partei.
Du selber aber wirst nicht korrumpiert. Du bist selbstbewusst, hast eine
hohe Meinung von dir. Du magst dich. Daher bist du dir ganz sicher, dass du
enorm viel Charakter hast. Mit dir koennen sie das daher gar nicht machen.
Du wirst in diesen Konflikten weiss und unbefleckt wie ein Engel bleiben,
immer dir selber treu. Die anderen, die werden sich die Zaehne an dir
ausbeissen.
Nur irgendwann einmal bist du dann halt zum Beispiel deutscher
Umweltminister und erklaerst der erstaunten Oeffentlichkeit, dass die
Umsetzung deiner Wahlversprechungen darin besteht, dass in 32 Jahren das
letzte Atomkraftwerk abgeschaltet werden wird -- wenn nichts dazwischen
kommt.
Und was das schlimmste daran ist: Irgendwann glaubst du den Scheiss, den du
verzapfst, sogar selber. Denn in den Spiegel schauen moechtest du dich ja
schon noch koennen. Schliesslich hast du dir ja vorgenommen, immer das zu
sagen, was du dir denkst. Wenn du heute das Gegenteil von dem sagst, was du
frueher gesagt hast, bist du einfach nur klueger geworden, trotzdem dir aber
treu geblieben. Denn du hast dir angewoehnt, wirklich das zu denken, was du
sagst.
W enn heute ueber "charmante" Regierungsformen nachgedacht wird, geht es
nicht nur um die Befuerchtung, dass ein Juniorpartner als billiger
Mehrheitsbeschaffer missbraucht werden koennte. Wer nur deswegen gegen
Schwarzgruen ist, denkt nur in Politiker- nicht aber in politischen
Dimensionen. Denn aus diesem kurzfristigen Aspekt heraus waere es
wahrscheinlich wirklich die beste Loesung, statt eines schwarzblauen
Gruselkabinetts oder einer schwarzroten Verfassungsmehrheit Schwarzgruen
anzupeilen. Aber es geht um viel mehr. Es geht darum, dass hier eine ganze
Oppositionsgeneration verheizt wird. Hier ist eine Partei, die, trotz
starker Praesenz der Lodengruenen, wie ein Schwamm den Grossteil der linken
Opposition aufgesaugt hat. Diese Partei, die sich schon seit den fruehen
Neunzigern unbedingt regierungsfaehig machen wollte und dadurch schon einige
Wandlungen hin zum Braven gemacht hat, waere aber doch noch fuer gewisse
politische Veraenderungsaufgaben brauchbar, wenn sie auf der Seite des
Protestes bliebe. Und daher waere Schwarzgruen vielleicht doch keine so gute
Idee.
Sicher, wer das Spiel mitspielt, patzt sich an. Bis zu einem gewissen Grad
ist das unvermeidbar, denn die Spielregeln haben andere geschrieben. Auch
wer auf harten Oppositionsbaenken sitzt und eigentlich nichts zu entscheiden
hat, bleibt nicht unbeeindruckt von der Tatsache, jetzt zu den wichtigen
Leuten zu gehoeren. Lange braucht es dann nicht mehr, bis man anfaengt, sich
auch so zu verhalten. Sauber bleibt man also nie, aber wieviel Dreck kann
man mitschleppen und trotzdem noch der Sache dienlich sein, derentwillen man
in die hohe Politik gegangen ist?
So bleibt es immer noch ein gewichtiger Unterschied, ob man mit leisem Ekel
ein bisserl mit dem Gatsch des Nationalrats spielt, oder aber, ob man sich
mit Genuss in die Jauchegrube der Bundesregierung stuerzt. *Bernhard Redl*
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