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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Februar 2003; 17:45
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Wien/Soziales/Termin:

> Kein Platz fuer obdachlose "psychisch Kranke"

Enquete will Loesungen erarbeiten

In Wien arbeiten zu wenige Einrichtungen fuer so genannte psychisch Kranke.
Einrichtungen fuer ambulante Hilfe sind vollkommen ueberlastet. Es fehlen
vor allem Einrichtungen, die sehr offen auf die vielfaeltigen Beduerfnisse
von Menschen in seelischer Not eingehen. Weil viele "psychisch Kranke" davor
zurueckschrecken, sozialpsychiatrische Angebote in Anspruch zu nehmen,
nutzen sie immer haeufiger die Einrichtungen der Wiener Wohnungslosenhilfe,
die dafuer zum Teil nicht ausgestattet sind, stellen die Strassenzeitung
AUGUSTIN und der Dachverband der Wohnungslosenhilfe BAWO in einer Aussendung
fest. Benoetigt wuerden in Wien:

* der Ausbau von praeventiven Massnahmen - z. B. Delogierungspraevention
gerade auch fuer "schwierige Mieter" sowie waehrend eines laengeren
Krankenhausauf-enthaltes,

* zusaetzliche "niederschwellige" Tageseinrichtungen,

* mehr betreute Wohnplaetze (in normalen Wohnungen),

* ein Wohnhaus, das jederzeit und unbuerokratisch von psychisch Kranken
aufgesucht wer-den kann - in Berlin werden mit einem "Clearinghaus" im
Bezirk Schoeneberg nach diesem Konzept sehr gute Erfahrungen ge-macht und

* ein mobiler Krisendienst, der - wie ein Notarzt - in Kooperation mit der P
olizei, rund um die Uhr und auch zu den Feiertagen (Weihnachten und
Jahreswechsel sind z.B. besonders krisenanfaellige Tage!) Menschen in Krisen
zu Hause auf-sucht - in Berlin, Linz und in Klagenfurt haben sich diese
Modelle bereits sehr bewaehrt.

In diesem Zusammenhang versteht sich der AUGUSTIN selbst auch als
niederschwelligstes Beschaeftigungsprojekt. Das bedeutet, dass er auch fuer
Menschen offen sein will, die fuer viele andere, selbst soziale
Einrichtungen zu "schwierig", zu unangepasst, zu unzurechnungsfaehig gelten.
Es handelt sich um Menschen in psychischen Krisen, um Psychiatrieerfahrene,
um so genannte psychisch Kranke. Die MitarbeiterInnen der Strassenzeitung
wissen aus eigener, nun schon siebeneinhalbjaehriger Erfahrung, dass der
Anteil solcher Personen an der Gesamtzahl der Wohnungslosen in Wien
zunehmend groesser wird. Es herrscht sozialpolitischer Handlungsbedarf.
Dabei soll auch Wert auf einen Pluralismus der Zugaenge gelegt werden. Zum
Beispiel sollten auch Positionen, die die Etikettierung "psychisch krank" in
Frage stellen oder die gaengige psychiatrische Diagnostik zur Einordnung der
Menschen kritisieren, einen Platz in der Debatte haben.

Ausgehend von spezifischen Erfahrungen in der langjaehrigen Arbeit mit
hunderten VerkaeuferInnen, ist natuerlich das Konzept der "Betreuung" neu zu
befragen. Der AUGUSTIN gilt gerade deshalb als "Superangebot" fuer viele
Betroffene, weil sie hier KEINE spezifische Betreuung als "psychisch Kranke"
geniessen und stattdessen mit Selbstverstaendlichkeit gleichbehandelt
werden.

Die BAWO betont, dass Tageseinrichtungen, Streetwork, Heime und Wohnplaetze
in Wohnungen in stei-gendem Masse von Personen mit zum Teil schwerwiegenden
psychischen Problemen aufgesucht werden, weil sie dort offenbar eher die
Hilfe erhalten, die sie brauchen. Mit rund 20 bis 40 Prozent schaetzen die
SozialarbeiterInnen der Wiener Wohnungs-losenhilfe den Anteil psychisch
Kranker in ihren Einrichtungen fuer das Jahr 2001. (Daten aus 2002 liegen
nicht vor.) Tendenz: steigend. 1998 lagen die Anteile noch bei 5 bis 20
Prozent. Die Unterschiede zwischen den Einrichtungen sind betraechtlich, das
heisst, in manchen Einrichtungen haben bis zu drei Viertel der betreuten
Personen zumindest psychische Probleme. Zum Teil erhalten die
SozialarbeiterInnen Unterstuetzung durch Fachaerzte fuer Psychiatrie, die
stundenweise vor Ort medizinische Hilfe anbieten. Dennoch ist professionelle
Sozialarbeit haeufig bereits gefaehrdet. Leidtragende sind sowohl die
psychisch Kranken, die nicht professionell betreut werden, aber auch alle
anderen Wohnungslosen, die unter den Zustaenden leiden, als auch die
SozialarbeiterInnen. Das Problem stellt sich nicht nur in Wien, auch in
manchen Bundeslaendern steigt der Anteil psychisch Kranker in den
Sozialeinrichtungen fuer Wohnungslose: Der Sozialver-ein "B37" betreibt das
groesste Wohnheim in Linz und schaetzt, dass 2/3 der Bewohner eine
psychiatrische Diagnose aufweisen. Auch hier steigt dieser Anteil laufend.
(Aussendung Augustin und Bawo/bearb.)


Die Fachenquete "Psychisch krank & Wohnungslos. Wege aus der Krise" von
AUGUSTIN und BAWO findet am Freitag, 14. Februar, von 14 bis 18 Uhr im Depot
(Wien 7, Breite Gasse 3) statt. Fuer weitere Auskuenfte stehen AUGUSTIN
(Tel. 01/ 587 87 89) und BAWO (Tel. 0650/ 812 72 02) zur Verfuegung.



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