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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Jaenner 2003; 12:16
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Sozialdemokratie/BRD:
> Zwischen Anti-Kapitalismus und Kinderschutzbund
Die Diskussionen werden heftiger, die Stellungnahmen immer absurder: Die
NATO-Sicherheitskonferenz vom 7. bis 9. Februar in Muenchen sorgt bereits
jetzt fuer Unruhe -- und die SPD verhaelt sich dazu sehr sozialdemokratisch.
Ein Sittenbild aus Deutschland.
Gegen die Tagung, die vom 7. bis 9. Februar zum 39. Mal im "Hotel
Bayerischer Hof" in der Muenchner Innenstadt stattfinden wird, mobilisiert
das "Buendnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz", das schon die Proteste
im letzten Jahr organisierte, zusammen mit Attac und dem Muenchner
Friedensbuendnis. In den letzten Wochen sprangen ausserdem der Muenchner
Kinderschutzbund, die evangelische Kirche und Teile der Gewerkschaften auf
den Zug auf. Den absoluten Clou landete aber der Muenchner
Oberbuergermeister Christian Ude, als er beim Dreikoenigstreffen der SPD am
6. Januar erklaerte, er wolle sich ebenfalls an Demonstrationen beteiligen.
Seitdem ist in Muenchen eine heftige Diskussion entbrannt zwischen der CSU,
der Muenchner Polizei, den Veranstaltern der NATO-Sicherheitskonferenz um
den frueheren Kanzlerberater Horst Teltschik, der SPD und den Gruenen, die
ihre Rhetorik vom "Nein zum Irak-Krieg" bei gleichzeitigem offiziellem
Sektempfang fuer die Teilnehmer der NATO-Sicherheitskonferenz durch OB
Christian Ude immer hilfloser verteidigen.
Die wundersamen Wandlungen des Christian U.
Im letzten Jahr hatte der Muenchner Oberbuergermeister Christian Ude sich
demonstrativ hinter das Kreisverwaltungsreferat gestellt und das Verbot der
Proteste gegen die NATO-Sicherheitskonferenz unterstuetzt. In der Endphase
des Kommunalwahlkampfes hatte er versucht, mit einer harten Linie Stimmen am
rechten Rand zu fischen. Bis heute aber haben die Behoerden keinen Nachweis
erbracht fuer die "bis zu 3.000 Chaoten und Gewaltbereite", die Muenchen
angeblich "entglasen" wollten. Im Gegenteil: Die Hinweise verdichten sich,
dass diese Meldung frei erfunden war. Als OB Ude ankuendigte, er werde
dieses Jahr "Demonstrationen erlauben", reagierte die Muenchner CSU prompt
und warnte vor einem "Persilschein".
Die Antwort von Seiten der Organisatoren der Protestaktionen kam prompt: Man
freue sich, dass sich Ude den Protesten gegen den Krieg im Irak und gegen
die NATO-Sicherheitskonferenz sowie gegen die "Kriegspolitik der
Bundesregierung" anschliessen wolle, sagte Claus Schreer vom "Buendnis gegen
die NATO-Sicherheitskonferenz" auf einer Pressekonferenz Anfang Januar. OB
Ude sitzt damit in der Falle, denn gegen "seine SPD" will er dann doch nicht
demonstrieren. Seit Anfang Januar versucht er deshalb verzweifelt, einen
Ausweg zu finden ohne sein Gesicht zu verlieren. Denn die "buergerliche"
Presse in Muenchen verweist explizit auf die Inhalte der
Mobilisierungsflugblaetter, in denen der Zusammenhang zwischen
kapitalistischer Globalisierung und Kriegspolitik der NATO-Staaten
hervorgehoben wird. Ein Zusammenhang, den OB Ude nicht sehen will. Er hat
vor, gegen einen Krieg im Irak demonstrieren, lehnt es aber --
gezwungenermassen -- ab, an der Demonstration vom 8. Februar teilzunehmen,
weil "dort ausgerechnet die Bundesregierung verleumdet wird, die am
konsequentesten von allen europaeischen Regierungen gegen den Krieg
eintritt". Ude rudert verzweifelt zurueck. Inzwischen sind jedoch diverse
andere Gruppen und Organisationen dem Muenchner Oberbuergermeister
blindlings in die Zwickmuehle gefolgt. So ruft beispielsweise die
Vorsitzende des Kinderschutzbundes in Muenchen Eltern und Grosseltern dazu
auf, sich dem Protestmarsch anzuschliessen, da "Kinder die am meisten
betroffenen Opfer des Krieges werden". Auch die Kirchen vertrauten Ude
offenbar und erklaerten oeffentlich, Schlafplaetze fuer anreisende
Demonstrantenbereit zu stellen. Sie waren anscheinend davon ueberzeugt
gewesen, dass es Ude gelingen wuerde, die Organisatoren der
Gegenveranstaltungen zu vereinnahmen und die Proteste gegen die
NATO-Sicherheitskonferenz auf die schlichte Botschaft einer
"Friedensdemonstration" zu verkuerzen.
Rot-Gruen at his best
Was sich in Muenchen derzeit abspielt, ist vergleichbar mit den naiven
Beteuerungen von Bundeskanzler Schroeder und Aussenminister Fischer,
Deutschland werde sich nicht an einem Krieg gegen den Irak beteiligen,
waehrend gleichzeitig saemtliche Tageszeitungen seit Wochen Artikel um
Artikel darauf hinweisen, dass Deutschland schon mitten drin steckt:
US-amerikanische Einrichtungen werden von Bundeswehrsoldaten geschuetzt,
deutsche Soldaten fliegen in den Awacs-Aufklaerungsflugzeugen mit und geben
Zieldaten durch, und die Anti-ABC-Einheiten in Kuwait werden auch noch zum
Einsatz kommen. Was Schroeder in Berlin vormacht, versucht Ude in Muenchen
zu kopieren. So erklaerte er vor Wochen, ob es einen staedtischen Empfang
fuer die Teilnehmer der NATO-Sicherheitskonferenz gebe, haenge davon ab, "ob
Annan oder Rumsfeld dort das Sagen hat." Inzwischen hat Annan abgesagt und
die angekuendigten Vertreter der US-Regierung werden ihren Auftritt in
Muenchen sehr wahrscheinlich dazu nutzen, die US-amerikanische Irak-Politik
zu begruenden und dann letztendlich durchzusetzen. Doch nach wie vor
bekraeftigt Ude, dass er einen staedtischen Empfang fuer die
Konferenzteilnehmer ausrichten wolle. Um sich gleichzeitig aber als
Friedenstaube darstellen zu koennen, wird er -- so der Stand am 21.1. --
eine eigene Demonstration zusammen mit Gewerkschaftsbund und den Kirchen
anmelden. Diese Demonstration soll sich dann ausschliesslich gegen den Krieg
im Irak richten. Sein Parteifreund Maget allerdings sagte noch am 18.1.: "Es
ist schwer vermittelbar, die Teilnehmer der Konferenz mit Sekt zu empfangen
und parallel dazu gegen einen Krieg im Irak zu demonstrieren."
Ebenso zweigleisig fahren die Gruenen: Waehrend Fraktionschef Benker gegen
die NATO-Sicherheitskonferenz demonstrieren will, verteidigt der
2.Buergermeister Monatzeder die Konferenz: Man muesse "jede Gelegenheit
nutzen, um die Amis vom Krieg abzuhalten".
Mit immer groesseren Widerspruechen versuchen die Regierenden in Muenchen,
ebenso wie in Berlin, der Bevoelkerung ihre Politik zu verkaufen. Dabei
stolpern sie jedoch einerseits ueber kritische Stimmen innerhalb ihrer
Parteien und andererseits ueber die offensichtliche Realitaet der aktiven
Beteiligung Deutschlands am Krieg. Unabhaengig vom Verlauf der
Demonstrationen in Muenchen koennte bereits im Vorfeld ein grosser Erfolg
der Proteste gegen die NATO-Sicherheitskonferenz sein, diese Diskussion in
die Oeffentlichkeit getragen zu haben. Die Rhetorik vom "Krieg fuer
Menschenrechte" sowie von der "Friedensmacht Europa" verliert so immer mehr
an Glaubwuerdigkeit. Wahrscheinliches Szenario am 8. Februar: am Marienplatz
demonstrieren Zehntausende gegen die NATO-Sicherheitskonferenz, Militarismus
und Kapitalismus, waehrend parallel dazu nur einige wenige zur Kundgebung
von Oberbuergermeister Christian Ude kommen.
*Pressegruppe des Buendnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz
(gekuerzt)*
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