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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Jaenner 2003; 12:26
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Gruene:

> Ab in die Nichtraunzerzone!

Spalter aller Bundeslaender, vereinigt Euch!

Es tut sich was. In den letzten zwei Wochen habe ich ziemlich viel Unmut
ueber das gehoert, was sich die Gruenen derzeit leisten. Immer mehr Leute
sagen jetzt: "Also wenn die so weiter machen, waehle ich das naechste Mal
wirklich die KPOe" oder "die SLP" oder sogar "die SPOe". Oder: "Vielleicht
sollten wir doch wieder die AL reaktivieren..." Die Gruenalternative Jugend
protestiert in aller Schaerfe gegen eine Koalition mit der OeVP und die
Wiener Gruenen faellen einen Beschluss, dabei ganz bestimmt nicht
mitzumachen.

Sehr schoen, der linke Teil der Basis motzt.

Aber leider: das tut er, seit es die Gruenen gibt. Und wer schimpft,
kauft -- haette es diese Redewendung nicht schon vor den Gruenen gegeben,
man haette sie wegen ihnen neu erfinden muessen. Die Rumnoergelei ist kein
Widerstand, im Gegenteil, sie ist systemstabiliserend: Man fuehlt sich
besser, weil man mit seiner Raunzerei sich und seiner Umgebung versichert
hat, dass man ja doch sooooo oppositionell ist, und kann dann mit gutem
Gewissen weitermachen wie bisher. Echte Konsequenzen werden nicht gezogen.
Ich hoere sie schon jetzt: Beim naechsten Mal werden wir wieder von all den
skeptischen Stimmen gesagt bekommen, man muesse doch die Gruenen waehlen,
weil sonst...

Ich gehoere nicht zu denjenigen, die sich Erloesung von irgendeiner Partei
versprechen, sondern bin lediglich der Meinung, dass man sie -- wie Joerg
Haider es in einem ganz anderem Kontext gesagt und auch getan hat -- vor
sich hertreiben muss. Das geht nicht nur von rechts und aus einer
Parteiposition, das geht auch von links und ausserparlamentarisch.

Aber schoen, wenn die oberwaehnten Stimmen partout auf den Parlamentarismus
setzen wollen, dann muss man ihnen aber auch sagen: Zieht daraus
Konsequenzen!

Was jedoch passiert, ist ein ganz langsamer Frustrationsprozess, der manche
Linke zum Herausgehen aus der Partei bringt -- ohne dass sie deswegen ihr
Wahlverhalten aendern wuerden -- und manch andere zur Ueberzeugung bringt,
in der Partei zu bleiben, "um Schlimmeres zu verhueten". Nur leider machen
sie das nicht, sondern motzen, laufen trotzdem beim naechsten Wahlkampf sich
die Hacken ab und waehlen beim naechsten Bundeskongress wieder die selbe
Kamarilla, die jetzt bei den Gruenen das Sagen hat. Und der Grosse
Vorsitzende kriegt wieder 90,5% Zustimmung. Dieses Verhalten ist genau
jenes, das den sich selber als professionell verstehende Teil der Partei
alles andere als stoert.

Spitzenpolitiker werden nicht durch Freundlichkeit beeinflusst. Sie brauchen
die Peitsche! Man muss ihnen klar machen, dass sie die linken Stimmen nicht
gepachtet haben, sondern dass sie abwandern koennen. Irgendwelche scharfe
Resolutionen von Teilorganisationen verpuffen ins Nichts. Das ewige Trauma,
das Ettiket "zerstrittene Gruene" von der Journaillie umgehaengt zu
bekommen, sollte endlich mal einer Therapie zugefuehrt werden. Was es
braucht, sind Abwahlantraege, namentlich unterschriebene und auch wirklich
ernstgemeinte Ultimaten, Kritik nicht nur an einzelnen Handlungen wie
OeVP-Koalitionsgespraeche, sondern auch der Personen als solcher -- und das
nicht intern und in der Gham, sondern so oeffentlich wie es geht. Der Grosse
Vorsitzende benutzt seine Popularitaet und die Angst vor einem schlechten
Image der Gruenen dazu, Parteibasis und -gremien immer wieder in seine
Bahnen zu pressen. Den Spiess kann man aber auch umdrehen: Wenn die Spitze
eine einheitliche Partei will, dann muss sie sich auch an den Linken
orientieren, weil es sonst Stunk gibt, vielleicht sogar einen Big Bang á la
"Knittelfeld".

Doch leider fehlt den Linken in der Partei dieser Mut: Vor lauter Angst nach
den schlechten Erfahrungen mit der SPOe, der KPOe oder der AL wieder
politisch heimatlos zu werden, laesst man sich alles reindruecken. Man
frisst jede Krot, um nur ja nicht wieder in der parlamentarischen
Bedeutungslosigkeit zu versinken, jetzt, wo man es doch endlich geschafft
hat, vom Establishment einigermassen anerkannt zu werden. Oije, da koennte
man doch glatt sein Bezirksratsmandat verlieren oder seine "gute
Gespraechsbasis" mit irgendwelchen Fuzzis von der Industriellenvereinigung!

Was fehlt, ist ein fester Landungspunkt, auf den hin man abspringen koennte.
Viele Waehler haben in Graz auch aufgrund der dortigen Waehlbarkeit der KPOe
die Konsequenzen gezogen. Zwar wird sich das wahrscheinlich auch nur wieder
als dasselbe in Rot herausstellen, aber zumindest spueren die Gruenen eine
verdammt steife Brise von links -- dazu ist die KPOe dort immerhin noch gut.

In Wien und auf Bundesebene gibt es keine derartige Pressure Group, die man
unterstuetzen koennte, um die Gruenen und damit auch dem gesamten
Parteienspektrum die Rute ins Fenster zu stellen. Gibt es aber keine
Pressure Groups, dann muessen sie gegruendet werden. Es bedarf eines
konzertierten Vorgehens linker Skeptiker innerhalb, vielleicht aber auch
ausserhalb der Partei, um diesem demuetigenden Spektakel der
Kapitalismus-Apologeten ein Ende zu setzen.

Eine Welt gibt es dabei vielleicht nicht zu gewinnen, aber ein paar Ketten
zu verlieren, waere doch auch schon was wert. *Bernhard Redl*


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