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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. Jaenner 2003; 12:30
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Graz darf alles:
> K-Hauptstadt 2003
Das Grazer Wahlergebnis ist ganz nach meinem Geschmack. So ein opulentes
Wahlmahl bekommen linke Feinspitze nicht jeden Tag serviert. Das Rezept der
Grazer KPOe, pragmatische Orientierung und Prinzipientreue unter Rueckgriff
auf die Zutaten Authentizitaet, Integritaet und Engagement der KandidatInnen
zu verbinden, ging voll auf. Endlich ist die Politikgruetze dunkelrot. Ein
wenig mehr Gruenzeug haette jedoch nicht geschadet. Das K vor der Hauptstadt
steht aber nicht fuer Kulinarisches, sondern fuer Kultur und Kommunismus.
Eine K&K-Renaissance also in Graz, diesem steirischen Ostberlin.
Gedankenlose Begeisterung ueber und einige lose Gedanken zum
Sensationserfolg der KPOe.
Da ich kein Meister der Gelassenheit wie unser Schweigekanzler Dr. feng shui
Schuessel bin, war mein Jubel am Sonntag animalisch. Ich las vom Wahlausgang
und fand mich unvermittelt und mit Erstaunen in einer Pose wieder, die ich
als Ausdrucksmittel der Freude seit meiner Zeit als provinzieller
Knabenfussballer nicht mehr angewendet habe: in der sogenannten Becker-Saege
mit praeziser Parallelfuehrung von Oberschenkel und Unterarm. Ging aber
dann, nach nochmaligen Lesen des traumhaften KP-Ergebnisses, zu einem
Giovane-Elber-Samba ueber.
Protestwahl, sagt die buergerliche Journaille, deren Zunge jedesmal
anschwillt, die fast erstickt, wenn sie Kommunismus in einem anderen
Zusammenhang als mit Massenmord in den Mund nehmen muss, und meint damit,
dass die WaehlerInnen nur Enttaeuschung, Frust ueber die Politik der FPOe
zum Ausdruck bringen wollten, dass sie zu den Urnen liefen wie kopflose
Huehner ueber den Hof, auch wenn viele in den Wahlzellen an die
versprochenen und bereits realisierten Nasszellen gedacht haben moegen.
Kaltenegger, so wird unterschwellig suggeriert, sei eben ein Grazer Joergl,
der Proteststimmen einheimst, gleichviel wofuer er ideologisch steht. Mag
dieser Erklaerungsansatz auch in Ansaetzen Wahres beinhalten - so steht der
persoenliche Verdienst der Grazer GenossInnen um K&K, Kaltenegger und Kahr,
ausser Zweifel - die Schwaechen sind nicht zu uebersehen: Tausende ehemalige
NichtwaehlerInnen, deren bisherige Protesthaltung die Stimmenthaltung war,
haben gestern fuer die KPOe votiert. Das bequemste Protestmittel, das bei
Wahlen zur Verfuegung steht: das Zuhausebleiben, gibt man allerdings nicht
ohne einen positiven Anreiz auf, wenn man nur irgendwie Protest gegenueber
einer oder mehreren Parteien artikulieren moechte. Also von wegen vorwiegend
desillusionierte FPOe-WaehlerInnen. Ferner trug die KPOe in Graz, ungeachtet
der Tatsache, dass sie entschieden gegen Privatisierungsvorhaben opponierte,
Verantwortung. Ihr Erfolg kann also nicht auf klassische Proteststimmen
zurueckgefuehrt werden, welche die Opposition ausschliesslich auf Grund der
Unterlassungen und Fehler der regierenden Parteien erhaelt, auch wenn dieses
Moment einen gewissen Einfluss gehabt haben mag. Kurzum: Die KPOe und ihr
Spitzenkandidat wurden gewaehlt, weil, wie es Franz Stephan Parteder in
einer Aussendung formulierte, die Moeglichkeit einer Alternative zur Politik
der Herrschenden sichtbar wurde. In diesem Sinne war es in der Tat eine
Protestwahl: ein Protest gegen die bestehenden Verhaeltnisse und die diesen
Verhaeltnissen entsprechenden Politikmuster.
*Roman Gutsch*
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