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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 21. Jaenner 2003; 14:09
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Justiz:

> Der Abhaengige Verwaltungssenat

Der Standesvertretung einer sehr oesterreichischen Form von weisungsfreier
Institution reicht es

Ende der 80er-Jahre wurden in Oesterreich die Unabhaengigen
Verwaltungssenate (UVS) eingefuehrt, um mit dem Missstand aufzuraeumen, dass
Berufungen gegen Verwaltungsbescheide (Verwaltungsstrafen etc.) von der
selben weisungsgebundenen Behoerde behandelt wurden, die bereits in erster
Instanz entschieden hatte. Das erste richtige Gericht, dass man auf einem
Rechtsweg zur Anfechtung solcher Bescheide anrufen konnte, war der
Verwaltungsgerichtshof (VwGH).

So war diese Reform von Anfang an nicht dazu gedacht, einen
obrigkeitsstaatlichen Verfassungsmissstand (Judikative und Exekutive in
einem) zu beseitigen, sondern hauptsaechlich, um den VwGH, eines der drei
oesterreichischen Hoechstgerichte, von einem Wust an Beschwerden zu
befreien, damit dieser sich ausschliesslich seiner Funktion als
ausserordentliche Instanz zur Faellung von Grundsatzentscheiden widmen
koenne.

Und danach sahen die UVS auch aus. Die Richter waren zwar
weisungsungebunden, aber in der Praxis erwies sich diese Ungebundenheit als
loechrig, was mittlerweile auch die Standesvertretung der Unabhaengigen
Verwaltungssenate moniert. Diese forderte jetzt in einem Offenen Brief an
Kanzler und Partlamentsparteien, die UVS endlich zu echten Gerichten
auszubauen und damit wirkliche Unabhaengigkeit herzustellen. Dieses Vorhaben
der Verwaltungsreform wurde bisher nicht umgesetzt, es muesse jetzt
Gegenstand der Regierungsverhandlungen werden, fordert der UVS-Verein.

Der UVS-Verein konstatiert, dass derzeit UVS "Zwitterwesen" seien. Ihre
Mitglieder sind keine unabhaengigen Richter, sondern organisatorisch und
dienstrechtlich von den Landesbehoerden -- also den Kontrollierten --
abhaengig. Diese Abhaengigkeit werde sich "auf Grund der unheilvollen
Eigendynamik" noch verschaerfen, warnen die UVS-Vertreter: "Heute wissen
wir, dass sich die Aemter der Landesregierungen ... nicht dazu gedraengt
sehen, die Emanzipation der UVS in die Gerichtsfoermigkeit zu befluegeln. Im
Gegenteil: Gemessen an der nuechternen UVS-Wirklichkeit ist die
Unabhaengigkeit schon aeusserlich nicht verwirklicht und die innere
Unabhaengigkeit der Senatsmitglieder vielfaeltig behindert".

Die Standesvertretung nennt Beispiele: In Tirol werde die Abhaengigkeit der
Senatsmitglieder durch Verweigerung der Lebenszeiternennung
aufrechterhalten. Fuer die Wiener UVS-Mitglieder drohe die Unterwerfung
unter eine vom Magistrat, "somit vom Kontrollierten", beherrschte
Disziplinargewalt. In allen Bundeslaendern geschehe die Karriere-Steuerung
fuer die UVS-Mitglieder ausschliesslich durch den Kontrollierten, so sei die
Ernennung in Leiterfunktionen gaenzlich in der Hand der Verwaltungsmacht.
Und fuer einige Senate sei bereits zu befuerchten, dass durch die
Verweigerung von ausreichender Personalausstattung die unabhaengige
Rechtsprechung behindert wird.

Ohne Umsetzung der - bereits im vorigen Koalitionsuebereinkommen
enthaltenen - Umwandlung der UVS in Verwaltungsgerichte, wuerde die
eingeleitete Verwaltungsreform auf halbem Weg abgebrochen, betonen die
UVS-Vertreter. Es werde sich nicht mehr verbergen lassen, "dass eine
schlichte Weisungsfreiheit bei Fortbestand variantenreicher
Einflussmoeglichkeiten nicht die versprochene Unabhaengigkeit sein kann. Die
UVS muessten also per Verfassungsbestimmung in echte Gerichte umgewandelt
und voellig aus den Einflusszonen der politisch gefuehrten Verwaltung und
ihrer Buerokratien herausgeloest werden, so die Forderung der
Standesvertretung.

Ob das in einem Land, wo die Polizei jetzt schon damit fertig zu werden hat,
dass sie Verdaechtigen einen Anwalt zugestehen muss, nicht schon zuviel an
Rechtsstaatlichkeit ist, bleibt abzuwarten. (APA/akin)

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Archivtip: 1997 hatte der Praesident des UVS nach Behoerdenwunsch autoritaer
(anstatt mit Kollegialbeschluss) dem Senat eine Geschaeftsverteilung
oktroyiert, die das Kollegium mehrheitlich abgelehnt hatte - was ganz
bestimmte Senatsmitglieder von ganz bestimmten Zustaendigkeiten abhielt.
Nach dem die Mehrheit des Senats dagegen geklagt hatte, sah sich der
Verfassungsgerichtshof gezwungen, diese Geschaeftsverteilung als
"offenkundig rechtswidrig" aufzuheben (akin 24, 29 & 30/1997).


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