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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 21. Jaenner 2003; 14:24
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Nachkwahlen/Debatte/Agrarpolitik:
> Oekologischer Thatcherismus
Zu Thomas Herzl`s Leserbrief (akin 1/2003, akin-pd 14.1.2003)
Lieber Thomas, der du hoechst Sonderbares schreibst. Fruehere Artikel aus
deiner Feder hab` ich beim zufaelligen Durchblaettern von aelteren
akin-Jahrgaengen entdeckt. Gleich geblieben mit deinen jetzigen Texten ist
deine offenbar tief verwurzelte Abneigung gegenueber der SP. Diese sei dir
auch weiterhin belassen. Sofern du keine rassistischen oder aehnlich
chauvinistischen Feindbilder strapazierst, kann dergleichen manchmal auch
den kritischen Verstand schaerfen. Nur - apropos klares Denken - ich
fuerchte, dass du angesichts deiner Zeilen in der letzten akin noch nicht
genug Fehler bei der SP gefunden hast.
Wenn du alles tatsaechlich ernst gemeint hast, ist das zumindest
Oekologischer Thatcherismus.
Die Euphorie gewisser Gruener, auch einmal ein bisschen mit der VP zu
regieren, waere ja an sich eine nette Lachnummer. Der fuer seinen politisch
korrekten Umgang mit dem Koalitionspartner schon sprichwoertlich bekannte
Schuessel - wie gesagt, gacker...! Das Laecheln vergeht schnell, wenn noch
so Kleinigkeiten wie die vergangenen und auch das gegenwaertig vorliegende
Programm der VP bedacht werden. Und wenn zufaelligerweise dunkel in
Erinnerung ist, was die letzten Jahre vor allem sozialpolitisch tatsaechlich
passiert ist.
Und frostig wird es durch die schlichte Erkenntnis, dass eine
Regierungs"beteiligung" der Gruenen die ohnehin aeusserst schwaechliche
Linke endgueltig bagatellisieren wuerde. Der VGOe hat es ja schon immer
gewusst: die Gruene Bewegung muss endlich nach rechts - der sektiererische
anti-kapitalistische Widerstand muss endlich weg.
Mit der Beantwortung deiner Frage, womit du zufrieden waerst, geraten deine
Ausfuehrungen - um es halbwegs nett auszudruecken - ins Fabulieren,
garniert mit beinharter Marktwirtschaft. Die Gruenen bekommen das
Landwirtschaftsministerium und streichen sofort alle Subventionen. Gloriose
Idee, die mit Sicherheit eine gesuendere Umwelt und vor allem keine
Massentierhaltung bringen wuerde. Denkst du das tatsaechlich? Geh bitte!
Keine staatlichen oder supranationalen Zuschuesse bringen also weniger
ruinoese gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen in der Dritten
Welt, kein Bauernsterben, kein Greisslersterben, weniger Duengemittel...?
Nach deinen Vorstellungen macht dies der ungebremste Kapitalismus alles
moeglich. Die Handlungsanleitung fuer eine schoene, nette und vor allem
oekologische Welt zum Kuscheln und Wohlfuehlen ist sehr einfach und kurz:
keine Einmischung, vor allem nicht die des Staates.
Waere es fuer dich denkbar, dass das Streichen jeglicher Subventionen bloss
das Grossbauerntum, also die industrielle Landwirtschaft, foerdern wuerde?
Bei allem Schindluder, der mit dem Subventionswesen einhergeht, du haettest
ohne staatliche oder kommunale Unterstuetzungsmassnahmen keine so nette
huebsche Landschaften, mein Guter! Du haettest so einiges nicht. Falls
Bedarf nach "Bio" in welcher Form auch immer profitabel erscheint, wuerden
einfach Biofabriken aus dem Boden gestampft werden - nix von wegen
vertraeumter netter Biobauer. Bergbauern gibts leider dann auch nicht mehr -
und die kleinen Bauern sollen halt in die Stadt umziehen, sich dort
unauffaellig verhalten und vor allem biologisch ernaehren. Am besten aber
mit Gemuese, denn du meinst ja, die Fleischpreise sollten eh steigen. Ist
es vielleicht so, dass sich weniger Begueterte dann eben weniger Fleisch
leisten koennen? Oder meinst du, dass das wenigstens zur Volksgesundheit
beitragen wuerde? Zumindest einmal bei den Aermeren. Die ja sowas von
unbelehrbar sind, weil sie nicht einmal im Bioladen einkaufen gehen.
Ich glaub, es reicht! Mehr kann dem kapitalistischen System nicht
entgegengekommen werden. Diese Form der Oekologie ist gedankenlos und vor
allem inhuman. Zum Beispiel sind ca. 70 % der polnischen Bauern Kleinbauern,
die nach dem Beitritt ohne Subventionen sofort ihre Hoefe verlassen
muessten. Ich billige dir zu, dass du das nicht so gemeint und vor allem
nicht so gewollt hast, aber generell wird immer mehr akzeptiert: Man muss
vernuenftig sein, den Abbau des Sozialsystems akzeptieren, Kompromisse
schliessen, den Sozialismus begraben, die sozialen Ungleichheiten verstehen,
die Gruenen mit der VP koalieren lassen - und der letzte dreht das Licht ab!
So sicher nicht!
*Fritz Pletzl*
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