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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 21. Jaenner 2003; 14:38
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Medien/FPOe:

> Was ist Satire?

FP-Strache gegen Persiflage: Presserichter verurteilt Augustin

Der Journalismus darf sich relativ frei entfalten in unserem Land. Er darf
sogar zum Stilmittel der satirischen Darstellung greifen. Aber bitte in
Massen. Am besten, man schreibt "Satire" drauf, wo Satire drin ist. Ein
Urteil des Presserichters Bruno Weis gegen die Strassenzeitung "Augustin"
legt eine solche vorsichtige Vorgangsweise nahe.

Im Wiener Landesgericht fuer Strafsachen wurde ein Schreiben des Wiener
FPOe-Politikers Heinz Christian Strache verhandelt, das im Juni 2002 in der
Rubrik "Briefe an Dr. Sommer" zu finden war. Ein fiktives Schreiben. Fuer
wirkliche Briefe an den Augustin gibt es die Rubrik "Fanpost". In der Rubrik
"Briefe an Dr. Sommer" steht ausschliesslich Erfundenes. Selbst der
omnikompetente Empfaenger und Antwortschreiber "Dr. Sommer" ist erfunden.

Freilich klebt das Erfundene, wie das im Metier der Satire der Fall ist, am
Realen. In Wirklichkeit hat es Strache niemals so gesagt, wie es im Augustin
stand: "Ich habe eine U-Bahnpolizei im Umfang von 150 Uniformierten
gefordert, die die slowakischen Mafiabettler und die nigerianischen
Drogendealer abschrecken und die Sicherheit der Fahrgaeste gewaehrleisten
sollen". Sondern er sagte: "Ich fordere eine U-Bahnpolizei im Umfang von 150
Uniformierten, um die Sicherheit der Fahrgaeste zu gewaehrleisten".
Deutlicher braucht ein blauer Kommunalpolitiker "im Dienst" nicht zu werden,
denn sein geneigtes Publikum versteht, wem die gewuenschten U-Bahn-Sheriffs
die Suppe zu versalzen haben.

"Der von Ihnen veroeffentlichte Leserbrief ist eine Faelschung und stammt
daher nicht von mir; auch die darin enthaltenen Aeusserungen wurden niemals
von mir abgegeben", liess Strache ueber die Rechtsanwaltskanzlei
Gheneff-Rami (vormals Boehmdorfer) wissen. Er forderte eine
Gegendarstellung. Die bekam er, garniert mit dem gehoerigen redaktionellen
Kommentar. Gleichzeitig beauftragte der Augustin seinen Rechtsanwalt, den
Anspruch auf die Gegendarstellung zu bekaempfen.

Vor dem Presserichter fuehrte Rechtsanwalt Hannes Havranek aus, dass "Dr.
Sommer" von dem bekannten Sexualaufklaerer und -ratgeber der
Jugendzeitschrift "BRAVO" abgeleitet sei. Die Dr. Sommer-Serie des BRAVO
stehe als Synonym fuer nicht ernstzunehmenden Journalismus und sei immer
wieder Gegenstand von satirischen und karikierenden Veroeffentlichungen -
was aufgrund der umfassenden Verbreitung des BRAVO als allgemein bekannt
gelten koenne. Schon allein aus der Bezeichnung der Rubrik im Augustin wisse
der Leser, die Leserin, dass es sich um satirische, persiflierende
Veroeffentlichungen handle, in denen fiktive Leserbriefe beantwortet
wuerden. Um den Zweck der Persiflage zu erreichen, wuerden tatsaechlich
getaetigte Aussagen "ueberzogen" abgefasst werden.

Das gelte auch im vorliegenden Fall. Havranek woertlich: "Da aus den Reihen
der FPOe auch immer wieder drogendealende Schwarzafrikaner und Auslaender,
insbesondere jene aus dem ehemaligen Ostblock, sowie nicht der Gesellschaft
absolut angepasste Menschen (z.B. Punks) als die Sicherheit der
Oesterreicher massiv bedrohende Individuen dargestellt werden, lag bei der
abermaligen Forderung nach mehr Ordnungshuetern nahe, eine Persiflage mit
ueberzogenem Inhalt zum Gegenstand einer fiktiven Anfrage an Dr. Sommer zu
machen." Kein Politiker, der bei normalem Verstand ist, wuerde einen
derartigen Leserbrief wirklich verfassen, der doch "bei einer politisch
voellig anders orientierten Zeitung, die der Unterstuetzung von Obdachlosen
dient", nur zu seiner Vorverurteilung fuehren wuerde. Die LeserInnen des
Augustin wuessten auch deswegen um den satirischen Charakter der Dr.
Sommer-Rubrik Bescheid, weil diese Rubrik staendig zu lesen sei. Der Leser
verstehe den beanstandeten Artikel und die Antwort dazu als kritische
Auseinandersetzung des fiktiven Dr. Sommer mit tatsaechlichen Aeusserungen
des FPOe-Politikers.

Presserichter Bruno Weis war anderer Ansicht. Nicht der gesamte Kreis der
Medienkonsumenten des Augustin kenne die Zeitschrift BRAVO und deren
Sexualratgeber. Ein Teil der Augustin-Leserschaft halte die Leserbriefe in
der Dr. Sommer-Kolumne fuer "Leserbriefe der ueblichen Art, gleichgueltig ob
es einen Dr. Sommer gibt oder nicht oder ob es sich um ein redaktionelles
Pseudonym handelt. Dieser Teil der Leser wird aber durchaus auch der Annahme
sein koennen, dass der Antragsteller (Strache) eben diesen Leserbrief
verfasst hat. Daraus ergibt sich aber", so der Richter weiter, "die
Berechtigung des Antragstellers, eine Gegendarstellung dahin zu begehren,
dass der veroeffentlichte Leserbrief nicht von ihm stamme." Dies diene im
Sinn des § 9 Abs. 3 des Mediengesetzes zur Information des
Medienkonsumenten. Der Richter verurteilte den Augustin dazu, die
Verfahrenskosten in Hoehe von rund 1300 Euro zu ersetzen.
(Augustin-Aussendung)

*

Kommentar:

> Die Selbstparodisten

Satire muss als solche erkennbar sein. Das ist bei FPOe-Aussagen aber
generell ein Problem. Einer Partei, deren Vertreter

- behaupten, nicht zu wissen, woher "Unsere Ehre heisst Treue" stammt,

- die die "Beschaeftigungspolitik im Dritten Reich" fuer "anstaendig"
halten,

- sich nicht erinnern koennen, ob sie jetzt "Hump", "Dump" oder "Lump"
gesagt haben

- und die, ohne grinsen zu muessen, erklaeren koennen, dass der Plakatspruch
"Drogendealer, ab in die Karlau und nicht in den Gemeindebau" nicht
suggerieren solle, dass alle Auslaender Drogendealer seien (siehe "Offenen
Brief" in dieser akin)

kann niemand auch noch so absurde Zitate unterstellen, die nicht doch
irgendwo glaubwuerdig waeren. Im Gegenteil, je absurder das Zitat, umso
unglaubwuerdiger: Denn vieles, was von FPOe-Vertretern stammt, ist wilder
als jede satirisch-kreative Seele es sich ausdenken koennte. Diese Partei
schafft es spielend, jede Ueberhoehung nochmal zu uebertrumpfen.

Wenn man da nicht gross "Satire" drueberschreibt, ist diese allein anhand
der Zitate einfach nicht klar erkenntlich. Wer will dem Richter da seinen
Spruch verdenken...?
*Bernhard Redl*


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