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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 14. Jaenner 2003; 23:06
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Gruene/Glosse:

> Sollen/wollen die Gruenen "eine linke, alternative Partei" sein?

Eine Antwort auf eine Forderung der Gruenalternativen Jugend

Anbetracht der fortschreitenden Sozialdemokratisierung der Gruenen verstehe
ich die Forderung der GAJ, "dass sich die Gruenen endlich entscheiden, wie
sie sich inhaltlich positionieren, und ob sie noch eine linke, alternative
Partei sein wollen." (akin-pd 17.12.2002) Tatsaechlich waren die Gruenen zur
Zeit ihrer Entstehung in den fruehen 80er Jahren und dann 1986 mit ihrem
Parlamentseinzug als "Gruene Alternative - Liste Freda Meissner-Blau
(Gruene)" eine "alternative" Partei. Damals angetreten waren sie als eine
"Antiparteien-Partei", als eine Alternative zu den etablierten Parteien
traditioneller Art, daher das "Alternativ" im Parteiennamen. Realisiert
wurde dieser alternative Anspruch vor allem durch die Rotation bei den
gruenen Parlamentsmandaten, durch eine Unvereinbarkeit von Mandat und
Parteifunktion und durch die nie eingeloeste Forderung nach einem
"imperativen" (d. h. an den WaehlerInnen-Willen gebundenes) Mandat.

Ein entscheidender Vorlaeufer der Gruenen Alternative war die BIP, die
"Buergerinitiative Parlament". Die Gruene Alternative wollte im Parlament
vor allem der verlaengerte Arm von Umwelt-, Sozial- und Friedensbewegungen
sein. Es ging damals noch ansatzweise um die heute laengst vergessene
Standbein- (=ausserparlamentarische Bewegungen) / Spielbein-
(=parlamentarische Partei) Theorie. Schon laengst ist heute die
parlamentarische Vertretung und sind die ParlamentarierInnen zu einem
Selbstzweck der Partei geworden. Auch wir sind eine Partei der
SesselkleberInnen. Bei den letzten Nationalratswahlen kehrten alle 14 Gruene
Abgeordnete der vergangenen Legislaturperiode in ihr Amt zurueck, und nur
drei neue sind hinzu gekommen.

Aufgegeben wurde dieser alternative Anspruch sehr bald nach dem
Parlamentseinzug im Laufe der 90er Jahre des vergangenen Jahrzehnts.
Wesentliche Schritte waren hier das Abgehen von einer zunaechst tatsaechlich
zu eng gehandhabten Rotation, die Aufhebung der Unvereinbarkeit ("Lex Pilz"
auf dem Buko Bad Gleichenberg 1992) und die Aenderung unseres Parteinamens
in "Die Gruenen", wobei "Gruene Alternative", das einmal konkret fuer eine
alternative Konzeption als Partei stand, fortan nur noch zum Kleingedruckten
gehoerte.

Weithin sichtbarer Ausdruck dieser Anpassung der Gruenen an herkoemmliche
Parteinormen ist folgender Umstand: Alexander van der Bellen ist sicher, vor
allem fuer den Gruenen Mainstream, ein guter Parteisprecher. Er mag, soweit
ich das beurteilen kann, auch ein guter Klubobmann sein. Und er ist,
besonders fuer seine buergerlich linksliberale Klientel, sicher ein guter,
zugkraeftiger Spitzenkandidat gewesen. Doch dass er alles drei zugleich ist,
ist fuer mich unakzeptabel. Widerspricht es doch in einem besonderen Masse
der wesentlichsten Errungenschaft der neuen Politischen Kultur der Gruenen,
naemlich der Frau-/Mann-Paritaet, dem mit einem Frauenplatz beginnenden
Reissverschlussprinzip.

An der Realitaet der Partei vorbeigehend ist die Forderung der GAJ, die
Gruenen moegen sich endlich entscheiden, ob sie ueber das Alternative
hinausgehend eine "linke" Partei sein wollen. Diese Aufforderung entspricht
nach meiner Ansicht auch kaum der Entstehung und der Zusammensetzung unserer
Partei. Die Gruene Alternative ist Mitte der 80er Jahre aus zwei Lagern
hervorgegangen,

- den vor allem im Umweltschutz entstandenen buergerlichen "Vereinten
Gruenen Oesterreich" (VGOe)

- und der "Alternativen Liste" (ALOe), die sich als "Werkzeug der Friedens-
und Alternativbewegung" definierte, wobei die VGOe im Wahlkampf 1983 ihren
gruenen Mitkonkurrenten ALOe als eine "linkslinke Partei zwischen
Kommunismus und dem linken Rand der SPOe" bezeichnete.

Ich habe und vertrete auch heute noch bei den Gruenen, wo immer es
angebracht war bzw. ist, linke (d.h. antikapitalistische, an Umverteilung
von oben nach unten und an Aufhebung von Verteilungsungleichheiten
orientierte) Positionen. Doch ich betrachte es als eine besondere Qualitaet
der Gruenen, dass sie keine "linke" Partei, keine herkoemmliche
Richtungspartei wie z.B. die KPOe, sondern eine "Partei der Vielheit" ist.
Und in dieser neuen "Partei der Vielheiten" muessen wesentlich auch linke
Positionen, fuer die ich ebenso wie die Gruenalternative Jugend eintrete,
aber auch andere wie z. b. die "Gruene Wirtschaft" oder buergerliche
Umweltschuetzer vertreten sein. Dafuer setze ich mich immer und ueberall
ein. Entscheidend fuer mich als Linker innerhalb der Gruenen, dass die
Partei fortschrittliche, d. h. am fortschreitenden Humanisierungsprozess der
Gesellschaft und der Welt orientierte Gedanken in Theorie und Praxis
vertritt.

Meine Kritik, aber auch meine Anerkennung in Richtung der Gruenen ist, dass
wir heute die "bessere Sozialdemokratie" geworden sind. Das ist viel und
auch wenig zugleich - vor allem wenn man/frau dem alternativen Ansatz einer
Partei eine grosse Bedeutung zugemessen hat bzw. eigentlich immer noch
zumisst. *Dieter Schrage*


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