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Aussendungszeitpunkt: 19. Dezember 2000 - 15:30
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Asyl:

> Erfolge in schweren Zeiten

MICHAEL GENNER zieht persoenliche Bilanz ueber ein schwieriges
Jahr der Organsiation "Asyl in Not"

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Wir muszten heuer durch manche Krise hindurch. Die politische Lage
verschaerfte sich; eine neue, illegitime Regierung kam ans Ruder.
Unsere Foerderung durch die Europaeische Kommission war auf ein
Jahr beschraenkt gewesen und lief Ende 1999 aus.

In ganz Oesterreich erhielten im Jahre 2000 vom 1. Jaenner bis zum
1. Oktober 302 Fluechtlinge Asyl. Plus 497 EhepartnerInnen und
Kinder, auf die das Asyl der "Hauptantragsteller" erstreckt werden
musz. Also zusammen: 799. Bei 15.226 Asylantraegen in der gleichen
Zeit!

33 der 302 bis 1. Oktober anerkannten Fluechtlinge waren Klienten
von Asyl in Not, also rund 10 Prozent - eine Bilanz, auf die wir
stolz sind.

Vor allem, da wir wenige sind und wenig Geld haben. Wir sind vier
Rechtsberater: drei JusstudentInnen, die teils stundenweise
bezahlt, teils ehrenamtlich arbeiten, und ich. Und ein
muttersprachlicher Betreuer (Kurdisch, Arabisch und Persisch), ein
Sozialarbeiter (an zwei Nachmittagen pro Woche), ein Zivildiener
und eine Buchhalterin. Allen meinen MitarbeiterInnen danke ich
fuer ihren Einsatz sehr.

Zwei Erfolge, ueber die ich mich besonders freue: In diesem Jahr
konnte ich die Asylverfahren zweier Fluechtlinge aus dem Kongo
(vormals Zaire) nach acht (!) Jahren zum positiven Ende fuehren:
Herr Mbemba Funsu und Frau A. hatten 1992 ihre Asylantraege
gestellt.

Mbemba Funsu war Sekretaer der Botschaft Zaires in Oesterreich
gewesen. Er hatte jahrelang die Akten des Botschafters, eines
Vertrauten des Diktators Mobutu, kopiert und an die Opposition
weitergeleitet. Er hatte auch Oppositionelle vor Mordplaenen des
Diktators gewarnt. Als er aufflog, sprang er ab.
Er war in Lebensgefahr und haette natuerlich sofort Asyl erhalten
muessen. Das Asylamt wies seinen Antrag ab, das Innenministerium
als damalige Zweitinstanz ebenso. 1994 sasz Herr Mbemba fuenf
Monate in Schubhaft: eine einstweilige Verfuegung aus Straszburg
verhinderte seine Abschiebung in den sicheren Tod.

Auf Ersuchen des UNHCR uebernahm ich 1994 seine Rechtsvertretung.
Die kirchlichen Organisationen hatten nichts fuer ihn getan.
Dreimal hob der Verwaltungsgerichtshof die Bescheide des
Innenministeriums auf; jedesmal erliesz das Ministerium den
gleichen Beharrungsbescheid. Auch alle Versuche, seinen Fall
"humanitaer" zu regeln, scheiterten am persoenlichen Veto des
damaligen Sektionschefs Manfred Matzka.

Jetzt endlich, nach acht Jahren, wurde Herr Mbemba vom
Unabhaengigen Bundesasylsenat als Fluechtling anerkannt. Acht
Jahre seines Lebens hat ihm Oesterreich gestohlen. Er ist jetzt
65, Sozialrentner, ein mueder alter Mann.

Frau A. war Taenzerin beim Nationalen Ballett des Diktators
Mobutu. Sie muszte bei seinen Propagandafesten tanzen und wurde
von seinen Beamten miszbraucht. Zugleich arbeitete sie im
Untergrund fuer die Lumumbistische Partei (PALU), wurde
festgenommen und gefoltert, die Spuren sieht man heute noch. 1992
sprang sie bei einer Tournee ihrer Tanzgruppe in Wien ab und
beantragte Asyl.

Antrag abgewiesen, natuerlich; ich schrieb die Berufung und
ruegte, dasz sie von einem maennlichen Beamten befragt worden war;
ihm hatte sie von den Vergewaltigungen nichts erzaehlt. Das
Innenministerium wies die Berufung ab und schrieb: Es stuende ihr
nicht zu, die Sensibilitaet und Diskretion eines oesterreichischen
Beamten in Frage zu stellen!

Auch ihr Verfahren ging mehrmals zwischen Hoechstgericht und
Innenministerium hin und her, sie schlug sich bewundernswrt mit
selbstaendiger Arbeit durch - bis sie nun vom Unabhaengigen
Bundesasylsenat anerkannt wurde.

Zwei Beispiele unter vielen - Menschen, deren Recht der Staat
Oesterreich jahrelang mit Fueszen trat.

Asyl erhielt auch, in einem viel kuerzeren Verfahren, die Familie
des afghanischen Fluechtlingskindes Hamid, das im Mai 2000 im
Gewahrsam oesterreichischer Behoerden starb.

Hamid war ein todkrankes Kind aus einem fernen Land. Keiner wollte
ihn hier. Ihn ins Spital fuehren? Blosz weil er stirbt? Die Wirtin
war "nicht dafuer da". Die Rettung? Die Aerztin? Die
Bezirkshauptmannschaft? Alle Strafanzeigen wurden "zurueckgelegt".
Keiner ist schuld. Waere er doch zu Hause krepiert!

Auch unsere Beschwerde wegen der rechtswidrigen
Verhaftung der Familie und ihrer Einweisung in die
beruechtigte Pension in Gols wies der Unabhaengige
Verwaltungssenat Burgenland als "unzulaessig" zurueck. Dieses
Verfahren geht nun an den Verwaltungsgerichtshof.

Immerhin - Hamids Eltern und seine sechs Geschwister
erhielten nun Asyl. Ich habe sie zur Einvernahme begleitet; es ist
schnell gegangen. Ja und? Hamids Vater war Offizier, er hatte sich
geweigert, den Taliban zu dienen; er war eingesperrt und wurde
gefoltert, entkam nur mit Glueck - Asyl zu erhalten, war
sein und seiner Angehoerigen selbstverstaendliches Recht.

Die "Wirtin zur Schubhaft" in Gols, die meinte, sie waere
nicht dazu da, Hamid ins Spital zu fuehren, musz nun ihr Brot auf
redliche Weise verdienen. Sie bekommt keine Asylwerber mehr
zugewiesen; aber wenn sie Gaeste aus dem "Inland" oder aus der EU
so behandelt wie frueher die Fluechtlinge, wird sie bald pleite
sein. Ihr Wirtshaus, hoere ich, steht fast immer leer; darum will
sie mich auf Schadenersatz klagen. Einer musz ja schuld daran
sein.

Bei Fluechtlingen aus Afghanistan ist uebrigens unsere
Erfolgsquote besonders hoch. Seit Inkrafttreten des jetzigen
Asylgesetzes (1.1.1998) hat Asyl in Not 44 Verfahren
afghanischer Klienten bis zum rechtskraeftigen Abschlusz gefuehrt:
41 davon positiv, nur 3 negativ. Also 90% Anerkennungen bei
unseren Klienten - waehrend allgemein die Anerkennungsquote
afghanischer Fluechtlinge nur bei 59% liegt.

Asyl in Not tritt kompromiszlos und kompetent fuer die
Fluechtlinge ein. Wir decken Miszstaende auf, nennen die
Verantwortlichen beim Namen. Wir nehmen auch solche "Faelle" an,
die von anderen Organisationen (etwa den kirchlichen) als
"hoffnungslos" aufgegeben wurden.

Wir stehen parteiisch auf der Seite der Fluechtlinge. Wo andere
Organisationen, groeszere und reichere als wir, Kompromisse mit
dem Unrecht schlieszen, suchen wir den Konflikt. Wir verknuepfen
konkrete, rechtliche und soziale Hilfe fuer Einzelne mit dem
politischen Angriff auf ein ungerechtes System. Wir wollen das
Elend nicht verwalten, sondern bekaempfen.

Oesterreich musz wieder Asylland werden. Die Menschenrechte
muessen wieder gelten in diesem Land! (bearb.)

Kontakt: Asyl in Not, Unterstuetzungskomitee fuer politisch
verfolgte Auslaenderinnen und Auslaender; Waehringerstrasze 59,
1090 Wien; Tel.: 01/408 42 10 Fax.: 01/405 28 88;
asyl-in-not@asyl-in-not.org; www.asyl-in-not.org.
Spendenkonto: Bank Austria, Kontonummer 698 035 557

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