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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. Dezember 2002; 15:57
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Nachkwahlen:

> Ent-Taeuschung statt Besorgnis!

"Seit den Wahlen setzen OeVP und hilfreiche Medien die Gruenen massiv unter
Druck, als Koalitionspartner zur Verfuegung zu stehen." (siehe Kasten) So
beginnt der Aufruf einer Petition besorgter Gruen-WaehlerInnen an die
Parteifuehrung, doch bitte nicht eine Koalition mit der OeVP einzugehen.
Dabei waere so eine vielleicht gar nicht so schlecht - angesichts dessen,
dass der Kapitalismus ohnedies nicht reformierbar ist.

Wer Gruen gewaehlt hat, weil er oder sie gruene Positionen "mehrheitsfaehig"
machen wollte, sollte sich nicht aufregen. Wer Gruen gewaehlt hat, um gegen
die FPOe zu waehlen, sollte sich nicht beschweren. Wer Gruen gewaehlt hat,
um das "Experiment" rot-gruen zu befoerdern, sollte sich nicht wundern. Wer
Gruen gewaehlt hat, weil er oder sie wirklich geglaubt hat, dass ueber
Gruen-Waehlen politische Verhaeltnisse veraendert werden, ist selber schuld.
Haette sie oder er doch besser gar nicht gewaehlt, oder die KPOe oder aber
(in Wien) die SLP. Wer sich auf das richtige, das wirkliche Spektakel
eingelassen hat - bitte ab in die Nichtraunzerzone. Nicht einmal mehr
besorgte Diskurse ueber Legitimitaet werden diesmal helfen - und
Unterschriftenlisten schon gar nicht.

Die Parteien, die Parteien, die haben immer Recht Fuer den gegenwaertigen
Kapitalismus waere Schwarzgruen wahrlich nicht die unangenehmste Variante.
Unter den oberflaechlich grossen Unterschieden zwischen den beiden
buergerlichen Parteien schlummert jedenfalls eine fuer nachfordistische
kapitalistische Verhaeltnisse durchaus brauchbare "grosse Synthese": Hier
altbewaehrte "Wirtschaftskompetenz", dort gruene Impulse fuer die Wirtschaft
und mehr Frauen in Spitzenpositionen, hier mickriges Buergergeld, dort
mickrige Grundsicherung, hier Doebling, dort Neubau . Alles, was das Empire
der Seligen begehrt. Und die Linke tut sich leichter beim
Demarkationslinien-Ziehen. Ein Vizekanzler Van der Bellen waere mit Verlaub
doch die charmanteste Variante radikaler Ideologiekritik, oder? Ohne
Ent-Taeuschung keine Revolution!

Um die verbliebenen "gruenen Illusionen" derjenigen zu zerstoeren, die
stunden- oder jahrelang gegen Blauschwarz demonstriert, agitiert, diskutiert
haben, waere Schwarzgruen wahrlich nicht der schlechteste Anfang; fuer eine
laengst notwendige Re-Formierung der Linken ebenfalls nicht. Jedenfalls
waere Schwarzgruen eine gute Gelegenheit, Mythen der Widerstandsbewegung
gegen Blauschwarz zu dekonstruieren. Die Zivilgesellschaft ist kein
handelndes Subjekt, sondern Terrain von sozialen Auseinandersetzungen, die
aktive Teilnahme an letzteren, wenn sie lediglich an der gerade herrschenden
Form der repraesentativen Demokratie Kritik uebt, nicht aber an dessen
grundsaetzlicher - also kapitalistisch-patriarchaler - Verfasstheit,
bestenfalls Systemkosmetik. "Dieses Denken ist ganz und gar durch die
Tatsache bedingt, dass es seine eigene materielle Grundlage im
spektakulaeren System weder denken kann noch will." (G. Debord). Alsdann:
Schwarzgruen, aber dalli!
*Martin Birkner, Gruenwaehler (aus dem MUND)*


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