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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. Dezember 2002; 19:50
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Nachquahlen:

> Anders gesehen

Reaktion auf Fritz Pletzl: "Schuetzt die Gruenen vor sich selber",
akin 32/02, akin-pd 3.2.2002

Lieber Fritz! Man kann es auch anders sehen:

* Die FPOe hat sich die Stimmen vor allem bei der SPOe geholt (komisch!) und
ist immer staerker geworden. Nach der Wahl 1999 waren nur noch SP-FP oder
VP-FP oder noch einmal SP-VP moeglich und letztere haette wohl die FPOe 2003
zur staerksten Partei gemacht. Ein Bundeskanzler Haider! Obwohl -- ausser
der Industriellenvereinigung -- VP-Leute kaum mit der FPOe koalieren wollen,
tut sich die OeVP das an, obwohl abzusehen ist, dass das nichts Gutes fuers
internationale Ansehen und fuer die oesterreichische Wirtschaft verheisst.
Schuessel gelingt das taktische Meisterstueck, einen Koalitonsvertrag
abzuschliessen, der die schlimmsten FP-Kader, vor allem Haider aus der
Regierung raushaelt, vieles, was die FP gerne, haette aus dem Programm
streicht und Schuessel wird, obwohl die OeVP hinter der FPOe liegt (also
wirklich der Hut brennt, naechstes Mal waer ja die SPOe ueberholt worden),
Bundeskanzler. Und der gute Mann ist sogar so klug (wie es vor ihm leider
keiner war, denn sonst haetten wir nicht dieses Haider-Problem), und tut das
psychologisch einzig richtige: er schweigt zu Haiders Provokationen. Schon
bald wird klar, dass sich die FPOe selbst aufreibt.

* Schuessel beendet die Koalition genau im richtigen Moment, die FPOe
streitet sich, der Schaden fuer Oesterreich (Arbeitslosenzahlen,
Wirtschaftsdaten, usw...) haelt sich halbwegs in Grenzen (ich hab eigentlich
Schlimmeres erwartet und dass es laenger dauern wuerde) und bei der folgende
Wahl wird die FPOe dezimiert.

Das ist doch ein Meisterstueck! Schuessel gebuehrt der Nobelpreis. O.K.,
jetzt kann man darueber philosophieren, ob ich das satirisch meine.

Ich weiss! Man kann diese OeVP-Leute nicht moegen, weil sie uns diese 2
Jahre angetan haben. Aber wenn ich vergleiche: Androsch (AKH-Skandal),
Blecha (Udo Proksch-Skandal), Gratz (Noricum), Loeschnak, Hesoun (Hainburg).
Also ich speib mich an! Und Cap und Gusenbauer sollen besser sein??? Der
Cap! Auch der hat sich, wenn es auf der Uni Proteste gab, gleich nach vorn
gedraengt und alles in seinem Sinne instrumentalisiert.

Ich koennte ja verstehen, wenn die Gruenen mit niemanden koalieren wollten,
nur, auch ich bin ungeduldig und ich will, dass endlich gruene Ideen und
Utopien umgesetzt werden. Die Gruenen koennten ja von der OeVP einiges
verlangen, oder?

Zu Deinen Punkten:

* selbstverstaendlich gehoert ueberlegt, ob man das "Giesskannenprinzip"
noch aufrecht erhalten soll. Was in den 70er (Gratisschulbuch) gut und
richtig war, passt nicht mehr zum 10reichsten Staat der Erde. Unterstuetzung
sollen die bekommen, die sie wirklich brauchen und die sollen mehr bekommen
als jetzt! Verschwendung und Wegwerfen gehoeren gestoppt. Vor allem aus
oekologischen Gruenden!

* so sinnlos ist die Ambulanzgebuehr nicht, sie wurde nur schlecht gemacht.
Was soll man auch sonst tun, wenn die Leute absolut kein Kostenbewusstsein
haben, weil sie ja alles umsonst bekommen (es aber nichts umsonst gibt) und
deshalb lieber in die wesentlich teurere Ambulanz rennen anstatt zuerst zum
praktischen Arzt? Warum bitte, soll ICH fuer diese einfache Dummheit der
Leute zahlen???

* Erhoehung der Energiesteuer auf Strom: erstens hat die OeVP-FP-Regierung
Privatisierungen durchgefuehrt, wodurch die Strom billiger geworden ist
(also hat sich die Erhoehung wieder relativiert) und zweitens gehoert die
Erhoehung der Energiesteuer zu den gruenen Grundforderungen, weil damit
erreicht wird, dass die Wirtschaft in stromsparende Geraete investiert und
die Leute Strom sparen.

* Studiengebuehren: dazu faellt mir ein, dass vor langer Zeit der
sozialistische Finanzminister Lacina diese Idee geboren und der konservative
Wissenschaftsminister Tuppy abgelehnt hat, worauf sie wieder in der
Schublade verschwunden ist und erst jetzt wieder entdeckt wurde. Zufall?
Also beim Erhoehen von Gebuehren und Einfuehren neuer Steuern war die SPOe
nie zimperlich und ganz ganz lange ists her, bin ich doch als Student gegen
das Sparpaket der SP-Regierung auf die Strasse gegangen, und die haben sich
das Geld auch vor allem bei Arbeitslosen und Studenten geholt. Zufall? Ich
mein, die FPOe ist ja in der Waehlerstruktur und der Parteiideologie der
SPOe nicht unaehnlich und daher ist es auch kein Wunder, dass es jede Menge
Gebuehrenerhoehungen gibt, wenn 50% der Regierung aus der FPOe besteht.

Also fuer mich ist die FPOe mehr oder weniger eine Ersatz-SPOe und deshalb
glaube ich, dass die Gruenen mit einer OeVP mehr umsetzen koennten als mit
jeder anderen oesterreichischen Partei. *Thomas Herzel *

***

Zum reden gaebs schon was!

> Sogar mit der VP! - eine Antwort

Unbestritten hat die SP Dreck am Stecken - vom offenen Werben der
Nazi-Stimmen ueber permamenten Machtmissbrauch bis zur sukzessiven
Aufweichung der Partei auf rosa-rot und wirtschafts-liberal. Nur - dort wo
die SP dann unter Klima schliesslich landete, war die VP bereits immer
schon. Soll heissen: die VP hatte doch nie ein Problem, mit Schliessungen
und Sozialabbau umzugehen. Arbeitslosigkeit, Privatisierungen, die globalen
"Beduerfnisse" der Konzerne waren in dieser Partei stets gut aufgehoben.
Soziale Dimensionen wurden denn auch nicht thematisiert, sondern eiskalt mit
Sinnspruechen wie "Minderleister" und "tut leid - am Markt vorbei"
kommentiert. Der SP war dies wenigstens peinlich.

Was gibt's zum Bewahren, vielleicht sogar zum Ausbauen? Ist jeder soziale
Bereich wirklich disponibel - oder existieren Mindestnormen abseits der
Sozialhilfe? Zum Beispiel sollte doch Solidaritaet mit Kranken ein solcher
nicht-disponibler Wert sein. Gesunde bezahlen die Kassenbeitraege, Kranke
sollten sich aussuchen koennen, welche Leistungen sie wo in Anspruch nehmen
koennen. Dies natuerlich ohne zusaetzliche Kosten wie Ambulanz- oder
sonstige Gebuehren. Also ganz klar: keine Ambulanzgebuehren, die nur
Verunsicherung der "Nicht-Leistungs-Bereiten" zur Folge haben. Keine Straf-
oder Umerziehungsgebuehr fuer Kranke! Umverteilung ist angesagt.

Solidaritaet kann nur mit Umverteilung funktionieren. Da die Gruenen nun
einmal offensichtlich Gespraeche mit der VP fuehren, koennte so einiges in
dieser Richtung zur Sprache gebracht werden. Was Arbeitsplaetze und
Konjunktur betrifft: Spuerbare Reduzierung der Arbeitszeit und staatliche
Unterstuetzung fuer Einstellungen zum Beispiel. Reduktion der
Steuerleistungen fuer Betriebe, die Arbeitsplaetze auch langfristig
erhalten. Massiver Abbau von Ueberstundenleistungen. Stopp der
Privatisierungen im staatlichen Bereich - kein weiterer Ausverkauf des
staatlichen Sektors. Scharfe Kontrolle praekaerer Arbeitsverhaeltnisse,
Leiharbeit und der "neuen Selbstaendigkeit" - schliesslich Rueckfuehrung in
Normalarbeitsverhaeltnisse. Neubewertung von Arbeit.

Bildung muss wieder gratis sein. Weg mit der Uni-Gebuehr. Anstellung von
Lehrern zur massiven Senkung der Klassenhoechstzahlen. Eingriffe in die
Wirtschaft duch Wiederschaffung von Vorlehren und Arbeitsstiftungen bis zum
endgueltigen Lehrabschluss. Wiederaufnahmen in den oeffentlichen Dienst.
Stoppen der Verunsicherung der ArbeitnehmerInnen bezueglich immer spaeterer
Pensionen und Mehrsaeulen-Modell. Einfuehren einer staatlichen
Grundsicherung und und.... Das Gezeter ueber diese und aehnliche Forderungen
ist voraussehbar. Aber ueber was wollen die Gruenen mit der VP reden? Dass
man im Wienerwald nicht schnell Autofahren sollte? *Fritz Pletzl*

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