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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. Dezember 2002; 19:26
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El Salvador:

> Streiks, Massenproteste und Staatsterror

Die Regierung der Arena-Partei in El Salvador, die durch ihre engen
Verknuepfungen mit der Armee und den paramilitaerischen Massenmoerdern der
80er Jahre einige Erfahrungen mit staatlichem Terror hat, setzt zunehmend
auf Repression gegen Streiks und Protestbewegungen: Am Mittwoch und
Donnerstag, 27./28.11.2002, wurden TeilnehmerInnen von Demonstrationen und
Besetzungen von der Polizei massiv mit Traenengas und Knueppeln angegriffen
mehr als 35 Menschen wurden dabei schwer verletzt und 14 Menschen wurden
verhaftet.

In El Salvador gehen seit Monaten Hunderttausende Menschen auf die Strasse,
um gegen die vom Internationalen Waehrungsfonds verordneten und von der
rechtsextremen Arena-Regierung bereitwillig durchgezogenen Privatisierungen
und die begleitende Repression - Entlassungen von GewerkschafterInnen und
Angriffe auf politische AktivistInnen - zu protestieren.

Domino-Effekt: Begonnen hat die aktuelle Welle des Widerstandes im September
dieses Jahres mit vereinzelten Streiks in Krankenhaeusern und Kliniken -
nach und nach breiteten sich diese im gesamten oeffentlichen
Gesundheitsbereich El Salvadors aus. Sowohl Pflegebedienstete als auch die
AerztInnen des staatlichen Sozialversicherungsinstituts ISS beteiligten sich
an den ersten Warnstreiks, bei denen verbesserte Arbeitsbedingungen und ein
Ende der Kuendigungen infolge von Privatisierungen gefordert wurde.

Nachdem 30 Mitglieder der AerztInnen-Gewerkschaft STISS gefeuert wurden,
rief die Gewerkschaft am 18.9. den unbefristeten Streik aus; zahlreiche
AktivistInnen von STISS und einer weiteren AerztInnen-Gewerkschaft,
SIMETRISS, waren in der Folge massiver Repression durch Angriffe der Polizei
auf Spitaeler und weitere Entlassungen ausgesetzt - mehrfach wurde das
Innere von Spitaelern mit Traenengas eingenebelt, so auch bei den
Uebergriffen von letzter Woche, bei denen dadurch zahlreiche Menschen
Vergiftungen davontrugen. 35 streikende AerztInnen und ihre Familien
erhielten bereits Todesdrohungen.

Am 9.10. legte Praesident Flores (Arena) sein Veto gegen ein im Parlament
auf Initiative der FMLN (Frente Farabundo Marti de Liberacion Nacional) und
der Gewerkschaften eingebrachtes Gesetz ein, das die Privatisierung von
oeffentlichen Diensten nur nach Zustimmung durch das Parlament erlaubt;
Mitte Oktober verkuendete Flores seinen Plan zur Privatisierung der ISSS,
den er bis dahin immer geleugnet hatte. Der Plan von Flores ist eng an das
`Modell Chile angelehnt, also die unter dem Pinochet-Faschismus unter
Anleitung von US-Oekonomen (`Chicago Boys) weitgehend durchgesetzte
Zerschlagung des oeffentlichen Gesundheitswesens, nach dem Motto `Zahl oder
stirb. (eine Analyse des `Modells Chile findet sich in
http://www.ila-web.de/artikel/253chile.htm )

Es folgten zahlreiche Massendemos, an denen sich AerztInnen, PflegerInnen,
PatientInnen und SympathisantInnen beteiligten. Die Proteste wurden von
AktivistInnen der sozialen Bewegungen, Frauenorganisationen, Gewerkschaften
und StudentInnen und auch von der FMLN mehrheitlich unterstuetzt; so gingen
am 16.10. in San Salvador 50.000 Menschen, am 23.10. bereits mehr als
200.000 Menschen gegen Privatisierungen und gegen die repressive Politik der
Regierung auf die Strasse. Die Proteste richten sich ebenso gegen die
zahlreichen Projekte der kapitalistischen Zentren, den gesamten Kontinent
zur weltweit groessten Freihandelszone zu machen; gegen die vor allem von
der US-Regierung gepushte ALCA, CAFTA (zentralamerikanische Freihandelszone)
und den Plan Puebla Panama. Am 12.10., einem landesweiten Widerstandstag,
beteiligten sich 13.000 Menschen in ganz El Salvador an den dezentralen
Mobilisierungen gegen diese Freihandelsprojekte, dabei wurden zahlreiche
Strassen, Bruecken und Grenzuebergaenge blockiert.

Die Regierung Flores zeigte sich lange unnachgiebig und stellt die
Protestbewegung als Teil einer politischen Kampagne der oppositionellen FMLN
dar. Gleichzeitig versucht die rechtsextreme Arena-Regierung sowohl die FMLN
als auch die Protestbewegung zu kriminalisieren und schmeisst mit
`Terrorismus-Vorwuerfen nur so um sich. Apropos Terror: Neben der Androhung
von Verhaftungen gegen GewerkschaftsaktivistInnen, Todesdrohungen von
paramilitaerischen Gruppen und Polizeiangriffen auf Demos liess die
Regierung auch Truppen in den bestreikten Krankenhaeusern aufstellen, was
Erinnerungen an die blutige Aufstandsbekaempfung der 70er und 80er Jahre
wieder wach werden laesst. Selbst die regierungsnahe Staatsanwaeltin zur
Verteidigung der Menschenrechte kommentierte, dass `jeder Todesfall infolge
des Streiks in der Verantwortung des Staates liege. Erst Anfang November gab
Praesident Flores dem Druck der Protestbewegung zumindest scheinbar nach und
traf sich zu direkten Gespraechen mit AktivistInnen der Gewerkschaften -
ohne Ergebnis. Stattdessen praesentierte Flores daraufhin dem Parlament eine
abgeaenderte Version des von FMLN und Gewerkschaften vorgelegten
Gesetzesentwurfes zum Verbot von Privatisierungen von Diensten im
Gesundheitswesen - ein solches Privatisierungsverbot sollte damit faktisch
umgangen werden. Als Reaktion darauf gingen am 8.11. wieder Hundertausende
Menschen in der Hauptstadt auf die Strasse. Schliesslich scheiterte Flores
mit seinem Gesetzesvorschlag: Am 14.11. stimmte im Parlament eine Mehrheit
fuer die von FMLN und Gewerkschaften eingebrachte Originalfassung des
Dekrets; womit in El Salvador die Privatisierung von Diensten im
Gesundheitswesen gesetzlich nicht zulaessig ist und sich der Staat zu einer
Gesundheitsversorgung fuer alle verpflichtet.

Auf einer Versammlung vor mehreren Tausend Menschen, die diesen
Gesetzesbeschluss feierten, erklaerte Ricardo Monge, der Generalsekretaer
von STISS, dass der Kampf trotz dieses `historischen Sieges lange nicht
vorbei sei und forderte die Wiedereinstellung aller gefeuerten
GewerkschafterInnen und die Fortsetzung der Proteste gegen CAFTA.
Gleichzeitig rief er zur Solidaritaet mit den ebenfalls seit laengerem
streikenden ArbeiterInnen in der Elektrizitaetswirtschaft auf. Deren
Gewerkschaft STSEL rief am 12.11. den Streik gegen die Privatisierung der
Energiewirtschaft und die illegalen Entlassungen von GewerkschafterInnen
aus. Drei gefeuerte AktivistInnen von STSEL waren aus diesem Grund fuer
mehrere Wochen in den Hungerstreik getreten. Im Zusammenhang mit dem breiten
Widerstand in El Salvador steht auch die staatliche Repression der letzten
Wochen. Am 14.11., also dem Tag, an dem das Gesetz im Parlament beschlossen
wurde, eroeffnete eine `unbekannte Person das Feuer auf das Haus von Gisela
Cáceres, eine Aktivistin der FMLN-Jugendorganisation, die sich an den
Mobilisierungen der Proteste beteiligt hatte. Einen Tag spaeter stuermten 5
vermummte und bewaffnete Maenner das Haus des STISS-Generalsekretaers
Ricardo Monge, bedrohten seine Familie und nahmen zahlreiche interne
Dokumente mit sich. (piquetero_resistencia@hotmail.com / via MUND / gek.)

Hier ist ein Aufruf auf LabourNet, Protestbriefe gegen die Privatisierungen
im Gesundheitswesen zu schreiben:
http://www.labournet.de/internationales/sv/streik4.html


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