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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. November 2002; 15:25
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Neuquahlen/Debatte:

> Wenn es nur die Ueberschrift waere!

Eine leider notwendig gewordene Antwort auf eine anonyme Attacke

Die Antwort auf die vom Anonymus in "oekoli" unter der Ueberschrift
"KPOe-Graz: Fuer Law and Order und gegen 'Auslaender' im Gemeindebau" (akin
27/02, akin-pd 29.10.02) vorgetragenen Vorwuerfe ist nicht schwer.

Zuvor aber eine Bemerkung: Das breit verbreitete Schreiben enthaelt - auch
abseits des zur Rede stehenden Themenkreises - einige sachliche Fehler. Die
KPOe hat in Graz 4 (nicht 5 Mandate) und 1 Stadtrat. Ernst Kaltenegger ist
leider nicht fuer Wohnbau und Mieterschutz zustaendig, wie oekoli meint,
sondern nur fuer die Verwaltung der Gemeindewohnungen in Graz. Das Ressort
Wohnbau wird von FP-Vizebuergermeister Weinmeister verwaltet; mit sehr
negativen Folgen. In der abgelaufenen Periode seit 1998 wurden in Graz nur
26 Wohneinheiten fertiggestellt.

Nun zum Kern der Vorwuerfe.

I.

Die KPOe-Graz tritt fuer die Oeffnung der Gemeindewohnungen ein. Es gibt
keine einzige Aeusserung von Verantwortlichen der Grazer KPOe, die in eine
andere Richtung gehen wuerde. Zuletzt hat das Klubobfrau Elke Kahr im
Oktober 2002 am Rande einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Grazer
Auslaenderbeirat in einem Interview fuer die ORF-Fernsehsendung "Heimat,
fremde Heimat" klar und deutlich ausgedrueckt.

Als KommunistInnen sind wir dafuer, dass Rechte nicht nur proklamiert,
sondern auch real umgesetzt und verwirklicht werden. Das unterscheidet uns
von Liberalen und das ist auch einer der Gruende fuer unsere Kritik am
unverbindlichen Forderungskatalog des Sozialstaatsvolksbegehrens gewesen.

Wir koennten uns leicht tun und darauf hinweisen, dass die schwarz-blaue
Mehrheit im Grazer Gemeinderat die Oeffnung der Gemeindebauten fuer
Nicht-EU-Auslaender verhindert.

Es ist aber notwendig, die Situation konkret zu betrachten. In Graz gibt es
lediglich 5200 stadteigene Wohnungen bei einer Einwohnerzahl von 230.000;
einschliesslich der Uebertragungswohnbauten gibt es nur 11.000 Wohnungen mit
einem Einweisungsrecht der Gemeinde. Das ist ein grosser Unterschied zur
Situation in Wien. Noch aerger ist die Tatsache, dass SPOe, OeVP und FPOe
vor einem Jahrzehnt die Moeglichkeit des Verkaufs von Gemeindewohnungen an
Private geschaffen haben.

Die KPOe-Graz hat deshalb ein Forderungspaket erstellt, das in seiner
Gesamtheit zu einer Verbesserung der zugespitzten Situation fuehren kann. In
den letzten Jahren ist die Zahl der Ansuchen um eine Gemeindewohnung in Graz
um 25 Prozent gestiegen.

Dieser Forderungskatalog wurde vor drei Jahren auf einer Klausurtagung des
KPOe-Gemeinderatsklubs erarbeitet und umfasst folgende Punkte:

1.: Oeffnung der Gemeindewohnungen fuer MigrantInnen.

2.: Forcierung des Baus neuer Gemeindewohnungen. in den letzten fuenf Jahren
ist die Zahl der Neubauwohnungen um 90 Prozent zurueckgegangen. Dabei
sollten auch in jenen Stadtbezirken Wohnungen gebaut werden, wo es bisher
kaum Gemeindewohnungen gibt. Derzeit befinden sich zwei Drittel aller
Gemeindewohnungen in den Bezirken Lend, Gries und Jakomini, Stadtbezirken
mit einem ueberdurchschnittlich hohen Auslaenderanteil.

3.: Stopp des Verkaufs von Gemeindewohnungen! Man kann nicht weniger
Wohnungen auf mehr Menschen verteilen.

4.: Einsetzen von GebietsbetreuerInnen, welche die Integration erleichtern
sollen.

Wer diese Forderungen nicht in ihrer Gesamtheit unterstuetzt, der will
nicht, dass die Oeffnung der Gemeindewohnungen funktioniert und nimmt
groessere soziale Konflikte zwischen verschiedenen Teilen der
ArbeiterInnenklasse sehenden Auges in Kauf.

Die KPOe ist in Graz die erste Anlaufadresse fuer Menschen mit
Wohnungsproblemen. Unter ihnen sind sehr viele auslaendische
MitbuergerInnen. Wir haben mit dem Mieternotruf und dem Rechtshilfefonds
fuer Spekulantenopfer seit Jahren zahlreichen AuslaenderInnen wirksame Hilfe
bei der Durchsetzung ihrer Rechte als MieterInnen geleistet. Dabei konnten
zum Beispiel Mietzinssenkungen bzw. Rueckzahlungen von ueberhoehten Mieten
erreicht werden. Diese Hilfestellung erfolgt selbstverstaendlich kostenlos
fuer die Ratsuchenden. Der Vorsitzende des Verbandes der jugoslawischen
Arbeiter in Graz hat sich anlaesslich einer Podiumsdiskussion am 4. Oktober
2002 ausdruecklich bei der KPOe fuer diese Arbeit bedankt.

Stadtrat Ernst Kaltenegger: "Solidaritaet ist fuer uns nicht etwas, was nur
in Reden vorkommt und fuer den Alltag keine Bedeutung hat, sondern eine
praktische Haltung, die gelebt werden muss".

II.

Wir sind fuer die Freigabe weicher Drogen und druecken das mit unserem
wahrscheinlich bereits oesterreichweit bekannten Pickerl "Schuetzt die
KleingaertnerInnen - KPOe" schon seit einigen Jahren aus. Gemeinderat
Khull-Kholwald hat im Sucht-Arbeitskreis der Stadt Graz, bei oeffentlichen
Auftritten und in den Medien diese Haltung mehrmals bekraeftigt. Was "Law
and Order" angeht: Wir waren gegen die Installierung einer
Ueberwachungskamera beim Grazer Rathaus. Im Zusammenhang mit der Grazer
Buergerwehr der FPOe hat Klubobfrau Elke Kahr im Gemeinderat folgendes
gesagt: "Die Buergerwehr ist jetzt noch vor allem eine laecherliche Sache,
gleichzeitig ist sie aber sehr gefaehrlich. In Wirklichkeit geht es darum,
erstmals im Oesterreich der 2. Republik die Privattruppe einer Partei zu
etablieren.

Die Sicherheit der Bevoelkerung und der Kampf gegen die Drogen sind dabei
nur ein Vorwand. Waehrend bei der Polizei Posten gestrichen werden, waehrend
auf fast allen Gebieten, von der Schule ueber die Drogenpraevention bis zu
den unabhaengigen Sozialinitiativen gespart wird, spielt man hier bewusst
mit den Emotionen und setzt umgerechnet mindestens 200.000 S aus
Parteigeldern ein, damit Gemeinderat Lozinsek oesterreichweit im TV praesent
ist, wie er durch den Volksgarten schreitet. Diese parteipolitische
Profilierung schadet dem Ansehen unserer Stadt und sie schadet langfristig
der Demokratie. Deshalb sind die Proteste von grossen Teilen der
Bevoelkerung gegen die FP-Buergerwehr nur zu begruessen.

Darueber hinaus sollten wir daran denken, dass nur eine gerechte
Gesellschaftsordnung die Basis fuer den Kampf gegen Drogen und Kriminalitaet
bietet. Solche Aktionen, wie sie die FP in Graz durchfuehrt, sind aber ein
Ausdruck des Zerfalls unserer Gesellschaft und dienen in keiner Weise ihrem
Zusammenhalt." (16. 5.2002).

Die Zustimmung zur Finanzierung von Ueberstunden als "Einstimmen in die
Drogen-Hysterie" zu bezeichnen, ist ein starkes Stueck. Leider wird die
Stadt Graz von Bund und Land immer oefter dazu gezwungen, Kosten von
Bundesleistungen zu uebernehmen: Das reicht von der Finanzierung der
Fachhochschulen ueber das Karenzgeld fuer Studentinnen bis zum Bau des
Grazer Kunsthauses. Man sollte diesen Kontext nicht vergessen.

III.

Die Ueberschrift des oekoli-Artikels "KPOe-Graz: Fuer Law and Order und
gegen "Auslaender" im Gemeindebau" ist daher eine ueble Unterstellung.

Wenn es aber nur die Ueberschrift waere!

Was mich sehr nachdenklich macht, ist die Tatsache, dass Teile der Linken
von vornherein geneigt sind, diesen Vorwuerfen zu glauben, weil unsere
relative Staerke in der Gemeinde Graz zu einem Opportunismus- bzw.
Populismus-Verdacht fuehrt.

Wir haben in der Frage der Stadtwerke-Privatisierung gezeigt, dass wir
Haltung bewiesen haben, waehrend die SPOe umgefallen ist und die Gruenen
anfangs geschwankt haben. Und Populismus? Ich glaube, dass es ein
Markenzeichen unserer Politik ist, gerade nicht populistisch zu sein,
sondern alle Fragen gruendlich zu durchdenken.

Wir haben es in den vergangenen Jahren geschafft, den Gefahren der
Privilegienwirtschaft und des Abgleitens hin zu einer zweiten
Sozialdemokratie zu entgehen. Ob wir alles richtig gemacht haben, wissen wir
nicht. Letztendlich werden die WaehlerInnen am 26. Jaenner 2003 darueber
entscheiden.

*Franz Stephan Parteder, KPOe Graz*


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