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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. November 2002; 14:29
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Drogen/Recht&Ordnung:
> "Da kann Ihnen niemand helfen!"
Ein anonymer Bericht einer Leidtragenden des Cannabisverbots
Im Juni diesen Jahres hetzte mir mein Nachbar wieder einmal wegen
angeblicher Laermbelaestigung die Kollegen in Uniform in die Wohnung. Ich
liess die Herrschaften auf deren Ansuchen in meine Wohnung, worauf zwar
keine Laermbelaestigung festgestellt, dafuer aber eine "geringfuegige Menge"
Marihuana vorgefunden wurde.
Hat der Fliegentraeger nicht waehrend der TV-Konfrontation neulich wieder
einmal bekraeftigt, dass eine Menge zum Privatgebrauch in unserem liberalen
Land keine Schwierigkeiten macht? Ja, das dachte ich bis zu diesem Zeitpunkt
auch, wie viele meiner mitunwissenden Bekannten und Arbeitskollegen.
Weit gefehlt.
Was folgte war ein Alptraum, der bis jetzt noch kein Ende gefunden hat.
Ich bin selbstaendig, habe keinen 13. und 14. Gehalt, keinen bezahlten
Urlaub oder Krankenstand. Dass Leute mit einer IT-Ausbildung ueberall einen
Job bekommen oder gut verdienen kann ich bei meinem Einkommen nur als Mythos
abtun. Zum Glueck lebe ich in einer recht billigen, wenn auch sehr kleinen
Wohnung.
So war es fuer die Polizei auch ein leichtes, den Joint am Tisch liegend zu
identifizieren. Naiv wie ich bin, hab ich wahrheitsgemaess geantwortet, wann
ich den ersten Joint geraucht habe, naemlich mit 22/23, also vor ca. 15
Jahren.
Es wurde mir mitgeteilt, dass ich mich als Besitzerin eines Fuehrerscheins
binnen 4 Monaten einer Amtsaerztlichen Untersuchung zu unterziehen haette,
da man mir sonst den Fuehrerschein entziehen wuerde. Wieder naiv dachte ich
mir nicht viel dabei; sonst haette ich irgendwie versucht, gegen diesen
Unsinn Einspruch zu erheben. Der Amtsarzt vom Verkehrsamt teilte mir mit,
dass er mich nun leider "durch die Hoelle" schicken muesse und zwar laut
einer neuen Regelung vom 1.1.2002. Den Fuehrerschein nahm er mir nicht weg,
da er mich nicht fuer verkehrsuntauglich, sondern nur fuer "arm" hielt - und
zwar bezueglich dessen, was nun auf mich zukommen wuerde.
Ich machte also den Test und musste 363,-- Euro gleich mitbringen. Nicht
wenig Geld fuer jemanden mit meinen finanziellen Voraussetzungen (ca. ATS
9000.- im Monat). Dafuer plagte ich mich dort 4 Stunden am Computer mit
unsinnigen Tests ab und brachte ein durchschnittliches bis
ueberdurchschnittliches Ergebnis zustande, und ein eindeutiges "Ja", was
meine Verkehrstuechtigkeit betrifft.
Naechste Station: Labor Ist zwar irgendwie demuetigend, vor einer fremden
Person pinkeln zu muessen, aber was tut man nicht alles fuer den
Fuehrerschein. Ergebnis: 0 ng/l Cannabis. Dass ich nur den Cannabistest
machte, liegt uebrigens daran, dass mir das die Psychiaterin, die mir die
Psychologin vom Verkehrsblablainstitut empfohlen hatte, am Telefon
ausdruecklich vorgeschlagen hatte. Ich war naemlich skeptisch, ob ihr
Kollege vom Verkehrsamt solch einen Test ueberhaupt fuer ausreichend halten
wuerde, wenn auf dem laeppischen Einheitsvordruck nur entweder
"Psychiatrische Erkrankungen", "Alkoholismus" oder "Suchtmittel",
draufstand, und er die "Suchtmittel" eingekreist hatte, ohne
Differenzierung, obwohl der Schrieb von der Polizei lediglich auf
Cannabisprodukte hinwies.
Wieder naiv gewesen. Wenn ich gewusst haette, dass mir diese Person
vielleicht wieder einen Strick draus drehen will, haette ich gleich die
ganze Drogenpalette um 83,-- Euro statt "nur" 20,-- Euro durchtesten lassen,
damit die Frau auch schwarz auf weiss sieht, dass ich keine illegalen Drogen
zu mir nehme. Also hole ich mir heute den negativen Befund vom Labor und den
fuer mich aeusserst positiven Befund vom Verkehrspsychologischen Institut ab
und bin puenktlich in der Privatklinik zum ausgemachten Termin bei der Frau
Psychiaterin. Die laesst mich indes fast eine ganze Stunde warten, um sich
mir dann um Angabe 100,-- Euro glatte 20 Minuten zu widmen. Ein grosser
Anteil an Zeit ging dabei natuerlich fuer die Aufnahme meiner Personalien
wie Adresse, Versicherungsnummer, dem Austausch von Angabe und Quittung
(alles unter dem Begriff "Anamnese" zusammengefasst) verloren. Weiters
fuehrte sie neben - in meinen Augen verkehrsirrelevanten -
Kniereflex/Ellbogenreflextests, noch die anscheinend ueblichen
Finger-auf-die-Nase-Tests durch, und ich durfte ihr auch beweisen, dass es
mir durchaus moeglich ist, auf meinen Zehenspitzen zu gehen. Dann wollte sie
noch, dass ich meine Haende ausstrecke. Die Angelegenheit macht mir langsam
Sorgen, und ich weiss nicht, wie ich das finanzielle Loch, das mir dadurch
entstanden ist, wieder flicken soll.
Als "Mischlingskind" bin ich mit Vorurteilen vertraut. Da meine Mutter
psychiatrische Patientin war, stehe ich Psychiatern eher distanziert
gegenueber. Ich haette ihr auch sagen koennen, dass von meinem vaeterlichen
Background der Genuss von Cannabis-Produkten kulturell bedingt Gang und Gebe
ist, aber das koennte dann eventuell meine afghanischen Verwandten/Bekannten
in Schwierigkeiten bringen. Nun ja, unsere ca. 30 kg uebergewichtige Frau
Doktor mokierte sich dann noch ueber mein Gewicht "Warum sind sie so
duenn???" (Ich bin 162 cm gross und wiege 48 kg.) Ich wies sie darauf hin,
dass ich Vegetarierin bin, und eher zu einer gesunden Ernaehrung tendiere.
Ihre Antwort war: "Es gibt auch dicke Vegetarier!" Ich wusste nicht, dass es
in Oesterreich verboten ist, schlank zu sein. Weiters fiel der Dame
offensichtlich "verdaechtig" auf, dass ich mit sowenig Geld auskomme. Ich
braeuchte doch Geld fuer Urlaube, Klamotten und und und. Stimmt, ich hab
eben diese "Ewige Studentin-Mentalitaet", die es mir erlaubt, aus recht
wenig recht viel zu machen. Und ich kann es nicht ausstehen, wenn mir meine
"Armut" auch noch zum Vorwurf bzw. verdaechtigen Moment gemacht wird.
Sie meint nun wohl, ich nehme andere Drogen zu mir (was ein Bloedsinn ist),
und orderte den naechsten Harntest; diesmal am Montag. Ich ueberlege, ob ich
diesmal die ganze 83,-- Euro Drogen-Palette durchtesten soll, denn diese
Frau sagte, ich habe sie nicht ueberzeugt, und sie wuerde mir den
Fuehrerschein eventuell nur auf Zeit befuerworten. MEIN GOTT, DA MUSS ICH
DIESE (FINANZ- u. NERVEN-)HOeLLE NOCHMALS DURCHGEHEN?????
Ich soll ihr das Laborergebnis via Fax durchgeben, und am naechsten
Donnerstag darf ich mich dann wieder in ihre Audienz begeben, vielleicht
wieder meine Haende ausstrecken, auf den Zehen und auf den Fersen spazieren,
mir mit ihrem Haemmerchen gegen das Ellbogen- oder Kniegelenk schlagen
lassen, und habe keine Garantie, dass ich meinen Fuehrerschein, trotz
hervorragender Reaktionen etc. (alles im Computertest der VPU belegt),
niedrigste Haftpflichtversicherung aufgrund Unfallfreiheit behalten kann,
weil ich der Willkuer einer Walkuere ausgeliefert bin.
Langsam erreichen meine Nerven (und mein Konto) einen Ausnahmezustand. Und
da erzaehlt der Fliegentraeger im TV-Duell, dass es praktisch ein Klacks
sei, in Oesterreich mit einer geringfuegigen Menge Cannabis erwischt zu
werden. "Da kann Ihnen niemand helfen!", hat die Frau Doktor heute mehrmals
betont.
In jedem Fall hoffe ich, Ihnen mit diesem "vorlaeufigem Bericht" zumindest
eine Info geben zu koennen, wie sich die Kriminalisierung von
Cannabis-Besitz in diesem Land abspielt.
***
> Kanada vor Legalisierung?
Der von Kanadas Senat eingesetzte Sonderausschuss zu illegalen Drogen
empfahl am 4. September einstimmig, dass die Regierung den Cannabiskonsum
legalisieren und aehnlich reguliert wie Alkohol verkaufen solle.
"Im Wesentlichen empfiehlt der Ausschuss, dass Marihuana von jetzt an
legalisiert werden und fuer einen eingeschraenkten Konsum verfuegbar sein
soll, so dass Kanadier waehlen koennen, ob sie es konsumieren wollen oder
nicht," erklaerte der Ausschussvorsitzende Senator Pierre Claude Nolin. "In
einer freien Gesellschaft wie der unseren bleibt es jeder Person
ueberlassen, ob sie Cannabis verwenden will oder nicht. Wir wollen zu diesem
Konsum nicht mehr ermutigen als zum Konsum von Alkohol," fuegte er hinzu.
Der Ausschuss folgerte in einem 600-seitigen Bericht, dass Cannabis keine so
genannte Einstiegsdroge und tatsaechlich weniger gefaehrlich als Alkohol
sei. Im Bericht heisst es, dass das "Verbot von Cannabis die Gesundheit und
das Wohlbefinden der Kanadier wesentlich mehr gefaehrdet als die Substanz
selbst."
Hinsichtlich des medizinischen Nutzens stellte der Ausschuss fest, dass es
"klare, wenn auch nicht endgueltige Hinweise auf einen therapeutischen
Nutzen von Marihuana bei den folgenden Zustaenden gibt: Schmerzlinderung bei
chronischen Schmerzen, Antispastik bei multipler Sklerose, Antikonvulsion
bei Epilepsie, Brechreizhemmung bei Chemotherapie und Appetitanregung bei
Kachexie [Abmagerung]."
Die Berichte des Sonderausschusses zu illegalen Drogen sind erhaeltlich
unter: http://www.parl.gc.ca/illegal-drugs.asp
Quellen: Senate Special Committee on Illegal Drugs. Cannabis: Our Position
for a Canadian Public Policy. Senate of Canada. September 2002; Reuters vom
4. September 2002; Associated Press vom 4. September 2002
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